Ich bin bi - eine "kurze" Geschichte der Selbstfindung

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  • #1
Eins vorweg: ich habe 10 Jahre damit verbracht, obige Tatsache 1) nicht ganz zu verstehen und 2) zu leugnen oder noch eher einfach zu ignorieren. In den letzten Wochen hat aber irgendwas in meinem Kopf "geklickt" und ich fange so langsam an, diesen Teil von mir zu akzeptieren. Daher war es mir ein Bedürfnis, ein paar Gedanken zu dem Thema zu sammeln und aufzuschreiben. Geoutet bin ich noch lange nicht, aber ich dachte, das Ganze ist in einem Sexforum sowieso schon so ein alter Hut, dass das hier eh keinen interessiert - welch großartiger Ort also, um wenigstens ein bisschen outen zu üben. :grin:

Kurz gesagt: die Anzeichen, dass ich nicht heterosexuell bin, waren quasi seit Beginn der Pubertät da. Ich wusste allerdings nicht wirklich etwas von der Existenz von "Bisexualität"; man hatte mir nur was von "entweder hetero- oder homosexuell" erzählt. Als ich mich das erste Mal in ein Mädel verknallt habe (das war auch tatsächlich das erste Mal, dass ich überhaupt in irgendjemanden verknallt war), dachte ich also logischerweise, dass ich wohl lesbisch sein müsste. Damals war ich elf Jahre alt und ziemlich überfordert mit dieser Annahme - ich hatte keine Ahnung, was ich damit anfangen sollte oder was das bedeutete. Es war mir irgendwie ziemlich peinlich und unangenehm, weswegen ich einfach niemandem davon erzählt habe und es ein Stück weit auch irgendwo geleugnet habe.

Tja, und etwa ein Jahr später verknallte ich mich dann heftig in einen Typen. Heftiger als in das Mädchen zuvor. Das war natürlich irgendwie verwirrend, weil ich ja bis dahin davon ausgegangen war, dass man entweder straight oder gay sein konnte, aber es schien auf einmal so, als wäre ich beides? Ich fing dann an, zu googlen (danke, 21. Jahrhundert, dass ich in meiner verwirrenden Zeit der Adoleszenz diese Möglichkeit hatte), und stieß auf eine Seite, die erklärte, dass man während der Pubertät häufig zunächst gleichgeschlechtliche Anziehung verspüre und diese Tatsache ein ganz normales Phänomen sei. Mit der eigentlichen Sexualität müsse das nichts zu tun haben. Weil ich für den Typen "intensivere" Gefühle hatte als für das Mädel, ging ich dann davon aus, doch hetero zu sein und war gewissermaßen erleichtert, dass ich mich nicht mit den Schwierigkeiten eines Coming-Outs beschäftigen musste.

Man ahnt es vielleicht: In diesem Hin und Her ging es eine ganze Zeit lang weiter. Ich weiß nicht, wie oft ich mich gefragt habe, ob ich lesbisch bin, nur um wieder zu denken "ich bin mir ziemlich sicher, dass lesbische Frauen sich nicht auf diese Art und Weise zu Typen hingezogen fühlen." Das alles war unglaublich verwirrend. In dieser Zeit hatte ich auch irgendwann etwas von der Existenz von solch mythischen Dingen wie Bisexualität gelernt. Irgendwie war aber dieses "entweder, oder" Schema noch zu sehr in meinem Kopf verankert. Zusätzlich dazu kamen mir recht häufig im Zusammenhang mit Bisexualität Aussagen zu Ohr, die beispielsweise folgendes enthielten: "nicht entschieden"; "entscheiden sich irgendwann eigentlich alle für eine Seite"; "betrügen häufiger"; "wollen Aufmerksamkeit"; "können sich nicht eingestehen, dass sie gay sind". Bisexuell waren nur die, die nochmal "einen draufsetzen mussten", die, die sich nicht auf einer klaren, binären, "entweder-oder-Skala" einordnen konnten. Das alles führte dazu, dass ich nie ernsthaft dachte, dass solche Dinge auf mich zutreffen könnten - ich wollte niemand sein, der untreuer als andere Menschen ist, ich wollte nicht mehr Aufmerksamkeit auf mich ziehen - und, so dachte ich mir, wenn sich "am Ende eh alle für eine Seite entscheiden", wäre diese Orientierung ja sowieso immer nur etwas temporäres, irgendwas, was man unweigerlich irgendwann wieder ablegen muss.

Diese Verwirrung führte dazu, dass ich abgesehen von ein paar angetrunkenen Partyknutschereien lange nicht mal die Anbahnung einer Beziehung oder auch nur einer längeren Affäre oder ähnlichem hatte.

Irgendwann kam dann der Tag, an dem ich das Glück hatte, dass meine Anziehung zu einer Person und meine Gefühle zu einer Person erwidert wurden. Es handelte sich um einen Mann namens N. Und spätestens, als ich mit diesem Mann geschlafen hatte, war ich mir dann sicher, hetero zu sein. Ich dachte mir: "jemand, der nicht auf Männer steht, kann das gar nicht so toll gefunden haben, wie ich das gerade toll gefunden habe". Und damit war die Sache für mich erledigt. Endlich angekommen - juhu! Ich war damals immerhin "schon" 18 Jahre alt.

Als die Sache mit N. zu Ende war, datete ich logischerweise weiterhin ausschließlich Männer. Halt, was heterosexuelle Frauen so natürlicherweise tun, wenn sie auf Partnersuche sind. An Frauen dachte ich kaum noch, abgesehen von dem ein oder anderen lesbischen Porno oder Fantasien beim Masturbieren. Das war aber nicht genug, um mein neu gefestigtes heterosexuelles Selbstbild wieder irgendwie ins Wanken zu bringen. Ich war so froh, mich scheinbar in dieser Hinsicht gefunden zu haben, dass ich ignorierte, dass ich für manche weiblichen Bekannten/Freunde ab und zu "etwas mehr" fühlte. Es war leicht zu ignorieren, weil sich meine Anziehung zu Frauen irgendwie ganz anders anfühlt als die zu Männern. Beides ist definitiv Anziehung, aber eben irgendwie anders. Am ehesten bezeichnete ich mich als "hetero, mit ein paar heteroflexiblen Tendenzen".
Und klar, ich mochte und mag es weiterhin, Männer zu daten. Haarige Beine und Arme sind toll. Tiefe Stimmen und breite Schultern und Bärte sind toll. Penisse sind auch toll. ( :grin: )
Momentan lerne ich einen Mann kennen, den ich mal salopp als "genau mein Ding" beschreiben würde; alles, was ich mir von einem Mann erhoffen könnte.

