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Familie - Religion - Gegen Freund

Sara54
Benutzer136704  (32) Verbringt hier viel Zeit
  • #1
Hallo
Ich bin mittlerweile fast 30 Jahre alt und habe in all der Zeit immer noch keine Antwort für mich, was ich für Entscheidungen in Zukunft treffen soll. Ich muss nämlich früher oder später entscheiden.
Ich versuche mich kurz zusammen zu fassen:
Meine Familie ist Yezidisch. Vielleicht sagt es dem ein oder anderen was. Eine Religionsgemeinschaft, die das einzige Ziel hat, sich selbst zu erhalten. Sprich: Man darf nur innerhalb der Religion heiraten.
Für mich absolut absurd und unverständlich. Für meine Familie ist ein deutscher Mann absolutes no-go. Nicht weil sie schlechter sind. Nein, aber meine Eltern würden ihr Gesicht verlieren. Sie würden als Eltern "versagen". Es ist eine Art Verrat, aus der Religion auszusteigen und einen Andersgläubigen zu heiraten (wegen all den Genoziden ggü der Yeziden).

Nun ist es so, dass ich den Mann meines Lebens getroffen habe.
Er ist Deutsch. Wie mein Ex.
Vor 3 Jahren war das Drama groß. Meine Eltern haben mich verstoßen, wollten dass ich die Beziehung beende. Als würde für sie eine Welt untergehen. "Wieso bist du so anders? All die anderen Mädchen tun sowas auch nicht. Wir werden es niemals akzeptieren. Er oder wir! Du bist nicht mehr unsere Tochter." bla bla.
Ich habe trotzdem um Akzeptanz und Liebe gekämpft. Mit meinem Ex gemeinsam. Dachte ich zumindest. Er hat mich nämlich verlassen, nachdem mein Vater ihn angerufen hat. Ich hatte Nervenzusammenbrüche und wollte nicht mehr leben. Es war zu viel. Ich konnte mich nicht entscheiden. Ich liebte beide. Meine Eltern und meine freie Selbstbestimmung. " Wir haben es dir doch gesagt. Er ist nicht der richtige. " Na super.
Ich bin weggezogen und habe den Kontakt vorerst blockiert. Meine Mutter wollte mich trotzdem nicht verlieren.
Wir haben wieder guten Kontakt und verstehen uns wieder super.
Meine Mutter scheint heute begriffen zu haben, dass das was wirklich zählt, ihre Tochter ist. Keine Gesellschaft, keine Erwartungen von außerhalb oder die "Ehre".

Heute habe ich wieder eine Beziehung. Wie gesagt, diesmal wieder ein deutscher Mann, mit dem ich mir alles wünsche und vorstellen kann.
Aber diesmal traue ich mich nicht, von meiner Beziehung zu erzählen. Ich habe einfach Angst. Angst vor den enttäuschten Augen und den Tränen meines Vaters. Dabei sind sie nicht einmal religiös. Mein Vater ist Atheist. Es geht ihnen nur darum, das Gesicht zu wahren. Denke ich zumindest. Ich kann es nämlich nicht nachvollziehen. Ich weiß nur, dass es nicht richtig ist von mir zu erwarten, einen vorgegebenen Weg zu gehen. Mich bei meiner Partnerwahl einzuschränken. Ich weiß aber auch, dass ich nicht möchte, dass meine Eltern enttäuscht und traurig sind.

Mittlerweile verloben und heiraten alle Mädchen aus meiner Familie, ganz treu mit einem Mann aus der selben Religion. Wieso machen die das alles mit und beugen sich den Erwartungen? Ich verstehe es nicht. Vielleicht weil nicht jede es verkraftet, von der Familie verstoßen zu werden. "Nur" für eine Beziehung.
Wenn ich an meine Zukunft denke, werde ich traurig. Meine Eltern wären nicht da, wenn ich heirate. Sie wären nicht da, um ihre Enkelkinder zu sehen. Und sie wären nicht da, um mich, ihre eigene Tochter zu sehen. Deswegen möchte ich nie heiraten, Kinder kriegen. Kein schönes Thema in meiner Beziehung, da er es sich sehr wohl mit mir wünscht. Ich kann aber nicht und warte nur darauf, dass er endlich klug genug ist, mich zu verlassen. Er ist ein wundervoller Mensch, der so ein Dilemma nicht verdient hat.

Ich weiß, dass Worte kommen werden wie "Deine Eltern sind für ihr Leid selber verantwortlich. Es ist nicht deine Aufgabe sie glücklich zu machen."
Aber es ist meine Aufgabe, mich glücklich zu machen. Es scheint unvorstellbar. Weder bin ich glücklich, wenn ich meine Beziehung geheim halte, noch wenn ich verstoßen werde oder einfach forever Single bin...

