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Von den Übelkeiten der Walwerdung

Loomis
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  • #1
Die meisten Schwangerschaften beginnen mit einem positiven Test, einem breiten Lächeln, vielleicht mit Freudentränen. Andere beginnen mit Angst oder Verzweiflung. Meine beginnt irgendwo dazwischen und das klingt viel, viel dramatischer als es vermutlich eigentlich ist. Da ich mit dem Tagebuch ein wenig spät einsteige, hole ich sozusagen frühere Einträge nach und hoffe, ich erwische die wichtigen Dinge, die mir zu der Zeit durch den Kopf gingen. Meine größte Hoffnung ist, dass sich die anfänglichen negativen Gedanken und Erfahrungen mit der Zeit relativieren. Dass ich mich beobachten kann, wie ich mich darauf einlasse und freue. Aber noch ist es nicht so weit.

Seit gut einem Jahr verhüten mein Mann und ich nicht mehr mit dem Hintergrund "Wenn wir Nachwuchs bekommen sollten, dann freuen wir uns. Sollten wir keinen bekommen, dann fallen uns viele andere wundervolle Dinge mit unserem gemeinsamen Leben ein."

Obwohl wir die Sache dermaßen entspannt angingen, wurde ich plötzlich vor jeder Periode unfassbar unruhig und stand gedanklich exakt am Scheideweg zwischen "Bitte blute!" und "Bitte blute nicht!". Jedes Mal war ich erleichtert, aber zu gleichen Teilen traurig, wenn die ersten Tropfen fielen.

6. Juli 2018 - Zwei Streifen
Die Periode ist spät. Seit zwei Tagen drücke ich mich um einen Test. So viele habe ich schon viel zu hektisch viel zu früh gemacht, also wollte ich mich zurückhalten. Und das Ergebnis irgendwie auch nicht wissen, wenn ich ehrlich bin.
Es ist Freitag, wir haben zwei Wochen frei und wollen heute zum Besuch seiner Mutter starten. Wir haben ein paar Tage Paris zusammen mit ihr geplant.
Unruhig trete ich von einem Bein auf das andere, bis ich es mir nicht mehr verkneifen kann und schließlich fange ich meinen Morgenurin in einem Glas auf. Leise reiße ich die Packung vom Test auf; mein Mann schläft noch und ich will ihn nicht wecken, weil ich weiß, er wird sich meine Reaktion merken und ich bin noch nicht sicher, wie sie ausfallen wird.

Zwei Streifen. Völlig unzweifelhaft und klar tauchen sie in dem kleinen Fensterchen auf und bestätigen meinen Verdacht. Ich weiß nicht, was ich fühle, ich spüre nur mein Herz hämmern und das Blut in meinen Ohren rauschen.

Ich gehe zurück zu meinem Mann ins Bett und wecke ihn vorsichtig. "Positiv", krächze ich. Er lächelt schlaftrunken und nimmt mich fest in den Arm.

Auf der Arbeit lasse ich mir nichts anmerken. Lediglich einer Freundin habe ich es erzählt.
Am Abend erreichen wir nach langer Fahrt das Haus meiner Schwiegermutter. Obwohl wir ursprünglich den ersten Termin beim Gynäkologen abwarten wollten, bevor wir es der Familie erzählen, entscheiden wir uns kurzerhand dagegen. Wir sehen aufgrund der großen Entfernung beide Familienteile vielleicht zweimal im Jahr, also wollen wir doch die Gelegenheit nutzen, es zumindest meiner Schwiegermutter persönlich zu sagen.

Inzwischen ist es schon ziemlich spät, aber wenn wir es meiner Schwiegermutter erzählen, soll es auch mein Teil der Familie jetzt noch erfahren und so telefonieren wir rasch die engsten Familienmitglieder ab. Es herrscht allgemeine Begeisterung und Ausgelassenheit. Umso mehr, weil niemand aus der Familie wusste, dass wir nicht verhüten und absolut niemand damit gerechnet hatte, eine solche Nachricht zu hören.

6. Woche - Der erste Termin
Zweifelsfrei. Was mein Gynäkologe auf dem schwarz-weißen Bild benennt, erkenne sogar ich. Dottersack, Embryo. Winzig klein, aber deutlich. Er spielt mir die Herztöne ab. Ich sage "Oh, so früh schon?" Mehr nicht. Mein Mann hält mir die Hand bei der Blutabnahme. Wir lassen uns das Bild ausdrucken und schicken ein Foto davon an die engen Familienmitglieder mit Smartphone.

Der Urlaub war schön, aber anstrengend. Ich komme schnell aus der Puste und habe wenig Appetit. Mein Unterleib ziept hin und wieder schmerzhaft, aber ertragbar. Was unbequem beginnt, setzt sich in relativ kurzer Zeit heftig gesteigert fort.

7. Woche - Gib mir Gesundes!!
"Wie praktisch", denke ich, als ich an meiner rohen Paprika kaue. Momentan habe ich jede Menge Lust auf frisches Obst und Gemüse. Ich freue mich über die gesunden Gelüste und blättere während des Frühstücks, das ich für mich wieder eingeführt habe, in den zahllosen Pamphleten, die mir mein Gynäkologe mitgegeben hat. Die meisten verärgern mich, denn ich finde mich in dem Tonfall der Texte nicht wieder. Liebevolle Artikel über "Ihr Baby, das jetzt schon 1,5 Gramm wiegt" und dogmatische Listen über Lebensmittel, die ich jetzt UN-BE-DINGT meiden muss.

So hart es klingt, aber meine Wahrheit ist folgende: Für mich ist das noch kein Baby. Ich beneide andere Schwangere glühend um das erwartungsvolle Bauchstreicheln, um die liebevollen Gedanken und Planungen. Für mich ist das, kalt gesprochen, ein Zellhaufen. Er WIRD mal ein Baby. Aber noch ist er es für mich nicht. Ich fühle keinerlei Verbundenheit, keine Freude. Und die meisten dieser Ernährungsvorgaben finde ich ziemlich lächerlich, sodass ich mich auf ein Buch zurückbesinne, das ich vor vielen Monaten dazu gelesen hatte ("Expecting Better").

Nicht zum ersten Mal frage ich mich, ob das alles eine gute Idee war. Umzugspläne, Gedanken zum Arbeitsplatzwechsel - alles auf Eis. Ich wollte doch dieses Jahr noch die nächste Kendo-Prüfung machen, aber zum Ende des Jahres werde ich wohl schon ziemlich rund sein, sodass ich gar nicht weiß, ob ich das schaffe. Wir sind uns einig, dass wir noch keine Baby-Utensilien kaufen oder eine Namen aussuchen, bevor das zweite Trimester beginnt. So wie ich einer Streunerkatze noch keinen Namen geben würde, bevor ich weiß, dass ich sie behalten kann, schaffe ich es einfach nicht, mich auf die Schwangerschaft zu verlassen.