Woher jetzt also, nach 10 Jahren Unsicherheit und Hin und Her und Verwirrung und Ignorieren und scheinbarer Selbstfindung und mehr Ignorieren, so plötzlich die Erkenntnis, dass Männer nicht die einzigen sind, die mich in sexueller und romantischer Hinsicht ansprechen?
Vor ein paar Wochen stieß ich im Internet zufällig auf ein Bild. Es zeigte zwei Frauen, relativ offensichtlich in einer romantischen Beziehung, kuschelnd und sich küssend im Schlafanzug auf einem Sofa. Und ich dachte in diesem Moment einfach nur: "wow, das würde ich irgendwie auch so nehmen, wie es da ist. Meine Traumfrau und ich - das wär genauso gut wie mein Traummann und ich." Und da hat es dann irgendwo so langsam "Klick" gemacht.


Rückblickend war ich ewig lang total voll mit etwas, was man auf Englisch "internalized biphobia" nennt. Dabei ging es vor allem um meine eigene Sexualität - ich hatte immer das Gefühl, dass ich mich irgendwann entscheiden müsste - aber ich wollte mich eigentlich tief drin nie "entscheiden". In den letzten Wochen habe ich erst so richtig begriffen, dass ich mich nicht entscheiden muss. Wenn ich sage: "Ich bin bi", ist das nichts Temporäres, nichts, was ich auf dem Weg zur sexuellen Selbstfindung eine Zeit lang von mir behaupte. Es ist, endlich, und dieses Mal wirklich, das Ziel einer langen Findungsphase und ich bin ein bisschen stolz, endlich angekommen zu sein.

Ich habe lange Zeit gelernt, dass es für andere Leute okay ist, gay/bi zu sein - nur nicht für mich persönlich. Das war etwas, was mich lange Zeit geängstigt hat und sicherlich ein Grund dafür war, weswegen ich mit 18 sehr freudig sofort nach dem ersten Mal mit einem Kerl die heterosexuelle Identität angenommen habe - und sicher ist das ein Punkt, in dem ich noch weiter "umdenken" und mich selbst noch mehr akzeptieren muss, bevor ich mich irgendwo "im echten Leben" outen kann. Aber ich denke, dass ich da auf einem guten Weg bin.

Ich glaube, ich habe das hier ein Stück weit auch deswegen geschrieben, weil mir so etwas geholfen hätte. Ich selbst habe Aussagen wie "am Ende entscheiden sich alle für eine Seite" viel zu lange für bare Münze genommen und selbst irgendwo so gedacht (wie gesagt, "internalized biphobia"). Wenn man mir Bisexualität auf andere Weise vermittelt hätte, hätte mir das bestimmt einiges an Unsicherheit, Selbstzweifeln, Angst und Kummer erspart.

Naja, long story short: Es wird mir, glaube ich, von Tag zu Tag immer ein bisschen egaler, was andere Leute von mir denken. Also, wem dieser Text hier nicht gefällt, der kann gerne "haten" - mir solls egal sein. Ich ändere meine Tindereinstellungen währenddessen von "Männer" auf "alle" und freue mich darauf, was 2020 mir so bringt.

Peace out. :victory:
 
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wild_rose
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  • #2
Schön, dass du deinen Weg für dich gefunden hast.
Ich bin froh, dass wir in dieser Welt Mittel und Wege haben, durch dieses Gefühlschaos geleitet zu werden und Begriffe an die Hand zu bekommen, mit denen man sich mehr oder weniger identifizieren kann. Ein hoch auf das Internet.
 
Mrs. Brightside
Benutzer140332  (36) Planet-Liebe ist Startseite
  • #3
Toll, dass du endlich das Gefühl hast, angekommen zu sein. Das ist so viel Wert, ich kenne diese Unsicherheit nämlich auch sehr gut. :smile:

Als ich entdeckte, dass ich nicht nur das männliche Geschlecht toll finde und meistens eher zu Frauen masturbiert, war mir auch klar, dass ich da mit 12 Jahren irgendwie anders war. Zusätzlich kamen bei mir dann noch Bondage Fantasien dazu, später auch BDSM Teile, ich muss nicht erwähnen wie verstörend das mit 14 Jahren sein muss, wenn diese sexuelle Orientierung und die sexuellen Vorlieben aufeinander treffen.

Als ich damals jung war, gab es noch kein Internet. (fühle mich echt alt gerade :grin:)
Ich konnte mich auch Niemanden anvertrauen, hab zwar ab und zu mit meiner besten Freundin geknutscht, dass war aber alles noch eher so ein austesten.

Ich war sehr lange alleine damit, niemals hätte ich mit meinen Eltern darüber reden können (meine Mutter gehört auch leider zu den Frauen, die Sexualität als absolute Nebensache oder schlimmer noch "als Geschenk für den Mann" betrachtet), bei Freunden war das Thema eher so "Händchen halten als Mädchen oder Küsse geben" ist normal, aber eben nicht sexuell oder romantisch.

Richtig intim mit einem Mädchen wurde ich mit 14/15 im Urlaub. Da war ich auch das erste Mal verknallt in das andere Geschlecht. Dort konnte ich mich ausleben, mich kannte da keiner. Ab da an war mir klar, dass ich eben nicht heterosexuell war - oder der Terminus bei uns in der Umgebung: normal.

Ich hatte bis ich 18 Jahre wurde also nur eine vage Vorstellung von meiner Sexualität und meiner sexuellen Orientierung. Ich wollte mich auch nie richtig definieren, weil ich das als zu einengend empfunden habe. Ich bin für Andere wohl bisxeuell, für wieder Andere pansexuell - ich bin aber ich. Und ich begehre, wen ich begehre.

Ich hoffe sehr, dass meine Beziehung zu meinem Sohn anders verläuft, dass er mit Allem zu mir kommen kann.