Heute sagt meine Mutter, es sei okay, wenn ich einen Nicht-Yeziden heiraten sollte. Sie möchte zwar das ich glücklich werde, aber ich werde sie nicht vor den schadenfreudigen Sprüchen und Rechtfertigungen ggü der Religionsgemeinschaft schützen können. Sie scheint noch sehr mit sich zu kämpfen und im Zwiespalt zu sein, wenn ich mit ihr vorsichtig über das Thema rede. Ich kann ihren Worten nicht mehr trauen, nach allem was passiert ist.
Als sie damals noch so "böse" war, viel es mir leichter ihr die Stirn zu bieten. Heute tut es mir umso mehr leid, mit dem was ich ihr antun würde. Ich weiß nicht ob mich jemand verstehen kann.

Mein Freund musste in 1 Jahr schon so oft erleben, wie ich aus Angstgründen unsere Beziehung zerstören wollte. Ich habe sein Verständnis, aber ich möchte ihm nicht zu viel abverlangen. Ich fühle mich einfach schlecht dabei, Menschen unglücklich zu machen.

Ich weiß nicht was ich tun soll. Ich neige dazu, die Beziehung zu beenden oder hoffe darauf von einem Lkw überfahren zu werden, anstatt mir so einen Leidensweg anzutun.
 
B
Benutzer174589  (36) Sehr bekannt hier
  • #2
Ich fühle mich einfach schlecht dabei, Menschen unglücklich zu machen.

Was macht dich denn glücklich? Was bist du dir wert dabei? Ich lese sehr viel von deiner Familie, deinen Freund, wenig von dir.

Er möchte heiraten und Kinder, was möchtest du, in einer perfekten Welt?
Wie wäre es da?

Vielleicht kann dir hier eine Therapie helfen, deinen ganz eigenen Weg zu finden. Dein Selbstbewusstsein stärken, herauszufinden wer du bist und was du dir vom Leben wünscht.
Und sie kann dich darin bestärken, diesen von dir gewählten Weg auch zu gehen.

Wieso machen die das alles mit und beugen sich den Erwartungen?

Damit es dir jemand abnimmt? Damit der Weg, den du gehen möchtest schon geebnet ist?

Sei nicht unfair mit anderen. Jede*r darf sich entscheiden wie er*sie möchte. Ob es diese Menschen glücklich oder unglücklich macht, ist nicht deine Sache, sondern deren. Deine Sache ist es, wenn Frust daraus erwächst. Du solltest für dich hinterfragen, warum es dich so ärgert und nicht warum andere irgendwas, irgendwie machen.
 
nightdreamer
Benutzer121902  (49) Verbringt hier viel Zeit
  • #3
Hallo Sara,

Zuerst einmal Glückwunsch für Deine Kraft und Deinen Willen, Deinen Weg selbst zu gestalten und nicht in einem Käfig zu bleiben, den andere für Dich hergestellt haben. Ich hoffe für Dich, daß Du diese Kraft auch weiterhin behältst, und daß Deine Liebe nicht daran kaputtgeht. Sieh diese Liebe, die Du gerade hast, als das Schiff an, mit dem Du Dich in Deinem Sturm bewegen kannst, und versuche, sie zu erhalten.
ich kann mir gut vorstellen, wie schwer es is, aus einem solchen Rahmen aus religiösen Regeln und sozialen Erwartungen herauszugehen. Menschen sind soziale Wesen, man kann nicht erwarten, daß sie sich einfach so mit einem Schulterzucken von allem lösen, was sie von Kindheit an geprägt hat, das ist unendlich schwer. Versuch Dir aber klarzumachen, was Dich daran glücklich macht, eben Abstand von diesen Normen zu gewinnen, wenn es Dir hilft, dann schreib es auf, für Dich, für Deinen Freund, auch für Deine Eltern, oder erst einmal nur für Deine Mutter.

Du schreibst, daß Dein Freund sich Kinder wünscht. Stell Dir doch mal vor, falls es für diesen Wunsch in Dir auch Raum gibt, was Du vielleicht Deinen Töchtern Gutes tun könntest, wenn Du ihnen einen Weg eröffnest, der so viel leichter wäre als Dein eigener, Stell Dir vor, Du könntest Ihnen all das geben, was Du Dir jetzt von Deinen eigenen Eltern wünschst. Wäre das lohnenswert?

wie schon gesagt, es ist gerade sauschwer für Dich, und vielleicht siehst Du gerade nur Mauern um Dich herum. Du bist gerade eine Pionierin, jemand, der das erste Mal einen Weg aus dem eigenen Tal heraussucht. Aber Du bist den Weg schon einmal gegangen, und andere werden Dir folgen. Hast Du Dir mal Literatur gesucht, von jungen Frauen, die Ähnliches erlebt haben, manchmal hilft es ja, wenn man sieht, andere haben das auch schon durch und haben „überlebt“, manchmal entdeckt man dadurch mehr Möglichkeiten für sich selbst.

Viel Glück, Mut und Kraft wünsche ich Dir
 
aglaia
Benutzer174836  Verbringt hier viel Zeit
  • #4
Ich weiß nicht was ich tun soll. Ich neige dazu, die Beziehung zu beenden oder hoffe darauf von einem Lkw überfahren zu werden, anstatt mir so einen Leidensweg anzutun.
Erstmal, auf keinen Fall solltest du das tun.

