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Wie soll ich mit der Erkenntnis umgehen?

F
Benutzer180844  (36) Sorgt für Gesprächsstoff
  • #1
Hallo Community,


in den letzten Tagen habe ich hier still mitgelesen. Das hat mir sehr geholfen, ein paar klarere Gedanken zu fassen.


Nun habe ich heute zu meiner Beziehung eine sehr große Erkenntnis gewonnen, die mir den Boden unter den Füßen gerade wegzieht. Ich möchte daher um eure Gedanken bitten. Das fände ich sehr schön.


Ich, 33, weiblich, seit 2 Jahren in einer Beziehung. Er ist 29, hat jetzt eine Ausbildung im sozialen Bereich angefangen. Er war vorher in einer Produktionsfirma, wollte sich aber entwickeln und neue Perspektiven entwickeln. Ich habe ihn dabei geholfen. Ich muss dazu sagen, ich habe einen Master Abschluss im sozialen Bereich, arbeite in einer Leitungsfunktion in einem ziemlich stressigen Job und bin eigentlich gut reflektiert. Ich bin natürlich vor nichts gefeilt, aber ich versuche meine Probleme anzugehen und mir ist es sehr wichtig über alles zu reden, denn nur dann können Lösungen gefunden werden.


Zur eigentlichen Sache: Wir hatten bis jetzt eine schöne Beziehung. Es passt und wir haben uns gut entwickelt. Er hat eine sehr schlimme Beziehung zu seiner Mutter, da viele Dinge früher passiert sind. Seine Schwester ist seine Bezugsperson und ich verstehe mich mit ihr sehr gut. Seit dem Beginn seiner Ausbildung vor 5 Wochen, hat sich unsere Beziehung sehr verändert. Er hat sich sehr zurück gezogen, er hat kaum mehr was erzählt, hat sich ständig abgelenkt. Er ist gut in der Klasse angekommen, ihm gefällt das sehr, aber es ist nun mal in unseren sozialen Berufen so: Reflexion ist das A&O. Damit kommt er nicht klar. Plötzlich muss er sich mit sich selbst auseinandersetzen. Das hat ihn - im Nachhinein betrachtet - völlig aus der Bahn geworfen.


In den letzten Wochen hat sich bei mir beruflich auch viel verändert, ich habe es aber kaum wahrgenommen und einfach wie immer weiter gemacht und 150% gegeben. Ich leide mittlerweile aber unter dem Stress, was sich bei mir auch körperlich auswirkt. Ich war mir aber lange dem nicht bewusst. Letztes Wochenende hab ich sozusagen den Stresshöhepunkt erreicht und mich rausgenommen und suche mir jetzt Hilfe, weil ich daran nicht kaputt gehen möchte.


Da ich es aber lange nicht gemerkt habe, dass es mir auf Arbeit schlecht geht, ich aber sehr wohl gemerkt habe, dass meine Beziehung nicht mein Anker ist und schlecht läuft, habe ich ihn ständig auf die Veränderung die er durchläuft angesprochen. Ich habe mich wahnsinnig verlassen gefühlt. Das war im Rückblick betrachtet nicht richtig, aber ich habe nicht merken können, dass er Zeit braucht um ein paar Dinge zu verarbeiten und sich in die neue Situation einzufinden.

Es hat sich sehr hochgeschaukelt.


Momentan ist er gerade das Wochenende mit der Familie weg, worüber ich froh bin, denn wir konnten nicht miteinander reden, da er vor allem in den letzten Tagen heftig abgeblockt hat und irgendwie das beiseite geschoben hat und immer wieder „Normalität“ zwischen uns haben wollte und ich das nicht aushalten kann.


Ich habe mich ganz gut zu Recht gerückt. Meiner guten Selbstreflexion zu verdanken. Ich habe mit Freunden gesprochen, viel gelesen, auch mich hier kundig gemacht, überlegt und das Problem der Arbeit und die Verlagerung auf meine Beziehung mir bewusst gemacht. Ich weiß wir sind gerade beide in einer schwierigen Phase, aber ich denke, wenn ich mir Zeit zu gestehe, ein paar Veränderungen starte und ich ihm Zeit gebe und wir uns wieder annähern, dann schaffen wir es vielleicht.



Ich habe mich heute mit einem guten Kumpel getroffen, ich habe nicht über das was gerade los ist, gesprochen. Er sagte nur, er war so erschrocken, wie mein Freund vor 2 Wochen ankam. Betrunken, hysterisch, hat nicht aufgehört zu reden, etc.