Ich hab da phasenweise sehr drunter gelitten mit Niemanden reden zu können.
Nicht nur dass ich auf Frauen stand, nein, zusätzlich stand ich auch noch auf BDSM. Nicht nur nicht normal, sondern auch pervers. Hat lange gedauert bis ich mich so annehmen konnte, wie ich bin.

Als ich dann noch entdeckte, dass ich auch nicht mein Leben lang monogram leben möchte, fühlte ich mich richtig angekommen.

Was ich damit sagen will: Selbst wenn man denkt, man ist angekommen, können danach immer noch Veränderungen passieren. Wenn ich eins gelernt habe, dann das im Leben nichts starr ist.

Wenn sich nie wieder was verändert, auch gut. Aber man sollte flexibel bleiben, dann wird man weniger überrascht. Gerade wenn man zwischen 2 Geschlechtern wählen kann.:grin:

Aber es ist viel Wert, wenn man sich selbst so annehmen kann, wie man ist und dies auch nach außen hin zeigen kann. Das ist mitunter eines der schönsten Gefühle. :rose:
 
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  • #4
Ich war sehr lange alleine damit, niemals hätte ich mit meinen Eltern darüber reden können
Das Gefühl, mit den Eltern nicht darüber reden zu können, kenne ich auch sehr gut. Die waren es ja letztendlich, die mir quasi beigebracht haben: "it's okay to be gay" (oder halt überhaupt irgendwas anderes als hetero zu sein/nicht "normal" zu sein)... und dann, im Nachsatz, versteckt in anderen Aussagen: solange es andere Leute betrifft. Es ist okay, wenn andere so sind, solange du nur bloß "normal" bist.
Ich hatte ja im Zweifel wenigstens irgendwann noch das Internet - so wirklich komplett allein damit zu sein, stelle ich mir echt schwierig und noch komplizierter vor. Ich hab mich ja schon oft deswegen einsam gefühlt - will mir gar nicht vorstellen, wie es war, nicht mal googlen zu können. :seenoevil:
Ich hoffe sehr, dass meine BeEsziehung zu meinem Sohn anders verläuft, dass er mit Allem zu mir kommen kann.
Das kann ich gut verstehen. Aber das wirst du ihm bestimmt auch genauso vermitteln. :rose:


Und, uff, was fühlt es sich gut an, das gerade ausgesprochen zu haben. Wenn man sich selbst erstmal grundlegend akzeptiert, fällt es einem irgendwie auch viel leichter, entspannt in die Zukunft zu schauen und zu denken "ich lass jetzt alles einfach auf mich zukommen."

Es ist wirklich extrem viel wert, sich selbst endlich sagen zu können: "ich stehe auch auf Frauen", ohne einen unkontrollierbaren Drang zu haben, sich selbst mit faulen Eiern zu bewerfen, weil oh mein Gott, wie kannst du es wagen, schäm dich, du solltest doch "normal" aka hetero sein.

Also, noch ein Grund, weswegen ich das geschrieben habe: Niemand sollte sich jemals dafür schämen, gleichgeschlechtliche romantische und/oder sexuelle Anziehung zu verspüren. Punkt. :bier:
 
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  • #5
Ich bin jetzt ne ganze Weile um diesen Faden rumgeschlichen und hab mir überlegt, was ich schreiben will. Das was hier dargelegt wurde hat mich tief berührt. Jetzt, nachdem ich meinen Beitrag im Männer-Verwandte-Auskotz-Faden geschrieben hab, schließt sich ein Kreis.

Im Grunde kämpfen wir alle mit dem selben Phänomen, dabei ist es nachrangig ob sich das auf den Kontext Sexualität bezieht oder nicht. Bei mir ist es erst mal Hochsensibilität, und über Umwege dann doch auch Sexualität im Sinne einer offenen Beziehung. Es geht im Kern um die Spannungspole „Normalität“ und „Funktionalität“ auf der Gesellschaftsseite einerseits und „Individualität“ und eine „selbstbestimmte Lebensführung“ auf der Ich-Seite andererseits. Unsere Gesellschaft, unsere ganze Kultur, an erster Stelle unsere vorherrschende Religion in unseren Breiten, ist darauf ausgerichtet, einen Standard erzieherisch sicherzustellen. Es gibt bei uns keine gesellschaftlichen Kompetenzen, wirkliche ungesteuerte Individualität zu ermöglichen. Wir werden alle einem „Anforderungskatalog“ entsprechend zur gesellschaftlichen Funktion erzogen. Weichen wir ab, stellt sich ein ungewünschtes Ergebnis ein, dann ist das ein Problem. Bei euch, funkycat und Mrs. Brightside Mrs. Brightside , ist es die sexuelle Abweichung von der heterosexuellen Norm, bei mir ist es die Hochsensibilität. Es läuft darauf hinaus, dass man lange Jahre, und bei mir waren das deutlich mehr Jahre als ihr beiden lebt, glaubt, im falschen Film zu leben, oder präziser gesagt, man glaubt, nicht fähig zu sein, die Rolle zu spielen, die im Drehbuch steht, denn den Film zweifelt man ja gar nicht an, man sucht den Fehler bei sich. Nicht der Film ist falsch, da spielen ja all die anderen mit, und die machen das ja alle gut und richtig, nur ich kann das nicht so, „wie sich das gehört“.

Vor etwa 5 Jahren hab ich herausgefunden, dass es HS gibt, hab mich etwas eingelesen und ich kann mich noch genau an das heisskalte Gefühl erinnern, als ich erkannt hab, dass mich das beschreibt, und zwar nicht so wage, sondern exakt. Ich hab ein Jahr gebraucht, um HS zu akzeptieren, ein weiteres um überhaupt die Tragweite zu verstehen, wieder ein Jahr um zu mich darin zu erkennen und seit etwa zwei Jahren kann ich damit quasi aktiv leben, habe einen „HS-Alltag“. Allerdings, der Kreis derer, die darum wissen, die tatsächlich wissen, wer ich als HSler bin, der Kreis ist sehr klein. Ich trage es nicht raus. Der Grund ist ganz einfach. Der Film ist nicht falsch, auch ist meine Rolle im Sinne des Filmes nicht falsch, nur hab ich Eigenschaften, die in meiner Rollenbeschreibung nicht vorkommen.