Ich habe keine Angst vor einer Fehlgeburt; ich weiß, dass die meisten einfach "Pech" sind und dass es viele Frauen erwischt. Ich kenne die Wahrscheinlichkeiten. Das Thema darf ich zumindest bei meiner Familie allerdings nicht ansprechen (ausgenommen mein Mann). Meine Mutter tadelt mich, ich würde mich doch nur verrückt machen und ich merke, dass man von mir eigentlich nur typisches Schwangerschafts-Glück hören möchte. Also halte ich den Mund und sage nichts mehr.

Meine Libido ist so gut wie verschwunden.

8. - 9. Woche - Mach, dass es aufhört!
Sodbrennen, Magenschmerzen, Blähungen. Mein Körper führt ein Regiment wie der Irre König aus dem Lied von Eis und Feuer. Willkürlich und grausam. Meine Brüste schmerzen so heftig, dass es sich anfühlt, als würden kiloschwere Gewichte im nächsten Moment von meinem Körper abreißen. Nachts kann ich vor Schmerzen kaum schlafen. Wenn es nicht meine Brüste sind, weckt mich der stechende Schmerz im Magenbereich oder mein Mann, der sich umdreht, sodass mir von der kleinen Erschütterung unfassbar übel wird.

Was zuvor Gelüste auf bestimmte Gerichte waren, ist nun dogmatische Weisung nach dem Motto "Wenn ich etwas anderes essen muss als [XY], dann kotze ich auf der Stelle." Das ertragbare Lebensmittel ist jeden Tag ein anderes, manchmal will ich überhaupt nichts essen, aber ich weiß, dass ein leerer Magen die Schmerzen noch verstärkt.

Meinem Vorgesetzten habe ich von meiner Schwangerschaft erzählt. Er ist ein aufmerksamer und feinfühliger Mann, sodass er es ohnehin gemerkt hätte, aber so habe ich einen Verbündeten, der das Geheimnis mit mir hütet, solange die Wahrscheinlichkeit einer Fehlgeburt noch so hoch ist. Offiziell verkünden will ich die Schwangerschaft erst, wenn ich nicht mehr so arg Gefahr laufe, eine Woche später sagen zu müssen "Äh, doch nicht mehr, hat sich erledigt."

Fehlgeburt. Ich erwische mich immer häufiger bei dem Gedanken, dass ich nicht traurig wäre, würde die Schwangerschaft jetzt von allein enden.
Verzweifelt probiere ich Schonkost, trinke nur noch Leitungswasser oder stilles Mineralwasser, probiere Tees, trinke Milch, esse Nüsse, schlafe hochgelagert, gehe spazieren - nichts hilft. Immer öfter falle ich nach der Arbeit völlig erschöpft um wie ein Stein oder heule geradezu hysterisch los. Schlafmangel und permanente Schmerzen machen ein unberechenbares und teilweise kreischendes Monster aus mir. Ich weiß nicht, wie ich das noch mehrere Wochen ertragen soll.

Mein Mann ist mein einziger Anker. Zu jeder Zeit schafft er Essen heran, recherchiert, wie er mir helfen kann, erträgt meine frustrierten Heulanfälle, redet mir gut zu und ist immer in meiner Nähe, um mir irgendwie zu helfen. Er kocht Tee, bringt Decken, schmeißt den Haushalt und versucht zart, mich aufzumuntern.

Als ich an einem Montag schließlich mehr Zeit heulend und kotzend auf der Firmentoilette zubringe, entscheide ich, dass es genug ist, und lasse mich krankschreiben. Zwar habe ich noch die Worte meines Gynäkologen im Ohr "Schwangerschaft ist ein Zustand, keine Krankheit", aber ich bin am Ende.
Mein Gynäkologe ist im Urlaub, mein Hausarzt ebenso. Doch die Vertretung meines Hausarztes ist ein freundlicher und geduldiger Mann, der mir Heilerde und Ingwertee empfiehlt, zusammen mit viel Ruhe.

Eine Woche später propiere ich einen neuen Anlauf auf der Arbeit - und prompt wird mir schwarz vor Augen, sodass ich schon am Mittag wieder heimfahre und mich erneut für eine Woche krankschreiben lasse.

Stück für Stück lassen nun allerdings die Schmerzen nach. Ich esse vorsichtig und halte mich an den Rat des Arztes. Meine Brüste haben sich eingependelt und sind nur noch empfindlich, aber schmerzen nicht mehr. Als wir es zwischendurch sogar schaffen, Sex zu haben, könnte ich heulen vor Erleichterung, weil ich das sehr, sehr vermisst habe.

10. Woche
Langsam habe ich das Gefühl, ich kann wieder halbwegs funktionieren. Zwar bekomme ich hin und wieder noch Rückfälle, bei denen ich den ganzen Tag ein flaues Gefühl im Magen und einen wackeligen Kreislauf habe, aber die stechenden Schmerzen vom Sodbrennen sind bislang nicht wiedergekommen. Immer, wenn es mir zu gut geht, bin ich misstrauisch. Hat sich etwas abgelöst? Geht es mir nur deshalb gut, weil der Embyro abgestorben ist? Nach den heftigen Wochen weiß ich nicht, ob ich mir so schnell einen zweiten Versuch zutrauen würde. Und auch nicht, ob es mir das überhaupt wert ist.

Aus dem "Es/Zellhaufen" ist gedanklich "das Knöpfchen" geworden. Ich fasse zaghafte Hoffnung, dass ich mich vor der Geburt darauf freuen kann. Zwar weiß ich, dass mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit die Schwangerschaft noch von allein enden kann, aber seit ich nicht mehr permanent und Schmerzen und Schlafmangel leide, kann ich mich an den Gedanken, schwanger zu sein, langsam gewöhnen.

Zwar habe ich kaum zugenommen, aber ein kleiner Bauchansatz ist schon zu sehen. Zum Glück trage ich im Sommer gern Männershorts mit variablem Gürtel; ich kann mich also noch problemlos bequem kleiden.

In der kommenden Woche starte ich einen neuen Anlauf für die Arbeit.
 
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Loomis
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  • #2
11. Woche - Arcimboldo und schlummernde Dämonen

Silberstreifen am Horizont. Dachte ich. Nachdem ich einen ganzen Tag auf der Arbeit schadlos überstanden habe, steht der nächste Kontrolltermin an. Der Ultraschall erinnert mich an die Gemälde von Arcimboldo (ihr wisst schon, die mit den Gemüsegesichtern), eine kleine Ansammlung knubbeliger Kartoffeln. Das Knöpfchen entwickelt sich wie erwartet, man sieht den Kopf, Arme, Beine. Insgesamt sieht das Ganze aus wie eine ungeschickt geknetete Menschenfigur. Knubbelig, aber definitiv erkennbar. Wir nehmen das Bild trotzdem nicht mit.