Ich habe darüber nachgedacht und plötzlich ist mir aufgefallen, wieviel er in letzter Zeit trinkt. Vor 2 Tagen war er hier, da war er noch vom Vorabend alkoholisiert. Plötzlich fallen mir immer mehr Momente in den letzten Wochen ein, die ich mir vorher gar nicht bewusst war. Ich war so mit mir beschäftigt und ich habe es nicht gesehen. Ich hab versucht mich und die Beziehung auf den Laufenden zu halten, sodass ich davon nichts mitbekommen habe. Plötzlich fällt es mir wie Schuppen von den Augen.


Er trinkt, weil er es wahrscheinlich nicht aushält sich mit sich auseinanderzusetzen. Er hat immer viel über seine Mutter geredet, die Alkoholikerin ist. Es gibt Dinge, die er nie verarbeitet hat und durch die Ausbildung jetzt und dem mit sich auseinandersetzen und auch dem neuen Lebensabschnitt und wohl auch Versagensängste, hat er in letzter Zeit immer mehr getrunken. Er ist vielleicht total überfordert.


- Und ich hab es nicht gesehen, aber jetzt sind so viele Aussagen da, die ich als Hilferuf irgendwie erkenne (oder interpretiere). -


Ich muss dazu sagen, Alkohol war vorher kein Problem. Er trinkt auch monatelang nicht, nur wenn wir mal weg sind vielleicht ein Bier.


Ich bin völlig überfordert. Ich weiß, ich möchte nicht in die Co-Abhängigkeit. Als Fachfrau weiß ich auch, dass ich seine Probleme und seine Betäubung durch den Alkohol nicht auffangen kann, weil ich emotional darin involviert bin.


Ich hab solche Angst, ihn darauf anzusprechen. Ich weiß, wenn er sagt, dass er das nicht sieht und wie in letzter Zeit genervt reagiert, dann möchte ich das nicht fortführen. Ich bin so durcheinander.


Ich bin mir auch nicht sicher, wie und wann ich ihn darauf anspreche. Ich weiß er liebt mich und ich bin sein sicherer Anker, aber ich konnte zuletzt seine Nähe nicht aushalten und mit dem Wissen jetzt, noch weniger. Er sehnt sich aber einfach auch mal nur nach „uns“, ohne das ich rede, alles anspreche und wir einfach nur mal still zusammenliegen und kuscheln. Das ist ihn zur Zeit sehr wichtig.


Ich hätte nie gedacht, dass ich da reingerate. Ich weiß, es geht ihm schlecht, aber ich weiß auch, was ich leisten kann und was nicht.


Ich habe gar keine konkrete Frage... außer wann ich ihn darauf ansprechen soll. Braucht es noch Zeit?


Ihr könnt mir gerne eure Gedanken mitteilen. Ich werde sie lesen und darüber nachdenken.


Ich danke euch im Vorraus.

Liebe Grüße.
 
Mark11
Benutzer106548  Team-Alumni
  • #2
Ihr könnt mir gerne eure Gedanken mitteilen.
Der erste Gedanke, der mir beim Lesen gekommen ist, ist eher ein Gefühl und das ist nicht wirklich nett: Du machst auf mich einen sehr anstrengenden Eindruck. Natürlich sollte man sich reflektieren, natürlich sollte man über sich nachdenken.
Aber nur ab und zu mal. Selten. Du machst es anscheinend ständig und ziehst Deinen Freund da mit rein. Anstatt einfach mal locker zu lassen, Luft zu holen. Ich habe hier noch nie einen Beitrag gelesen, in dem so häufig die Wörter "Selbstreflektion" und "Entwicklung" vorkamen :zwinker:
Ich halte Dich für eine Person, die immer jede Kleinigkeit bis zum Ende ausdenken und ausdiskutieren muss, die nur sehr schwer einfach mal abwarten kann, einfach mal das Leben laufen lassen.

So, das mein erster Eindruck. Mit dem ich auch völlig daneben liegen kann.

Was mir noch aufgefallen ist: Du bist die, die "die Hosen anhat", oder? Dazu "besserer" Job, höheres Einkommen, evtl. höhere Ausbildung. Kommt er klar damit? Also, wirklich klar? Kommst Du damit klar? Wie wäre Eure Beziehung, wenn er weiter in der alten Firma gearbeitet hätte?
Wann kam sein Wunsch, sich weiter zu entwickeln? Bevor oder nachdem Ihr Euch kennen gelernt habt? Und wieso ausgerechnet in dem Bereich, in dem Du arbeitest?
War er wirklich alleine die treibende Kraft daran oder hast Du ihn da hin geschubst?