In dem Zuge, wie ich mir in HS selbst näher gekommen bin, quasi meine Exzentrizität verloren hab (die Gesellschaft würde mir vermutlich genau den gegenteiligen Effekt bescheinigen), in dem Maße hat sich mein Verhältnis zu meiner Individualität verändert, ich bin mir immer näher gekommen. Das hat meine Beziehung maßgeblich mit beeinflusst, konkreter in den ersten Jahren hat uns das geholfen, unsere Beziehung zu erneuern und eine Trennung/Scheidung zu verhindern. Und schlussendlich hat es dazu geführt, dass wir, meine Frau und ich, in einer offenen Beziehung leben, Sex alleine mit anderen haben (vornehmlich ich bis dato) und Sex gemeinsam mit einem Freundespaar haben (wobei sich das andersherum entwickelt hat, erst Sex, dann Freundschaft). Meine Frau entdeckt gerade ihre Bisexualität.

Ihr beiden, funkycat und Mrs. Brightside Mrs. Brightside , habt den Vorteil, dass ihr eure sexuelle Identität schon deutlich früher entdeckt habt, in einer Lebensphase, die noch sehr von Entdeckung und Ausprobieren, von Abenteuerlust und kraftvoller Entfaltung geprägt ist. Ihr habt noch einiges an Erlebnissen und Abenteuern vor euch. Freut auch drauf! Ich hab den Vorteil, dass das bei mir mit deutlich mehr Lebensjahren, und bitte nicht falsch verstehen, mit mehr Lebenserfahrung passiert ist. Aus der Perspektive des fast 60jährigen kann ich euch deshalb aber den Mut zusprechen, euch weiterhin treu zu bleiben. Geht diesen Weg der Individualität, seit euch dabei bewusst, dass die Gesellschaft, damit nur bedingt umgehen können wird, dass ihr teilweise auf unverständiges Kopfschütteln stossen werdet, bis hin zu Anfeindung und aktiver Ablehnung, dass man euch aus dem Weg geht. Aber ihr werdet auch auf Menschen stossen, die ebenso wie ihr differenziert (Begriff, den David Schnarch geprägt hat, kann das Buch nur sehr empfehlen) sind, reflektiert und in einer eigenen individuellen Perspektive auf unsere Gesellschaft. Und mit diesem Menschen werdet ihr Begegnungen erleben können, die weit über den funktionalen, klischeehaften Anspruch des „Films“ hinausgehen. Dann spielt das Geschlecht dabei auch keine Rolle mehr, oder die Frage, ob ihr euch intellektuell, emotional oder körperlich begegnet.

Das Leben ist unglaublich viel reicher, wenn man die „Matrix“ (der Film passt extrem gut als Metapher zu diesem ganzen Hergang) verlassen hat. Leben wir unbewusst in der Matrix, dann kämpfen wir gegen das an, was in uns ist und sich nicht entfalten soll. Leben wir außerhalb der Matrix, dann kämpfen wir womöglich gegen das an, was uns von außen an dieser Entfaltung hindern will. Das muss nicht so sein, in beiden Fällen, aber es schadet nicht, genauer hinzusehen.

Go for it, it‘s worth it!
 
Sorceress Apprentice
Benutzer89539  Team-Alumni
  • #6
Zusätzlich dazu kamen mir recht häufig im Zusammenhang mit Bisexualität Aussagen zu Ohr, die beispielsweise folgendes enthielten: "nicht entschieden"; "entscheiden sich irgendwann eigentlich alle für eine Seite"; "betrügen häufiger"; "wollen Aufmerksamkeit"; "können sich nicht eingestehen, dass sie gay sind". Bisexuell waren nur die, die nochmal "einen draufsetzen mussten", die, die sich nicht auf einer klaren, binären, "entweder-oder-Skala" einordnen konnten.
Mir war lange gar nicht klar, dass es all diese biphoben Vorurteile gibt. Früher war eh alles was nicht hetero ist etwas speziell, bis ich die Welt von PL kennenlernte, wo alles toleranter ist und bi ganz normal (gibt hier ja auch deutlich mehr bisexuelle als homosexuelle User). Als ich in einem Buch davon las, welche Vorurteile gegenüber Bisexualität bestehen, war ich etwas überrascht. Dachte mir "OK, das hat eine Amerikanerin geschrieben [Julia Serano], vielleicht ist das bei denen so, aber hier in D wäre mir das fremd".

Tja, dann hab ich mich vor ein paar Wochen mit einer Freundin drüber unterhalten, und die hat bestätigt dass es das wirklich oft gibt. Und noch öfter Bisexualität einfach als nichtexistent beschrieben wird. Als sie mit einer Frau zusammen war, war sie für ihre Eltern lesbisch. Als sie später mit einem Mann zusammen kam, erkannten ihre Eltern dass sie ja doch hetero, und das vorher "nur eine Phase" war. Dass sie durchgängig darauf beharrte, bi zu sein wurde ignoriert.

Besonders heftig finde ich diese Bi Invisibility ja, wenn sie von homosexueller Seite kommt. Schon etwas erschreckend, wie ignorant unsere Gesellschaft auch heute noch manchmal ist.

Mein eigener Irrweg des inneren Coming-Outs hat sich ja auch über Jahre hingezogen. Von daher kann ich verstehen, sie sehr du da mit dir gehadert hast. Glückwunsch zu der offenbar befreienden Erkenntnis. Und viel Spaß bei Dates mit Frauen! :zwinker:

Davon ab wäre ein Teil von mir ja tatsächlich gerne bi. :grin: Ich weiß nur nicht so recht, ob ich es bin. So richtig in eine Schublade passen mag ich da nicht.
 
D
Benutzer176382  (49) Benutzer gesperrt
  • #7
Davon ab wäre ein Teil von mir ja tatsächlich gerne bi. :grin: Ich weiß nur nicht so recht, ob ich es bin. So richtig in eine Schublade passen mag ich da nicht.