Als ich die Frage nach Pränataldiagnostik stelle, schaut mich mein Gynäkologe abschätzend an. "Wozu? Sie sind gesund und fallen in keine Risikogruppe." Ich bin verunsichert; mein Eindruck war, dass nicht-invasive Methoden wie die Nackenfaltenmessung praktisch Standard sind. Seine Blicke lassen mich wissen, wie viel er von Pränataldiagnostik insgesamt hält und er verweist mich kühl an eine Kollegin im Nachbarort. Ohne mir weiter zuzuhören zählt er die kostspieligen und umfangreichen Tests auf, die machbar sind. Sein Tonfall lässt keinen Zweifel an seiner Haltung dazu.

Später frage ich meine Mutter aus Neugier, welche Tests sie hat machen lassen. "Keinen", ist die Antwort. "Und man muss ja auch nicht alles vorher wissen." Jetzt bin ich nicht nur irritiert, sondern verärgert. Große Worte von einer Person, die zwei gesunde Standard-Kinder geboren hat.
Das Geschlecht vom Knöpfchen interessiert uns nicht. Wie es aussehen wird, interessiert uns nicht. Ob es groß wird oder klein - wir werden es in jedem Fall lieb haben. Wieso müssen wir uns dafür rechtfertigen, wenn wir vorab wissen möchten, ob es eine Behinderung haben wird?

Der Abend endet überraschend mit einer weiteren Anbetung des Keramik-Götzen und läutet eine grauenhafte Nacht ein. Alle paar Stunden muss ich zur Toilette und pinkeln, als würde ich Stoffwechsel von drei Tagen nachholen. Nach dem dritten Gang ins Bad will ich mich gerade in mein Schicksal ergeben, als ein lange vergessen geglaubter Dämon aus seinem Schlummer erwacht - Reizblase oder Blasenentzündung. Fantastisch. Zu meinen Unterleibskrämpfen, dem Harndrang, dem leeren Magen gesellt sich also nun noch das nagende Gefühl, permanent dringend auf die Toilette zu müssen. Fantastisch. Um 6 Uhr erkläre ich die Nacht für beendet und beginne den taufrischen Morgen mit einer weiteren Anbetung des Götzen. Diesmal mit Darbietungen aus mehreren Körperöffnungen.

Keine Ahnung, wie ich den Tag überlebt habe. Geschlafen habe ich etwa vier Stunden und gefühlt habe ich mich wie ein überfahrenes Eichhörnchen. Mein Vorgesetzter lässt mich wissen, dass ich versuchen soll, mich zu entspannen und zu freuen. Ich weiß, er meint es gut, aber zum Glück hatte ich gerade keine Axt in meiner Arbeitstasche.
 
Loomis
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  • #3
12. Woche - Falsch verkabelt?

Nun bin ich in der vielbeschworenen 12. Woche angekommen und tatsächlich scheint diesmal alles typisch zu verlaufen. Die Magenschmerzen sind an sich komplett verschwunden, das Sodbrennen deutlich zurückgegangen und übel ist mir höchstens morgens vor dem Frühstück ganz kurz.

Allerdings scheint nun irgendwas allgemein falsch verkabelt zu sein, denn Körpersignale sind plötzlich völlig anders als vorher. Bin ich beim ersten Mal, als ich stechende Unterleibsschmerzen bekam, noch sehr in Sorge gewesen, dass mich nun doch eine Fehlgeburt ereilt, schlendere ich inzwischen relativ entspannt ins Badezimmer - ist nämlich nur mal wieder eine große Pupserei, Durchfall oder ähnliches.

Auch mein Hungergefühl funktioniert nicht mehr. Den ganzen Tag begleitet mich ein leicht flaues Magengefühl, das sich nur manchmal in pieksenden Schmerz umwandelt. Nach einigen Tagen Verwirrung kann ich dieses Signal nun als Hunger deuten - man lernt ja dazu! :thumbsup:

Meine Kollegen sagten heute im Laufe des Vormittags: "Loomis, es ist schön, dass du zurück bist!" - ich muss die letzten Wochen ein unerträgliches Marakel gewesen sein und habe großes Glück, dass die Kollegen es mit Humor nehmen und meine peinlich berührte Entschuldigung lachend abwinken. :ashamed:

Nachdem ich mich die letzten Tage immer noch ein wenig besser gefühlt habe, erlaube ich mir inzwischen die Hoffnung auf den nächsten Abschnitt - das Party-Trimester, wie es mein Mann nennt. :bier: Leute, ich habe mich noch nie so sehr auf die Aussicht gefreut, dass ich demnächst vielleicht saure Gurken in Erdnussbutter dippen will, wenn dafür nur endlich, ENDLICH!! der ganze andere Quatsch aufhört. Seit Anfang Juli habe ich mich an KEINEM EINZIGEN TAG mehr so gut gefühlt wie heute; here's hoping.
Besonders herzlich willkommen heiße ich übrigens meine schmerzlich vermisste Libido, die sich seit ein paar Tagen wieder zuverlässig meldet - den Gatten freut's ebenfalls.

Außerdem kam heute unsere Erstlingsbox an (ich weiß nicht, ob ich hier verlinken darf, weil ich jetzt auch keine Werbung machen will, also lasse ich es lieber, aber Google ist euer Freund, falls ihr neugierig seid..). Die Box ist nach finnischem Vorbild entworfen, enthält eine Matratze nebst Bezug und einen Satz Kleidung, die mitwächst, sowie ein bisschen Kleinkram wie Fieberthermometer, Nagelschere, Spucktücher, etc. Damit haben wir einen schönen Grundstein für die Erstausstattung gelegt und irgendwie lässt es Stück für Stück realer werden, dass wir tatsächlich Nachwuchs bekommen werden.

Einziger Wermutstropfen die letzten Tage - die Familie. So sehr wir schätzen, dass sich alle freuen und dass uns alle gern haben... es herrscht ein unheimlicher Druck.
Winziger Hintergrund - die Familie meines Mannes ist gut 400 km weit weg, meine ist gut 600 km weit weg und zwischen beiden liegen etwa 500 km Entfernung. Das hält aber niemanden davon ab, unverblümt die Erwartungshaltung zu präsentieren, dass man ja wohl nicht ewig da im Schwarzwald bleiben will.