Erstens solltest du dir Hilfe holen. So schnell du kannst. Professionelle Hilfe - und Zuspruch von Freunden, Bekannten, deinem Freund. All jenen, die dich auf deinem Weg in die Unabhängigkeit von deinen Eltern bestärken können.

Zweitens, wird es wichtig sein dass du dich konsequent abnabelst. Du musst dich trauen diesen Schritt zu gehen. Du kannst nicht deine Liebe und dein Glück auf dem Scheiterhaufen deiner Eltern opfern. Dich zur gehorsamen Gebärmaschine für die Religion deiner Eltern zu machen, wird dich tatsächlich und total zugrunde richten.

Drittens, hat auch Dein Freund dein völliges Commitment verdient. So wie er zu dir steht, musst auch du zu ihm stehen - ohne Hineinsteigern in Suizidfantasien, ohne "aber ich kann keine Kinder bekommen weil meine Eltern...!". Ich habe großes Mitleid mit dir, aber du musst aus der Opferrolle raus und zwar zackig.

ich werde sie nicht vor den schadenfreudigen Sprüchen und Rechtfertigungen ggü der Religionsgemeinschaft schützen können.
Das ist auch nicht deine Aufgabe. Du bist dein eigener Mensch, und sie ist kein Kleinkind. Schützen muss sie sich selber und schadenfreudige Sprüche haben noch niemanden ins Grab gebracht.
Mein Freund musste in 1 Jahr schon so oft erleben, wie ich aus Angstgründen unsere Beziehung zerstören wollte.
Nun dann wird es höchste Zeit dass du mit diesen Zerstörungsversuchen aufhörst und dich endlich vollkommen zu der Beziehung bekennst.
 
Goldbär
Benutzer180126  Verbringt hier viel Zeit
  • #5
Nur mal so als Gedankenspiel: So wie ich es verstanden habe, geht es nicht um die Staatsbürgerschaft, sondern um die Religionszugehörigkeit. Es gibt mit Sicherheit auch einige eurer Religion, welche deutsche Staatsbürger sind und akzeptiert werden. Würde er akzeptiert werden, wenn er vor der offiziellen Beziehung offiziell zu eurem Glauben übertritt?
 
A
Benutzer172677  Planet-Liebe Berühmtheit
  • #6
Würde er akzeptiert werden, wenn er vor der offiziellen Beziehung offiziell zu eurem Glauben übertritt?

Das gibt es bei Yesiden nicht, das kann man nur qua Geburt als Kind zweier Yesiden sein.
 
C
Benutzer183558  Öfter im Forum
  • #7
Ich weiß auch keine Lösung. Aber ich möchte dir einfach sagen, dass mich deine Geschichte sehr berührt und ich dir für die Zukunft viel Kraft und Geschick wünsche. Könnte ich zaubern, würde ich deinen Eltern auch die Kraft anzaubern, mit Stolz und Freude zu dir und deiner zukünftigen eigenen Familie zu stehen, wie auch immer du dich entscheiden solltest. Auch wenn das jetzt sehr pathetisch klingt.
 
G
Benutzer Gast
  • #8
Höchstwahrscheinlich ist meine Meinung absolut nicht die richtige Antwort, aber für mich gilt: Wie kann man heutzutage nur immer noch so bigott sein und seine Religion über alles andere und alle Anderen stellen?
Sind nicht die meisten Kriege dieser Welt aus religiösen Gründen geführt worden? Die Kreuzzüge, der Dreißigjährige Krieg, die Nahost-Kriege?
Und dann halten sich bestimmte Menschen immer noch besser als andere, und wundern sich, dass ihre Minderheit nicht oder nur sehr schwer toleriert/anerkannt wird!!!
Ich wünsche dir: Folge deinem Herzen, denn seine Freunde kann man sich aussuchen, seine Familie nicht.
 
Goldbär
Benutzer180126  Verbringt hier viel Zeit
  • #9
Ich habe mich jetzt mal etwas zu dem Thema eingelesen, das ist ja noch komplizierter, als es bei mir damals war. In einem Artikel wurde berichtet, dass es inzwischen in den Gemeinschaften außerhalb der Heimat auch Diskussionen über eine Liberalisierung der Heiratsvorschriften gibt. Nähere Details kenne ich natürlich nicht und weiß auch nicht, ob sich daraus Möglichkeiten ergeben könnten, wie z.B. durch die Unterstützung durch einen liberalen Priester, falls es solche gibt.

Off-Topic:
Als Student hatte ich mich vor dreißig Jahren in eine Türkin verliebt, die in einer Kantine arbeitete, ihre Mutter leider auch. Haben vieles versucht, hatte schnell Türkisch gelernt, von anderen Türken Unterstützung erhalten, hatte alles nichts genützt.
Deshalb wünsche ich dir von ganzem Herzen alles Beste und pass auf dich auf!
 
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