Warum willst Du denn überaupt in eine Schublade? Warum denkst Du überhaupt in Schubladen/Katgorien?
Sei doch einfach so wie Du Dich wohlfühlst und mach, was Dir gut tut - ohne Rücksicht darauf, welche (willkürlichen) Bezeichungen die Gesellschaft sich dafür ausgedacht hat :zwinker:
 
Sorceress Apprentice
Benutzer89539  Team-Alumni
  • #8
Off-Topic:
Warum willst Du denn überaupt in eine Schublade? Warum denkst Du überhaupt in Schubladen/Katgorien?
Sei doch einfach so wie Du Dich wohlfühlst und mach, was Dir gut tut - ohne Rücksicht darauf, welche (willkürlichen) Bezeichungen die Gesellschaft sich dafür ausgedacht hat :zwinker:
Die Schublade selbst ist mir egal. Es geht darum, was drin steckt. Mich selbst, meine Träume, was ich suche besser zu verstehen.
 
G
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  • Themenstarter
  • #9
Die Schublade ist nicht für andere, sondern für mich. Mir hilft es, zu wissen: "Es gibt andere Leute, die so empfinden wie ich, und die bezeichnen sich halt als XY." Dadurch wird einem (also mir zumindest) bewusster, dass man eben nicht alleine ist mit dem, was man fühlt.
 
Guinan
Benutzer34612  Planet-Liebe Berühmtheit
Redakteur
  • #10
Ich empfinde da, denke ich, ähnlich wie du.
Was mich interessieren würde ist: hast du das Bedürfnis, deine Gefühlswelt zu kommunizieren? Oder die Notwendigkeit? Oder deinem Empfinden einen Namen zu geben? Beispielsweise, weil du zB eine Beziehung zu einer Frau eingegangen bist?
Denn dann entsteht ja auch erst die Notwendigkeit, der Situation "einen Namen zu geben". So stricke ich mir das zumindest in meinem Kopf zusammen :zwinker:

Wenn mich jemand tatsächlich mal fragt (was bisher echt sehr selten vorkam), dann antworte ich nämlich auch meistens sowas in der Art wie "Wenn du für deinen Kopf eine Kategorie oder einen Namen dafür brauchst, dann nenn mich bisexuell, aber zu 100% trifft es das nicht".
 
G
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  • Themenstarter
  • #11
Guinan Guinan puh... ich habe diese Sache ja doch recht lang mit mir selbst ausgemacht. Irgendwie ist es mir da schon wichtig, das jetzt, wo ich endlich aufgehört habe, mit mir zu hadern, in irgendeiner Form "nach außen" zu tragen. Aus so einem Impuls entstand dieser Thread. Andererseits würde ich, glaube ich, im "echten Leben" das erst versuchen, anderen zu "erklären", sobald ein konkreter Anlass auftritt (eben zB ernsthafteres Daten einer Frau, gefragt werden usw). Eine Ausnahme wären da meine engsten Freunde. Ansonsten hab ich da diesbezüglich kein großes Kommunikationsbedürfnis. Wichtig ist für mich eben vor allem, dass ich für mich selbst mein Empfinden benennen kann.

Wenn du für deinen Kopf eine Kategorie oder einen Namen dafür brauchst
Brauchst du selbst einen Namen?
 
G
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  • Themenstarter
  • #12
Eins vorweg: ich habe 10 Jahre damit verbracht, obige Tatsache 1) nicht ganz zu verstehen und 2) zu leugnen oder noch eher einfach zu ignorieren. In den letzten Wochen hat aber irgendwas in meinem Kopf "geklickt" und ich fange so langsam an, diesen Teil von mir zu akzeptieren. Daher war es mir ein Bedürfnis, ein paar Gedanken zu dem Thema zu sammeln und aufzuschreiben. Geoutet bin ich noch lange nicht, aber ich dachte, das Ganze ist in einem Sexforum sowieso schon so ein alter Hut, dass das hier eh keinen interessiert - welch großartiger Ort also, um wenigstens ein bisschen outen zu üben. :grin:

Kurz gesagt: die Anzeichen, dass ich nicht heterosexuell bin, waren quasi seit Beginn der Pubertät da. Ich wusste allerdings nicht wirklich etwas von der Existenz von "Bisexualität"; man hatte mir nur was von "entweder hetero- oder homosexuell" erzählt. Als ich mich das erste Mal in ein Mädel verknallt habe (das war auch tatsächlich das erste Mal, dass ich überhaupt in irgendjemanden verknallt war), dachte ich also logischerweise, dass ich wohl lesbisch sein müsste. Damals war ich elf Jahre alt und ziemlich überfordert mit dieser Annahme - ich hatte keine Ahnung, was ich damit anfangen sollte oder was das bedeutete. Es war mir irgendwie ziemlich peinlich und unangenehm, weswegen ich einfach niemandem davon erzählt habe und es ein Stück weit auch irgendwo geleugnet habe.

Tja, und etwa ein Jahr später verknallte ich mich dann heftig in einen Typen. Heftiger als in das Mädchen zuvor. Das war natürlich irgendwie verwirrend, weil ich ja bis dahin davon ausgegangen war, dass man entweder straight oder gay sein konnte, aber es schien auf einmal so, als wäre ich beides? Ich fing dann an, zu googlen (danke, 21. Jahrhundert, dass ich in meiner verwirrenden Zeit der Adoleszenz diese Möglichkeit hatte), und stieß auf eine Seite, die erklärte, dass man während der Pubertät häufig zunächst gleichgeschlechtliche Anziehung verspüre und diese Tatsache ein ganz normales Phänomen sei. Mit der eigentlichen Sexualität müsse das nichts zu tun haben. Weil ich für den Typen "intensivere" Gefühle hatte als für das Mädel, ging ich dann davon aus, doch hetero zu sein und war gewissermaßen erleichtert, dass ich mich nicht mit den Schwierigkeiten eines Coming-Outs beschäftigen musste.