Seine Mutter versucht es mit "Hier in der Nähe ist eine Firma, die hat bestimmt eine Stelle für dich... und ich bin ja hier sonst auch ganz allein." Nein. Erstens wollen wir beide nicht in DIESE Region und zweitens ist seine Mutter nicht allein. Sie wohnt auf ihren Wunsch hin im Dorf ihrer Kindheit und ist hervorragend mit Nachbarn und alten Schulkameraden (!) vernetzt.

Meine Mutter versucht es mit: "Was sind denn eigentlich dann eure Pläne? Eine Kollegin meinte neulich, es wär ja schade, dass du und nicht dein Bruder Nachwuchs bekommst, weil ich dann ja gar keine Bindung zum Kind aufbauen könne und nun frage ich mich, ob das stimmt." Was soll man darauf antworten, Leute?

Beide Parteien erwarten also, dass wir in die jeweilige Nähe ziehen. Und beide Parteien wissen, dass wir eine von beiden enttäuschen müssen, wenn wir dem nachkommen wollen. Danke für nichts. Wir haben hier kein soziales Netz, keine Freunde, keine Familie. Als ob wir uns das nicht auch wünschen würden, aber Jobs wachsen nicht auf Bäumen, beide Familien wohnen in strukturschwachen Gegenden und wir kriegen nicht mal eben zwei neue Jobs und einen Umzug während meiner Schwangerschaft über die Bühne.

Tatsächlich HABEN wir sogar Pläne, aber die teilen wir der Familie erst mit, wenn sie komplett in trockenen Tüchern sind. Jetzt erst recht. :nope:
 
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Loomis
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  • #4
13. Woche - ein letztes Aufbäumen

"Ab jetzt wird aaalles besser!", denke ich ironisch, als ich meine geliebte Misosuppe in die Kloschüssel erbreche. Dass ein paar Klümpchen dabei von der Wasseroberfläche abprallen und mir ins Gesicht klatschen, ist ein netter Touch oben drauf. Zwei Tage lang alles auf Anfang. Als ich dann noch Ausschlag im Gesicht bekomme (vermutlich eine atopische Schwangerschaftsdermatose; da ich Schuppenflechte auf der Kopfhaut habe, liegt das nahe) bin ich langsam bereit für eine Dämonenbeschwörung, wenn ich diesen Scheiß damit nur beenden kann.

Um das Sodbrennen in Schach zu halten, vertilge ich schiere Unmengen an Gemüse und Salat am Tag. Meine Tasche für die Arbeit erweckt inzwischen den Anschein, als plante ich eine Expedition in die unbewohnten Gegenden des Schwarzwalds. Zwei verschiedene Sorten Tee (falls mir von der einen Sorte mal wieder übel wird), zwei Dosen mit Rohkost (Möhren, Gurken, Tomaten), mindestens ein Apfel und eine Birne, dazu eine Dose mit Dinkel-Crunchies - man will ja auf alles vorbereitet sein. Fleisch geht gar nicht, auch Wurst nicht. Zwar war ich ohnehin nie der Fleischfresser und bevorzuge meist vegetarische Gerichte, aber die komplette Anti-Haltung ist neu.

Meine Kollegen amüsieren sich königlich über die Mengen, die ich am Tag vernichte (ich bin immer relativ schlank gewesen, habe aber trotzdem irgendwie den halben Tag irgendwas gefuttert).
Jeden Tag nehme ich morgens und abends nun die doppelte Portion Heilerde, bei Bedarf auch mittags noch eine oben drauf.

Und dann, ganz plötzlich, ist es vorbei.

Hoffe ich.
Man wird ja vorsichtig mit der Euphorie.

Der widerliche Geschmack und Geruch, den ich sonst fast den ganzen Tag im Mund habe, ist auf ein Mindestmaß reduziert. Ich kann essen. Ich kann trinken. Ich kann den Tag ohne Mittagsschlaf überstehen. Ich kann wieder lange Spaziergänge machen, ohne dabei zu schnaufen wie ein erkältetes Walross! Am kommenden Montag beginnt nach der Sommerpause wieder der Kendo-Unterricht und ich freue mich wahnsinnig darauf. (Kleine Anmerkung: Ich bin auf einem niedrigen Niveau, ich habe auch keine Rüstung, daher ist es für Leute meiner Könnensstufe kein Vollkontaktsport. Also keine Gefahr durch Schläge irgendwo hin.)
Das Sodbrennen ist dermaßen runtergegangen, dass ich nur aufpassen muss, den Magen nicht komplett leer werden zu lassen (das quittiert der nämlich mit Übelkeit und Protest gegen das nächste, was gegessen wird).
Und ich kann meine Zunge wieder putzen! Klingt blöd, aber rettet mich unheimlich, denn durch das Sodbrennen hatte ich täglich einen dicken, weißen Belag auf der Zunge. Habe ich die aber versucht zu putzen, kam sofort ein Würgereflex und im schlimmsten Fall musste ich direkt im Anschluss erbrechen.

Als ich gerade denke, dass ich nun auch meine Emotionen wieder besser im Griff habe, ereignet sich ein ikonischer Moment.

Ich hatte gerade in unserem riesigen Kord-Sitzsack ein Schläfchen gemacht, als ich unsanft daraus erwache und sofort super-groggy bin. Mein Kopf tut weh, mir ist schwindlig und oll und überhaupt kann die Welt vor die Hunde gehen!
Mein Mann will helfen. "Kann ich was für dich tun? Hast du vielleicht Hunger?"
Und wie aufs Stichwort erwacht der Hulk. "KEINE AHNUNG, OB ICH HUNGER HABE, VERDAMMT!!! ICH WEIß DAS DOCH SEIT WOCHEN NICHT! IMMER TUT IRGENDWAS WEH UND ICH KANN DAS NICHT EINORDNEN UND DU WEIßT DAS!!!"
Völlig ungerührt lässt mein Mann einen Moment der Stille vergehen und sagt dann: "Komm, wir machen dir was zu Essen.."
Den Tränen nahe begleite ich den Mann in die Küche und - Überraschung! - nach einem kleinen Snack bin ich wieder lammfromm.
Kudos bitte an dieser Stelle an meinen überaus geduldigen und liebevollen Mann, ohne ihn hätte ich wohl schon irgendwas in Brand gesetzt oder Städte dem Erdboden gleich gemacht.

Apropos dem Erdboden gleich gemacht. Vielleicht ist es an der Zeit, über eine Hausratversicherung nachzudenken... Über das Phänomen des "Baby-Brain" habe ich ja bislang eher geschmunzelt. Langsam häufen sich aber die kleinen Ungeschicklichkeiten. In der Wohnung verteilt finden sich überall Zeugen meiner Fresserei. Halb leere Kakaotassen, Teller, Verpackungspapier. Eigentlich bin ich ein ordentlicher Mensch. Vergesslich war ich schon immer, etwas chaotisch auch. Aber das hier erreicht langsam neue Dimensionen.