Nach gerade mal 5 Wochen würde ich mir übrigens noch keine Gedanken machen. Das ist das, was ich mit "einfach mal das Leben laufen lassen" meinte. Nicht direkt problematisieren, nicht direkt jeden Pups ausdiskutieren wollen. Schon gar nicht, wenn er so offensichtlich blockt. Dann lasse ihn doch einfach mal in Ruhe damit.


Er trinkt, weil er es wahrscheinlich nicht aushält sich mit sich auseinanderzusetzen. Er hat immer viel über seine Mutter geredet, die Alkoholikerin ist. Es gibt Dinge, die er nie verarbeitet hat und durch die Ausbildung jetzt und dem mit sich auseinandersetzen und auch dem neuen Lebensabschnitt und wohl auch Versagensängste, hat er in letzter Zeit immer mehr getrunken. Er ist vielleicht total überfordert.
Und höre besser mal auf, ihn mit billiger Küchenpsychologie analysieren zu wollen. Du bist seine Freundin, nicht seine Therapeutin.

Vielleicht trinkt er ja auch mehr, weil es ihm Spaß macht. Weil es ihm gut geht. Oder weil er erstmal wieder damit klar kommen muss, zu lernen. Oder oder oder... Es gibt so viele Möglichkeiten. Plus die, dass die Phase morgen schon vorbei sein kann und es überhaupt keinen Grund gab, irgendetwas zu problematisieren.


Ich hab solche Angst, ihn darauf anzusprechen. Ich weiß, wenn er sagt, dass er das nicht sieht und wie in letzter Zeit genervt reagiert, dann möchte ich das nicht fortführen. Ich bin so durcheinander.
Das schockt mich ein wenig. Du sprichst die ganze Zeit von Selbstreflektionen, Du selber diskutierst Alles wohl bis ins Kleinste aus und jetzt willst Du nicht mit ihm reden und denkst daran, lieber ohne einen einzigen Problemlösungsversuch und ohne ein einziges Gespräch die Beziehung einfach zu beenden?
Du machst aus ein paar Getränken völlig überdramatisierend gleich eine Alkoholsucht und sprichst davon, dass Du ja nicht in Co-Abhängigkeit rutschen willst. Ist das Deine Definition von Partnerschaft? Von "in guten und in schlechten Zeiten"? Ihn einfach wegen ein paar Bieren in die Wüste zu schicken anstatt einfach mal zu schauen, was denn los ist (wenn überhaupt etwas los ist).
Finde ich ein sehr seltsames und auch sehr ich-bezogenes Verhalten.
 
M
Benutzer180826  (30) Sorgt für Gesprächsstoff
  • #3
Ich denke, du solltest ihn einfach mal lassen. Zieh dich zurück, wenn er sih zurückzieht, aber sei für ihn da, wenn er dich braucht.
Lass ihn seinen Freiraum, den braucht er jetzt. Männer wollen Probleme oft mit sich selbst lösen, und nicht alles bis ins kleinste Detail ausdiskutieren! Wenn er wieder ankommt und deine Hilfe oder Nähe sucht, egal in welcher Form, ob es nur eine Umarmung, gemeinsame Zeit oder Reden ist, sei für ihn da! Zeig ihm, dass du hinter ihm stehst, und er sich auf dich verlassen kann, wenn er hilfe braucht, aber du ihm auch seinen Freiraum lässt, wenn er den braucht.
 
Fantasy.
Benutzer172046  Beiträge füllen Bücher
  • #4
Wie kann jemand so viel Wert auf Selbstreflexion legen dass er über nichts anderes redet? Hälst du das für gesund?
Mal davon ab verstehe ich den Zusammenhang zwischen Selbstreflexion und deinem Freund nicht und wie das mit seinem Job und dem Alkohol und eurer Beziehung zusammenhängt...

Ich sehe nur, dass du dringend mal darüber reflektieren solltest, ob es so gesund sein kann, wenn du nicht einfach mal nur bei deinem Freund sein kannst ohne über irgendetwas zu reden und nachzudenken.
 