Man ahnt es vielleicht: In diesem Hin und Her ging es eine ganze Zeit lang weiter. Ich weiß nicht, wie oft ich mich gefragt habe, ob ich lesbisch bin, nur um wieder zu denken "ich bin mir ziemlich sicher, dass lesbische Frauen sich nicht auf diese Art und Weise zu Typen hingezogen fühlen." Das alles war unglaublich verwirrend. In dieser Zeit hatte ich auch irgendwann etwas von der Existenz von solch mythischen Dingen wie Bisexualität gelernt. Irgendwie war aber dieses "entweder, oder" Schema noch zu sehr in meinem Kopf verankert. Zusätzlich dazu kamen mir recht häufig im Zusammenhang mit Bisexualität Aussagen zu Ohr, die beispielsweise folgendes enthielten: "nicht entschieden"; "entscheiden sich irgendwann eigentlich alle für eine Seite"; "betrügen häufiger"; "wollen Aufmerksamkeit"; "können sich nicht eingestehen, dass sie gay sind". Bisexuell waren nur die, die nochmal "einen draufsetzen mussten", die, die sich nicht auf einer klaren, binären, "entweder-oder-Skala" einordnen konnten. Das alles führte dazu, dass ich nie ernsthaft dachte, dass solche Dinge auf mich zutreffen könnten - ich wollte niemand sein, der untreuer als andere Menschen ist, ich wollte nicht mehr Aufmerksamkeit auf mich ziehen - und, so dachte ich mir, wenn sich "am Ende eh alle für eine Seite entscheiden", wäre diese Orientierung ja sowieso immer nur etwas temporäres, irgendwas, was man unweigerlich irgendwann wieder ablegen muss.

Diese Verwirrung führte dazu, dass ich abgesehen von ein paar angetrunkenen Partyknutschereien lange nicht mal die Anbahnung einer Beziehung oder auch nur einer längeren Affäre oder ähnlichem hatte.

Irgendwann kam dann der Tag, an dem ich das Glück hatte, dass meine Anziehung zu einer Person und meine Gefühle zu einer Person erwidert wurden. Es handelte sich um einen Mann namens N. Und spätestens, als ich mit diesem Mann geschlafen hatte, war ich mir dann sicher, hetero zu sein. Ich dachte mir: "jemand, der nicht auf Männer steht, kann das gar nicht so toll gefunden haben, wie ich das gerade toll gefunden habe". Und damit war die Sache für mich erledigt. Endlich angekommen - juhu! Ich war damals immerhin "schon" 18 Jahre alt.

Als die Sache mit N. zu Ende war, datete ich logischerweise weiterhin ausschließlich Männer. Halt, was heterosexuelle Frauen so natürlicherweise tun, wenn sie auf Partnersuche sind. An Frauen dachte ich kaum noch, abgesehen von dem ein oder anderen lesbischen Porno oder Fantasien beim Masturbieren. Das war aber nicht genug, um mein neu gefestigtes heterosexuelles Selbstbild wieder irgendwie ins Wanken zu bringen. Ich war so froh, mich scheinbar in dieser Hinsicht gefunden zu haben, dass ich ignorierte, dass ich für manche weiblichen Bekannten/Freunde ab und zu "etwas mehr" fühlte. Es war leicht zu ignorieren, weil sich meine Anziehung zu Frauen irgendwie ganz anders anfühlt als die zu Männern. Beides ist definitiv Anziehung, aber eben irgendwie anders. Am ehesten bezeichnete ich mich als "hetero, mit ein paar heteroflexiblen Tendenzen".
Und klar, ich mochte und mag es weiterhin, Männer zu daten. Haarige Beine und Arme sind toll. Tiefe Stimmen und breite Schultern und Bärte sind toll. Penisse sind auch toll. ( :grin: )
Momentan lerne ich einen Mann kennen, den ich mal salopp als "genau mein Ding" beschreiben würde; alles, was ich mir von einem Mann erhoffen könnte.

Woher jetzt also, nach 10 Jahren Unsicherheit und Hin und Her und Verwirrung und Ignorieren und scheinbarer Selbstfindung und mehr Ignorieren, so plötzlich die Erkenntnis, dass Männer nicht die einzigen sind, die mich in sexueller und romantischer Hinsicht ansprechen?
Vor ein paar Wochen stieß ich im Internet zufällig auf ein Bild. Es zeigte zwei Frauen, relativ offensichtlich in einer romantischen Beziehung, kuschelnd und sich küssend im Schlafanzug auf einem Sofa. Und ich dachte in diesem Moment einfach nur: "wow, das würde ich irgendwie auch so nehmen, wie es da ist. Meine Traumfrau und ich - das wär genauso gut wie mein Traummann und ich." Und da hat es dann irgendwo so langsam "Klick" gemacht.


Rückblickend war ich ewig lang total voll mit etwas, was man auf Englisch "internalized biphobia" nennt. Dabei ging es vor allem um meine eigene Sexualität - ich hatte immer das Gefühl, dass ich mich irgendwann entscheiden müsste - aber ich wollte mich eigentlich tief drin nie "entscheiden". In den letzten Wochen habe ich erst so richtig begriffen, dass ich mich nicht entscheiden muss. Wenn ich sage: "Ich bin bi", ist das nichts Temporäres, nichts, was ich auf dem Weg zur sexuellen Selbstfindung eine Zeit lang von mir behaupte. Es ist, endlich, und dieses Mal wirklich, das Ziel einer langen Findungsphase und ich bin ein bisschen stolz, endlich angekommen zu sein.

Ich habe lange Zeit gelernt, dass es für andere Leute okay ist, gay/bi zu sein - nur nicht für mich persönlich. Das war etwas, was mich lange Zeit geängstigt hat und sicherlich ein Grund dafür war, weswegen ich mit 18 sehr freudig sofort nach dem ersten Mal mit einem Kerl die heterosexuelle Identität angenommen habe - und sicher ist das ein Punkt, in dem ich noch weiter "umdenken" und mich selbst noch mehr akzeptieren muss, bevor ich mich irgendwo "im echten Leben" outen kann. Aber ich denke, dass ich da auf einem guten Weg bin.

Ich glaube, ich habe das hier ein Stück weit auch deswegen geschrieben, weil mir so etwas geholfen hätte. Ich selbst habe Aussagen wie "am Ende entscheiden sich alle für eine Seite" viel zu lange für bare Münze genommen und selbst irgendwo so gedacht (wie gesagt, "internalized biphobia"). Wenn man mir Bisexualität auf andere Weise vermittelt hätte, hätte mir das bestimmt einiges an Unsicherheit, Selbstzweifeln, Angst und Kummer erspart.

Naja, long story short: Es wird mir, glaube ich, von Tag zu Tag immer ein bisschen egaler, was andere Leute von mir denken. Also, wem dieser Text hier nicht gefällt, der kann gerne "haten" - mir solls egal sein. Ich ändere meine Tindereinstellungen währenddessen von "Männer" auf "alle" und freue mich darauf, was 2020 mir so bringt.