Als ich am Samstag den Mann mit einem Frühstück aus dem Bett locken will (ich habe Brötchen geholt, den Tisch gerichtet und ihm Kaffee versprochen), wundere ich mich noch über das merkwürdige Geräusch aus der Küche.
Nun, der Kaffee sollte besonders liebevoll gemacht werden. Also wasche ich den Filterbehälter aus, spüle die Kaffeekanne und mahle frisch die Bohnen.

Dumm nur, dass ich den Kaffee dann anstelle, ohne die Kanne darunter zu stellen...

Fröhlich zischend ergießt sich das duftende Getränk über die Küchenanrichte. Als ich hektisch die Kanne in die Maschine stopfe, kommt noch gerade genug Kaffee für eine Tasse heraus. Verlegen grinsend sage ich: "Naja, ich hab Kaffee versprochen, aber wir haben ja nicht über die Menge geredet..." und der Mann muss so lachen, dass es auf einmal gar nicht mehr so tragisch ist.

Bekanntes Glück gegen unbekanntes Glück

Am Sonntag liegen wir lange im Bett. Wir reden, schmusen, lachen. Und ich ertappe mich wieder einmal dabei, dass ich mich frage, ob das wirklich alles so eine gute Idee war. Denn wir sind eigentlich glücklich, so wie es gerade ist. Wir haben ein Kind in unserem Leben nicht vermisst. Was eigentlich unser Vorteil war (dachte ich), meldet sich immer wieder auch als Fluch - denn, wer sich lange sehnlich ein Kind wünscht, der hat diese Gedanken vermutlich nicht ganz so ausgeprägt.

Ich liebe das lange Ausschlafen mit meinem Mann, das lange Aufbleiben, das spontane Ausgehen, das "Wir machen heute einfach mal gar nichts, duschen nichtmal und bleiben den ganzen Tag im Pyjama". Ich mag meinen Job, meinen Sport, mein Hobby Videospiele. All dieses bekannte Glück tauschen wir gegen das vage Versprechen, das ein Kind Freude und Liebe bereitet, das Leben bereichert.

Die Stimmung ist aktuell aber eigentlich ziemlich gut. Da ich mich nach wie vor schwer tue damit, eine Bindung zu dem Ungeborenen in mir aufzubauen, nutze ich eine kleine Mechanik unserer Beziehung aus.

Wir sind ein sehr verspieltes Pärchen. Haben wir beispielsweise keine Lust auf Einkaufen, erklären wir kurzerhand den Supermarkt zu einem fremden Planeten, den wir mit unserem Shuttle (Auto) ansteuern müssen, um Vorräte für das Mutterschiff (Wohnung) zu beschaffen. Fremde Spezies (andere Menschen) sind potentiell feindlich und so muss das ganze zielstrebig und unauffällig ausgeführt werden. So wird der lästige Trip zum Supermarkt ein kleines Abenteuer. Ihr versteht das Prinzip dahinter.

Wenn einer von uns ein Spiel anstößt, steigt der andere zu 95 % darauf ein. Und so nutze ich den Spieltrieb, um das Knöpfchen von meinem Mann personifizieren zu lassen. Als mir besonders übel ist, sage ich zum Beispiel zu ihm: "Red mal mit dem Knöpfchen! Das kann ja so nicht weitergehen." Und der Mann versteht sofort, lupft vorsichtig mein Shirt und erklärt meinem Bauch, dass Mama nun aber mal eine Pause braucht und dass Eis eigentlich eine prima Sache ist, wegen der man nun wirklich keine Übelkeit auslösen muss.

Was soll ich sagen? Es funktioniert.
Das Spiel verselbstständigt sich langsam und ich merke, wie ich anfange, vom Knöpfchen als eine Art Person zu denken, als ein Jemand. Mein Mann küsst hin und wieder meinen Bauch gute Nacht oder streichelt darüber und sagt hallo. Und es fühlt sich gut an so. Ich kann das Verhalten noch nicht übernehmen, aber die Zuneigung, die mein Mann dadurch ausdrückt, tut einfach gut.
 
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Loomis
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  • #5
14. - 15. Woche - Die Milch macht's!

Das gelobte Partytrimester hat angefangen! Schmeißt Konfetti, schmettert die Trompeten..! Allerdings... was bei anderen Menschen coole Musik, Cocktails und nette Leute sind, ist bei mir mehr wie die Bingo-Runde von Tante Ingeborg mit Saft und Kuchen. Man bekommt was zu Essen, die Zeit geht rum und man ist nicht allein, aber von einer "Party" hatte ich mir doch etwas mehr erhofft.

Das Sodbrennen ist ein ständiger Begleiter geworden, wie ein lästiger Mückenstich, der zwar nicht abheilt, aber erträglich ist, solange man ihn nicht kratzt. Mein Verteidiger gegen das "Jucken" ist Milch. Nachdem ich in den ersten Wochen von Milch erbrechen musste, funktioniert sie inzwischen wie versprochen und hält die Säure in Schach.

Mein Vater hat Geburtstag und weil er wegen einer heftigen Fußverletzung schon seit Wochen im Krankenhaus liegt, organisiert meine Mutter eine kleine Überraschungsparty in der Cafeteria. Mein Mann und ich fahren am Freitag die 600 km zu meinen Eltern und am Sonntag wieder zurück. Lange Autofahren sind überraschend anstrengend für mich, Vom Gerumpel ist mir die ganze Zeit latent übel und unwohl, aber die Freudentränen und das Strahlen im Gesicht meines Vaters, als die ganze Familie und ein paar Freunde unangekündigt mit Kuchen im Krankenhaus auftauchen, machen das alles wett.

Der Bauch ist zwar noch nicht sehr groß, aber doch groß genug, dass alle Anwesenden ihn bemerken und liebevoll kommentieren. Ich bin ein bisschen gerührt, aber auch etwas überfordert, dass so viele Menschen Anteil an der Schwangerschaft nehmen. Für gewöhnlich bin ich relativ scheu; auch unter Freunden habe ich eher wenig Körperkontakt, daher bin ich verlegen darüber, aber auch glücklich.

Schätzelein - isch hab Kreislauf

Grundsätzlich geht es mir deutlich besser, so wirklich wohl fühle ich mich allerdings nicht. Sodbrennen und Übelkeit habe ich mit Milch und einem zügigen Frühstück unter Kontrolle. Nun stürzt allerdings nach der Arbeit pünktlich wie ein Uhrwerk mein Kreislauf ab. Ich schaffe es nichtmal, über die Dauer einer Koch-Session auf den Beinen zu bleiben, weil ich dann schon spüre, wie es vor meinen Augen flimmert und mein Magen Kapriolen schlägt.