Goldbär
Benutzer180126  Verbringt hier viel Zeit
  • #5
Hallo,
ein paar Anmerkungen von mir dazu, ohne ins Detail zu gehen.
Du bist als Profi im sozialen Bereich tätig, und hast richtig erkannt, dass dazu auch die Erkenntnis gehört, sich deshalb nicht selber professionell helfen zu können. Wenn du meinst, eine solche Hilfe zu benötigen, nutze sie von anderen Fachleuten. Wie du dazu gelangst, weißt du bestimmt.
Das Ansprechen ist immer ein Problem. Wenn es ihm schlecht geht, er die Probleme hat, die du schilderst, ist es einerseits verständlich, das er Ruhe genießen möchte, andererseits die Ansprache vermeiden möchte. Spreche ihn darauf an, wenn du es für richtig hälst, in einer passenden Situation, mache ihm keine Vorwürfe, teile ihm deine Sorgen mit, nicht zu übertrieben, frage ihn nach seiner Einschätzung, Gefühlen etc., gehe darauf verständnisvoll ein, aber teile auch deine Gefühle und Ansichten mit, wenn du anderer Meinung bist.
Hoffe dir erstmal etwas geholfen zu haben, frage gerne nach.
 
A
Benutzer172677  Planet-Liebe Berühmtheit
  • #6
Was mir ganz spontan durch den Kopf ging war: „Puh, zieh mal die Zügel an!“

Du redest hier von einem Zeitraum weniger Wochen und es liest sich, als hätte sich da jetzt mindestens monatelang ein wahnsinniges Drama zugespitzt.
Und da wird geredet und reflektiert und optimiert und geschraubt- und das alles, ohne ihm, Dir und den „Maßnahmen“ überhaupt mal ein wenig Zeit zu geben.
Zeit zum Orientieren, zum Ankommen, zum Eingewöhnen, vielleicht auch eine Zeit um ein wenig zu eskalieren und sich wiederzufinden.

Es kann und muss nicht immer alles sofort gelöst werden.
Vieles ist kein Punkt, sondern ein Prozess, dem man Zeit und Raum geben muss.

Um es mit den bekannten, so wahren Worten zu sagen: das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.
 
LAX
Benutzer171020  Verbringt hier viel Zeit
  • #7
Und ich wiederum würde es mit mehr Zuneigung (festes Umarmen, kuscheln und eben zeigen wie er dir nicht egal ist) versuchen, aber ganz wichtig ohne Worte. Männer öffnen sich von alleine (wenn sie es denn möchten!).
[doublepost=1601710927,1601710196][/doublepost]
Off-Topic:
Ich bin der Meinung viele Fachleute haben auch viele verschiedene Meinungen. Die Lösung deines eigenen Problems oder auch seines (?) würde ich daher nicht da versuchen zu finden. Anhören schon aber dann musst du individuell selbst entscheiden und nicht nach Vorgabe.
 
Theoderich
Benutzer107327  (39) Planet-Liebe Berühmtheit
  • #8
Nicht böse gemeint aber: Genau wie Mark stelle ich mir Gespräche mit dir für ihn echt anstrengend vor. So viel Reflexion / alles-bis-ins-kleinste-Analysieren ist für ihn evtl. nicht besonders entspannt?

Vielleicht kannst du dich da etwas kürzer / klarer fassen oder ihn halt auch mal lassen, wenn er kein tiefgreifendes Gespräch möchte. Ebenso würde mir nicht gefallen, wie du in einem Absatz ihm eine Minianalyse incl. Mutter-Sohn Problem und daraus resultierender Alkoholsucht attestierst. Das klingt doch sehr danach, dass hier zwischen Beruf und Privatem eben trotz aller Reflexion und allen Büchern NICHT klar abgegrenzt wird!
Kann ich verstehen, dass er sich nach "normaler" harmonischer Beziehung sehnt, ohne dass er mit dir ständig Diskussion, Analysen und ganz tolle Selbstreflexion wälzen soll..

Wenn es offensichtlich ein Problem gibt, sprich es eben an - es wird ja nicht vom Ignorieren besser. Aber eben ohne ihn wie eine Therapeutin oder sein Sozialdienst zu behandeln, das würde mich an seiner Stelle auch sehr stören. Dafür, dass du ihm wohl ständig in den Ohren gelegen bist mit der Forderung nach mehr Rückhalt und mehr Stütze für dich in einer stressigen Phase (in der er ja anscheinend gar nicht die Kapazitäten hatte, dich noch mehr zu stützen) überrascht es mich schon, dass es dir offenbar nicht möglich war, etwas anzusprechen, das du jetzt ziemlich offensichtlich findest.
 
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