Peace out. :victory:

... wie schön sie ist,
diese geschichte ...
 
Guinan
Benutzer34612  Planet-Liebe Berühmtheit
Redakteur
  • #13
G
Benutzer Gast
  • Themenstarter
  • #14
Bisexualität einfach als nichtexistent beschrieben wird

Hab ich jetzt über die Feiertage wieder von einem Familienmitglied gehört (in einem anderen Kontext, ging da um andere Leute). Gut, war auch ein Mitglied der Ü65-Altersklasse. Trotzdem ein bisschen doof, aber ich finde es schlimmer, wenn solche Aussagen von jüngeren Leuten kommen.
 
Sorceress Apprentice
Benutzer89539  Team-Alumni
  • #15
Hab ich jetzt über die Feiertage wieder von einem Familienmitglied gehört (in einem anderen Kontext, ging da um andere Leute). Gut, war auch ein Mitglied der Ü65-Altersklasse. Trotzdem ein bisschen doof, aber ich finde es schlimmer, wenn solche Aussagen von jüngeren Leuten kommen.
Im Endeffekt müssen sie es ja nicht glauben, sie werden ja sehen was für einen Menschen du letztlich mit nach Hause bringst. :zwinker:

Kann aber verstehen dass das trotzdem blöd ist.
 
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D
Benutzer176382  (49) Benutzer gesperrt
  • #16
Hab ich jetzt über die Feiertage wieder von einem Familienmitglied gehört (in einem anderen Kontext, ging da um andere Leute). Gut, war auch ein Mitglied der Ü65-Altersklasse. Trotzdem ein bisschen doof, aber ich finde es schlimmer, wenn solche Aussagen von jüngeren Leuten kommen.

Schon, aber man muss sich ja nicht jedes Geschwätz aus seiner Umgebung zu Herzen nehmen.
 
Darwinist
Benutzer152937  (32) Meistens hier zu finden
  • #18
Wow, ein mutiger erster Schritt, liebe funkycat. Ich kann mir vorstellen, dass dein innerer und äußerer Coming-Out-Prozess damit noch lange nicht abgeschlossen ist, aber der wichtigste Schritt ist glaub' ich getan. Es freut mich, dass du auf dem Weg bist, zu dir selbst zu finden.

Natürlich kann ich mich noch daran erinnern, wie das bei mir selbst gewesen ist. Vieles von dem, was du geschrieben hast, finde ich in meiner eigenen Geschichte wieder, vieles ist aber auch total anders. Jeder kann da wohl seine eigene Story erzählen.

Bei mir war es so, dass ich zum ersten Mal mit Bisexualität konfrontiert wurde, da war ich vielleicht 10 oder 11. Ich weiß noch, dass im Fernsehen damals ein Beitrag über einen Bisexuellen gekommen ist und ich mir gedacht habe: Aha, sowas gibt es also auch. Dass es auch auf mich zutreffen könnte, habe ich aber damals überhaupt nicht in Erwägung gezogen. Für Sex und Mädchen habe ich mich in dem Alter aber auch noch gar nicht besonders interessiert. Im Kindergarten hatte ich mal eine "Freundin" und in der Grundschule wohl auch, aber das war natürlich nichts wirklich Festes, aber es gab bis zu dem Zeitpunkt gar keinen Anlass für mich, meine sexuelle Orientierung zu hinterfragen.
Man wurde schließlich älter und nach und nach hatten die anderen dann alle ihre erste Freundin bzw. ihren ersten Freund. Natürlich alles heterosexuelle Beziehungen und irgendwann habe ich mich in meine beste Freundin verknallt - geworden ist daraus nie etwas, ich wollte die Freundschaft einfach nicht gefährden. Jedenfalls hat wieder nichts darauf hingedeutet, dass ich eventuell nicht hetero sein könnte.

Zum ersten Mal kam eine leise Ahnung auf als ich etwa 16 Jahre alt war. Das war damals gerade so die Zeit, wo es ganz spannend war, sich bei der Selbstbefriedigung einen Porno aus dem Netz reinzuziehen und durch Zufall habe ich auf einen Schwulen-Porno geklickt. Anstatt aber gleich wieder weg zu klicken, bin ich dabei hängen geblieben und habe festgestellt, dass es mich sogar ziemlich angemacht hat. Ab da habe ich bei der Selbstbefriedigung öfter einmal daran gedacht, wie wohl gleichgeschlechtlicher Sex wäre oder mir vorgestellt, mit einem guten Freund gemeinsam zu onanieren. Als bi habe ich mich damals aber noch nicht gesehen. Ich war ziemlich überzeugt, dass ich durch und durch hetero sei, denn eine Beziehung hätte ich mir mit einem Mann nie vorstellen können. Daher habe ich es einfach als pubertäre Phase abgetan. Ich hab natürlich im Netz gegoogelt und da stand häufig, dass viele solche Erfahrungen machen und ihre Sexualität entdecken, dass es bei vielen aber nur eine Phase des Ausprobierens sei. Also habe ich wieder gedacht, dann wird es wohl bei dir auch so sein, du bist hetero und einfach nur neugierig.

Bis ich das erste Mal so richtig realisiert habe, dass ich bi sein könnte, hat es bestimmt gedauert, bis ich 18/19 war. Reale sexuelle Erfahrungen (außer mit mir selbst) hatte ich bis dahin noch nicht, aber irgendwie habe ich zu diesem Zeitpunkt bereits vermutet, dass es bei mir nicht nur eine Phase sein könnte, die wieder vorbei geht. Was folgte, war der übliche Kampf, der wohl bei vielen irgendwann kommt. Dieses ständige Grübeln. An manchen Tagen war ich mir sicher, bi zu sein, an anderen Tagen plötzlich wieder nicht. Vielleicht wollte ich auch einfach nicht bi sein und habe es verleugnet. Jedenfalls war ich mir erst mit 20 Jahren so sicher, dass ich mir selbst gegenüber eingestehen konnte, dass ich bisexuell bin.