Ganz ehrlich? Langsam bin ich ein bisschen vergrätzt und es stellt sich wieder das Bingo-Abend-Gefühl mit alten Tanten ein, die sich jeden Monat gegenseitig von neuen Wehwehchen erzählen. Nach einer Woche ohne Aussicht auf Besserung reicht es mir und ich besorge in der Apotheke Supplemente für das zweite Trimester. Eigentlich stehe ich diesen Nahrungsergänzungsmitteln eher skeptisch gegenüber, denn ich sehe mit Sorge, was für eine Wahnsinns-Industrie hinter dem Konzept Kinderwunsch und Schwangerschaft steht.
Meiner Meinung nach wird in diesen Bereichen sagenhaft viel Panik verbreitet und unheimlich viel versprochen, um (zukünftigen) Eltern das Geld aus der Tasche zu ziehen. Das fängt mit "Nestreiniger-Tee" für gesteigerte Fruchtbarkeit an und endet bei dem diffusen Gefühl von "Wenn Sie in der Schwangerschaft DIESEN oder JENEN Fehler (!) machen, dann wird ihr Kind dumm, behindert, hässlich - und SIE allein sind Schuld daran!!"

Anyway - an diesem Punkt habe ich nicht viel zu verlieren (außer meinem Bewusstsein, höhö) und denke mir, ein paar zusätzliche Vitamine, Eisen und co werden zumindest nicht schaden. Mal abwarten, ob es etwas bringt.

Unwägbarkeiten vs Leckereien

Ein Gesicht wie ein spätpubertierender Streuselkuchen und ein Bauch, der gerade an der Grenze zwischen "dick geworden?" und "schwanger?" steht - der perfekte Zeitpunkt für ein Imagevideo unserer Firma, in dem auch ich ein paar Sekunden Teamgeist und Professionalität ausstrahlen soll! Nun, ich tröste mich damit, dass die Palette an verträglichen Lebensmitteln jeden Tag wieder etwas größer wird und füttere die unreine Haut mit Trotzschokolade.

Der nächste Kontrolltermin ist unauffällig, diesmal bekommen wir allerdings ein kleines 3D-Bild mit, zusätzlich zum "Ameisenkino". Der Kopf mit Augen und Nase ist deutlich erkennbar, auch die Gliedmaßen mit Händen und Füßen und als ich diesmal das Flimmern des Herzschlags sehe, flimmert auch mein Herz ein bisschen.

Daheim flüstert mein Mann mit meinem Bauch und fragt: "Kommst du bald raus zum Spielen?" Und irgendwie tritt es diese Kombi los. Die liebevolle Erwartung meines Mannes, das Bild mit dem (noch etwas unförmigen) Mini-Menschen und die begeisterten Zuschauer am Rand. Mein Herz fängt ganz plötzlich an, einfach noch viel mehr Liebe zu produzieren. Die hat zwar noch kein richtiges Ziel (was irgendwie bescheuert ist, oder?), aber inzwischen kann ich mich geistig entspannen und sicher sein - ich werde den Nachwuchs lieb haben.

Einer weiteren Sache bin ich mir inzwischen auch ziemlich sicher - ich brauche einen neuen Gynäkologen. Nachdem er mir beim ersten Termin einen Vortrag hielt, Frauen würden sich immer furchtbar reinsteigern, wenn es um Blutabnahme geht (ich hatte darum gebeten, mich dafür hinlegen zu dürfen, weil ich regelmäßig nach solchen Prozeduren umfalle), mir später schlecht versteckt zwischen den Zeilen mitteilte, dass er es überhaupt nicht gutheißt, dass ich Pränataldiagnostik in Erwägung ziehe und beim letzten Termin bei der Bitte, er möge uns das Geschlecht nicht verraten, sofern man es erkennen könne, antwortete "Das sage ich Ihnen auch nicht.", habe ich die Nase endgültig voll.

Seit ich nach dem positiven Test dort meine Kontrolltermine wahrnehme, bin ich nicht ein einziges Mal gefragt worden, wie es mir geht. Ich erwarte keinen roten Teppich und keine ständigen verbalen Streicheleinheiten beim Arzt. Auch wenn ich ängstlich bin bei Spritzen, bin ich insgesamt relativ pflegeleicht, werde weder panisch noch dramatisch, sondern bin immer kooperativ und friedlich.
Aber dass es bei meiner ersten Schwangerschaft bei meinem Gynäkologen absolut keinen Raum dafür gibt, meine Beschwerden anzusprechen und abzuklopfen, was davon normal ist und was man vielleicht sogar irgendwie lindern kann, halte ich dann doch für unverschämt. Ich lasse Urin da, werde gewogen, Ultraschall, Blutdruck, neuer Termin in vier Wochen, tschüss. Das alles dauert keine Viertelstunde und geht wie am Fließband.

Am Montag ist Tag der offenen Tür im Geburtshaus in der Nähe. Dort möchte ich, sofern der Schwangerschaftsverlauf das zulässt, das Kind zur Welt bringen und dort bietet man auch die üblichen Untersuchungen an. Vielleicht kann ich für die weiteren Kontrolltermine dort unterkommen. Wünscht mir Glück!
 
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Loomis
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  • #6
Bis zur 18. Woche - "So, Schluss jetzt mit Party"! -Gesundheitsheitsbaby

Die letzten Wochen ist nicht viel Aufregendes passiert, was sich zu erzählen gelohnt hätte, aber ganz im Geiste von Tante Ingeborgs Bingo-Abend bin ich eigentlich froh, dass zumindest nichts unangenehmer geworden ist.

Mein Bauchbewohner hat beschlossen, dass wir die lustige Saure-Gurken-Sause einfach auslassen und weiterhin brav frisches Obst und Gemüse bevorzugen. Soweit so gut, aber dass mir dieses Salatbaby nichtmal den Lebkuchen gönnt, ohne mich durch einen unruhigen Magen zu ermahnen, finde ich schon fies. Außerdem bin ich von der "bodenloses Fass"-Phase direkt übergegangen zu "Mimimi, mein Magen ist zu klein"-Phase (was eigentlich gar nicht sein kann, Knöpfchen ich bitte dich! So groß bist du einfach noch nicht!). Perfektes Timing für Besuch bei Familie des Ehemannes zum Mittagessen! Diesen Teil der Familie habe ich bislang noch nicht kennengelernt und so bin ich ein bisschen aufgeregt, aber ich freue mich auf. Ob wir dort wohl vorab Bescheid sagen sollen, dass ich schwanger bin, frage ich meinen Mann. "Nicht, dass es dort Coq au vin mit passendem Wein und Eierlikörcreme zum Essen gibt", scherze ich.
Wir entscheiden uns dagegen; außer Alkohol verzichte ich ja schließlich eigentlich auf nichts beim Essen.

Natürlich gibt es in Wein geschmortes Hähnchen mit Schalotten und dazu Weißwein.

Nun gut, der Alkoholgehalt in der Sauce ist selbst für mich ultimatives Fliegengewicht absolut nicht zu spüren und den Wein kann ich nach offensichtlicher Präsentation meiner kleinen Murmel auch problemlos gegen Wasser tauschen, ohne die emsige Gastgeberin vor den Kopf zu stoßen. Und der Nachtisch entpuppt sich als harmlose Himbeercreme, puh!
Es wird ein sehr gemütlicher Tag und ich lerne eine urige Gemeinsamkeit in der männlichen Linie meines Mannes kennen - alle zeigen sich bemerkenswert engagiert beim Thema Baby- und Kinderpflege. Der Onkel meines Mannes erzählt stolz, dass er seinerzeit (er ist heute ist 77) der einzige Mann im Säuglingspflegekurs war und von den dortigen Hebammen als Ehrenmutti ausgezeichnet worden ist.

Kleckse in der Idylle

Der Punkt Essen ist endlich weniger beschwerlich geworden. Gelüste habe ich zwar an sich überhaupt keine, aber immerhin durchschnittlichen Appetit, sodass ich das meiste grundsätzlich essen kann wie vorher auch (trotzdem bevorzugt Obst, Gemüse und Naturjoghurt). Aber egal, was ich esse - fettig oder nicht, Gemüse, Obst, Fleisch, Brot, Nudeln, Reis, viel oder wenig - alles scheint mein Magen ab Nachmittag in Müll zu verwandeln. Zumindest fühlt es sich so an. Jeden Morgen beginne ich mit einem normalen Gefühl, aber jeden Abend liege ich im Bett und das Gefühl in meinem Bauch lässt sich wohl am ehesten mit einem Bild von klebrig-zähem Pappmaché beschreiben, das grau und stinkend in meinem Magen herumgewalkt wird. Ich gebe es auf, mich darüber mehr als nötig zu ärgern und ergebe ich mich notgedrungen in mein Schicksal.

Schweren Herzens verabschiede ich mich außerdem auf unbestimmte Zeit von meinen Kendo-Kameraden. Nachdem mich normale Tätigkeiten schon schnell wirklich deutlich ermüden, traue ich mir das straffe Sportprogramm einfach nicht mehr zu. Mich alle paar Minuten an den Rand zu setzen.. da brauch ich dann auch nicht zum Sport gehen. Stattdessen habe ich mir Yogakurse für Schwangere herausgesucht und werde dort möglichst zügig mal einen Schnuppertermin machen.

Generell tue ich mich mit den körperlichen Veränderungen sehr schwer. Als mir beim Durchsortieren meiner Handy-Bilder ein Foto von mir in die Hände fällt, auf dem ich stolz meinen kleinen Bizeps und die straffen Bauchmuskeln einer Freundin zeige, werde ich ein bisschen wehmütig.
So richtig sportlich war ich nie, aber ich war noch nie zuvor so fit wie vor der Schwangerschaft. Mehrere Monate, in denen ich mich zu Sport nicht in der Lage fühlte und nun kleine Kugel vor dem Bauch, die ungewohnt viel Energie einfordert, sorgen dafür, dass ich mich langsam wirklich wie ein Wal fühle. Habe ich vorher problemlos zwei PET-Träger Wasser und ein bis zwei volle Einkaufstüten in den zweiten Stock getragen, brauche ich aktuell schon für einen Träger mindestens eine Pause auf dem Treppenabsatz.

Und auch wenn er ja noch eher bescheidene Ausmaße hat im Vergleich zum erwartbaren Endstadium - mich stört der Bauch beim Sex. Ich fühle mich unförmig und er ist mir im Weg. Mein Mann ist dankenswerter Weise von meinen Brüsten abgelenkt (die übrigens NOCH größer geworden sind...).
Apropos Brüste - die sind zwar in ihrer Monster-Form inzwischen nicht mehr so schmerzempfindlich, aber das machen die Mimosen von Brustwarzen doppelt wett. Bei einem meiner gewohnten Spaziergänge in der Mittagspause haben sie sich in der Kälte aufgerichtet und so dermaßen schmerzhaft gegen den BH gedrückt, dass ich irgendwann verzweifelt in meinen Pulli gehaucht habe, um den Warzenaufstand möglichst schnell wieder niederzukämpfen.

Nach jedem Arbeitstag brauche ich erstmal ein Nickerchen, sonst überstehe ich den Abend nicht. Diese ständige Erschöpfung ermutigt mich auch nicht gerade zu sportlicher Betätigung, aber ich weiß, dass mir Sport gut tun und dem entgegenwirken kann, also bin ich wild entschlossen, meinen Schweinehund bis zum passenden Yoga-Kurs zu prügeln, wenn es sein muss.

Mein charmanter Ehemann schickt mir übrigens inzwischen bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit Wal-Emojis zu und ja, ich gebe zu, ich muss dann doch irgendwie darüber lachen.

Chef, ich hab da was mitzuteilen...

Inzwischen ist mein Bauch so üppig geworden, dass ich um die Anschaffung von Umstandshosen nicht mehr herumgekommen bin - immerhin muss ich auch noch Kundentermine wahrnehmen und irgendwie kratzt so ein Küchengummi am Hosenknopf doch an meiner Professionalität...

In Woche 16 kommt mein Chef aus dem Urlaub zurück und es ist nun Zeit, die Karten auf den Tisch zu legen. Wie vermutet, hat man damit natürlich gerechnet (irgendwann bin ich wohl einfach unter die Klischees gegangen) und so beglückwünscht man mich trocken und fragt nach der weiteren Planung.

Und hier wird es für uns nun aktuell knifflig. Mein Mann wurde bei seinem letzten Job leider zwei Wochen vor Ablauf der Probezeit betriebsbedingt gekündigt. Wir haben mal zurückgerechnet - die Zeugung muss quasi unmittelbar vor der Kündigung stattgefunden haben. Ein Hoch auf das Timing...? :rolleyes:

Dementsprechend ist er nun natürlich auf Jobsuche und wir können praktisch überhaupt nicht planen. Wer nimmt wann wie lange Auszeit? Keine Ahnung, wie die Lage sein wird, aber überraschenderweise bin ich da gerade kaum gestresst. Es kommt halt wie es kommt und wir finden schon einen Weg durch.
Wenn er einen Job hat, bleibe ich daheim. Wenn er keinen hat, muss ich halt möglichst zügig nach der Geburt wieder los. Auch mein Mann ist da sehr entspannt und so wissen wir beide - wer das Baby die erste Zeit mehr hütet, ist egal. Es wird gehegt, gepflegt und mit Liebe überschüttet werden. Nur die ersten fünf Monate würde ich definitiv gerne stillen (sofern das klappt).