Kurz darauf hatte ich dann auch mein erstes Mal. Ein One Night Stand mit einer hübschen Frau und auch wenn es, wie die meisten ersten Male, alles andere als perfekt war, war es doch ein sehr schönes Erlebnis. Mit 21 habe ich dann zum ersten Mal mit einem Mann geschlafen - auch das weit weg von der Perfektion, aber doch schön und insgesamt ausreichend, um endlich zu erkennen, was und wer ich wirklich bin.

Bis ich dann offen auch nach außen zu meiner Bisexualität stehen konnte, hat es noch einmal einige Jahre gedauert. Die erste Person, bei der ich mich dann außerhalb des Internets geoutet habe, war meine kleine Schwester. Damals war ich 25 und es war in dem Augenblick von mir eigentlich überhaupt nicht geplant gewesen und ich glaube, im ersten Moment hat meine Schwester wohl geglaubt, dass ich sie nur veralbern möchte. Wir hatten uns zuvor längere Zeit nicht mehr gesehen, weil meine Schwester mit ihrem Freund ans andere Ende Deutschlands gezogen war. Den Dialog habe ich heute noch fast wortwörtlich im Kopf.
Sie: "Und, hast du mal wieder was mit einer Kommilitonin gehabt?"
Ich: "Ein Gentleman genießt und schweigt."
Sie: "Oder etwa mit 'nem anderen Mann?"
Ich: "Also wenn du es genau wissen willst, mit beidem."
Sie: "Wie jetzt? Bist du bi?"
Ich: "Ja."
Sie: "Echt jetzt?! Du verarschst mich doch!"
Ich: "Nein, echt."
Damit war das Thema dann auch im Großen und Ganzen für uns beide erledigt. Ich weiß nur noch, dass meine Schwester mich am nächsten Tag noch kackendreist gefragt hat, ob ich beim Analsex lieber aktiv oder passiv bin. :grin:

Nach und nach habe ich mich dann auch in meinem Freundeskreis geoutet, wie zu erwarten war, hatten alle damit aber glücklicherweise überhaupt kein Problem. Ich glaube, dass ich wirklich großes Glück habe und dass all meine Freunde durch und durch tolerant sind.

Meinen Eltern habe ich es bis heute nie direkt gesagt. Sie können es sich aber bestimmt denken, vermute ich. Und da ich weiß, dass meine Eltern nur wollen, dass ich glücklich bin und mir mal gesagt haben, dass sie kein Problem damit hätten, wenn eines ihrer Kinder in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung leben sollte, würde es sie nicht schockieren, wenn ich ihnen irgendwann doch mal von meiner Bisexualität erzählen würde.
Allerdings mache ich auch kein Geheimnis darum. Theoretisch müssten meine Eltern nur auf mein Facebook-Profil schauen und ich glaube, dass die Bi-Flagge, die das Profilbild meines WhattsApp-Accounts ziert, wohl eigentlich auch nicht übersehen werden kann. :smile:

Also, noch ein Grund, weswegen ich das geschrieben habe: Niemand sollte sich jemals dafür schämen, gleichgeschlechtliche romantische und/oder sexuelle Anziehung zu verspüren. Punkt.
Das hast du echt lieb gesagt und dem kann man sich nur anschließen. Wenn ich irgendwann einmal Kinder haben sollte, dann wünsche ich mir einfach nur, dass sie glücklich werden, egal ob nun mit einem Mann oder einer Frau. Ist doch völlig egal. Wobei die Chancen für ein bisexuelles Kind wohl auch gar nicht mal so schlecht stehen, immerhin soll die sexuelle Orientierung ja doch zumindest teilweise erblich bedingt sein. Irgendwie fänd' ich's sogar ziemlich cool, wenn ich eine bisexuelle Tochter oder einen bisexuellen Sohn hätte.
Aber, um das klar zu stellen, ich hätte mein Kind auch immer noch genauso lieb, wenn es eines Tages sagen würde: "Du, Papa, ich muss dir was sagen - ich bin hetero." :grin:


Mir war lange gar nicht klar, dass es all diese biphoben Vorurteile gibt.
Man muss sich leider ziemlich viel Blödsinn als Bisexueller anhören, auch im Netz. Was ich da schon alles an Vorurteilen gelesen habe. "Die können sich gar nicht entscheiden", "die wollen sich ihre Homosexualität nicht eingestehen", "Bisexuelle gibt's gar nicht. Das sind nur sexuell Verwirrte, die noch nicht wissen, in welche Richtung sie tendieren" und so weiter.

Schlimm finde ich, wenn einem unterstellt wird, dass Bisexuelle zwingend polyamourös sind, den Sex mit beiden Geschlechtern gaaanz unbedingt brauchen und deshalb notorische Fremdgeher seien und nicht treu sein könnten. Ich bin schon das eine oder andere Mal auf eine Frau gestoßen, die aus genau diesem Grund unter keinen Umständen eine Beziehung hätte mit mir eingehen können. Leider lässt sich gegen solche Vorurteile oft auch nur schwer angehen, weil solche Leute in ihrer Meinung meist derart festgefahren sind, dass man sie mit Argumenten nie überzeugen kann.

Tja, dann hab ich mich vor ein paar Wochen mit einer Freundin drüber unterhalten, und die hat bestätigt dass es das wirklich oft gibt. Und noch öfter Bisexualität einfach als nichtexistent beschrieben wird.
Dieses Bi-Erasure-Phänomen kenne ich auch. Übrigens nicht nur von der heterosexuellen Seite. Es überrascht mich immer wieder, wie oft auch Homosexuelle der Meinung sind, dass es Bisexualität nicht geben würde. Bi-Phobie ist also nicht nur auf die heterosexuelle Gruppe beschränkt, das gibt es leider auch innerhalb der LGBTQI-Community, obwohl die ja selbst wissen müssten, wie verletzend Diskriminierung ist und wie schwer einen solche Vorurteile treffen könnten.

Ich hab das übrigens auch im Fernsehen beobachtet. Da sind bisexuelle Figuren echt noch eine recht große Seltenheit. Entweder ist man im Fernsehen hetero oder homo, was anderes scheint es anscheinend nicht zu geben. Also, zumindest in der breiten Masse. Ein paar Ausnahmen gibt es zum Glück. Vor allem aus dem deutschsprachigen Raum fällt mir kaum eine Serie ein, die sich damit mal auseinandergesetzt hätte. Obwohl, doch ... "Druck", die Webserie vom ZDF für funk.
 
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