Schnupperkurs im Geburtshaus

Nachdem wir den letzten Termin leider verpasst hatten, finden wir jetzt endlich die Zeit, den Info-Abend im hiesigen Geburtshaus wahrzunehmen.

Das Geburtshaus ist ein unscheinbares Gebäude, wirkt aber innen, als wäre man bei lieben Bekannten zu Besuch. Warme Farben, helle Holzmöbel und große Fenster, die viel Licht in die Räume lassen. Es gibt mehrere gemütliche Zimmer und auch eine große Badewanne. Von der Decke hängen farbige Tücher zum Festhalten, es gibt Geburtshocker, Pezi-Bälle und große Betten.
Schmerzmittel bekommt man hier unter der Geburt keine (außer vielleicht ein Aspirin, aber das kann man sich dann vermutlich auch sparen) und auch die medizinische Ausrüstung ist auf grobe Notfallmaßnahmen beschränkt. Die Klinik ist allerdings nur fünf Kilometer entfernt und laut Hebammen dauert es erfahrungsgemäß 15 Minuten vom Anruf bis zur Einlieferung.
Entsprechend ist das Geburtshaus nur auf Standard-Schwangerschaften ausgelegt. Mehrlingsgeburten, Steißlage, Diabetes bei der Mutter - die Liste an Ausschlusskriterien ist relativ lang. Wer eine Kondition außerhalb der Norm mitbringt, kann hier nicht gebären, da schlichtweg die Ausrüstung fehlt. Man ist hier unter Hebammen, Ärzte sind nicht anwesend.

Die Hebammen vermitteln einen ruhigen und kompetenten Eindruck. Ja, hier kommen Kinder ohne viel Hilfe auf die Welt, aber es herrscht trotzdem nicht dieses unangenehme Credo, dass man als Mutter die Geburt aus Prinzip ohne Hilfsmittel schaffen sollte und sich eben durchbeißen muss, um sich zu beweisen. Die natürliche Geburt wird hier zwar angestrebt (logisch), aber auf keinen Fall um jeden Preis. Was hier klar erkennbar im Vordergrund steht, ist das Wohlbefinden der Schwangeren, ohne Druck.

Untersuchungen können hier ebenfalls durchgeführt werden, allerdings verzichtet man dann auf technische Vorteile wie Ultraschall. Mein Mann und ich vereinbaren einen Kennenlern-Termin. Wir überlegen, die Untersuchungstermine zu splitten, sodass die fälligen Ultraschall-Bilder bei meinem bisherigen Arzt durchgeführt werden, die weiteren Kontrollen aber im Geburtshaus.

Wir verlassen das Geburtshaus gestärkt in dem Entschluss, dass ich dort gebären möchte, sofern der Schwangerschaftsverlauf das zulässt. Sollte sich herausstellen, dass die Schmerzen doch zu heftig werden, habe ich auch unter der Geburt jederzeit die Möglichkeit, nach einer Verlegung in die Klinik zu verlangen. Momentan möchte ich allerdings daran glauben, dass ich wenigstens hierbei Glück habe und alles im zumutbaren Rahmen bleibt.

Oma-Fieber

Schwiegermama ist für ein paar Tage zu Besuch und wir freuen uns, sie hier zu haben. Ein bisschen baff bin ich, als sie uns plötzlich für ein Gespräch an den Esstisch holt. "Da der Hund ja nun nicht mehr ist, bin ich ja völlig frei in der Planung. Wenn ihr möchtet - nur, wenn ihr möchtet und wie ihr möchtet!! - kann ich, wenn euer Knöpfchen da ist, gern vorbeikommen und helfen."

Wir freuen uns riesig! Wir hätten nie gewagt, danach zu fragen, aber wir stellen dankbar in Aussicht, dass wir uns freuen würden, sie dann als Unterstützung hier zu haben - nach einer gewissen Eingewöhnungsphase zu dritt. Die zukünftige Oma ist ein bisschen aus dem Häuschen, dass wir das Angebot annehmen möchten und man sieht ihr an, dass sie schon jetzt die Ankunft des Enkels kaum erwarten kann. Sie hat auch eine kleine Kiste mit alten Babysachen von meinem Mann mitgebracht und irgendwie gefällt mir der Gedanke, dass sein Nachwuchs die gleiche Kleidung tragen wird (aber den klappernden Holzelefanten auf Rädern muss ich wohl noch unauffällig verschwinden lassen...).

...war da was?

Gemütlich liege ich im Bett und bin kurz vorm Einschlafen, da spüre ich plötzlich ein winziges Pochen im Unterleib. Einen Moment lang überlege ich und spüre dem Gefühl nach. Verdauungsgluckern ist das jedenfalls nicht. Wieder ein Stups. Ganz sacht.

Kindsbewegungen..?
Ich bin misstrauisch, aber mein Herz klopft trotzdem. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit mehr als gering ist, dass er auch etwas spürt, nehme ich die Hand meines Mannes und drücke sie energisch auf die Stelle. Wieder stupst und klopft es kurz - und zweimal erahnt auch mein Mann die Bewegung.
Danach möchte er nicht mehr loslassen, auch als sich schon lange nichts mehr regt und mir gefällt der Gedanke, dass unser Nachwuchs unter seiner Hand eingeschlafen ist.
 
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Loomis
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  • #7
19. Woche - Cobra, übernehmen Sie! Oder sonst irgendwer...

Warnung vorweg - das ist ein pechschwarzer Eintrag mit Gejammer und wirklich ausschließlich Gejammer. Ich hab eine ganze Weile überlegt, ob ich das wirklich aufschreiben soll, weil erfahrungsgemäß solche Phasen ja wie ein Gewitter vorbeiziehen und anschließend klare, frische Luft zum Atmen mitbringen. Aber letztlich - es ist ein Tagebuch und dazu gehören auch die Phasen, wo ich die Situation mit Galgenhumor gerade nicht beherrschen kann.

Der letzte Untersuchungstermin lief wie erwartet, Arme, Beine, Ohren und Augen sind vollzählig und in durchschnittlicher Form und Größe. Mittlerweile spüre ich meinen Bauchbewohner mehrmals täglich eindeutig und je nach Lage kann man die kleinen Stupser sogar von außen sehen, wenn man weiß, wo gerade gestrampelt wird.

Also beste Voraussetzungen für gute Laune, Energie und Glücksgefühle. Nur dass ich nichts davon gerade finden kann. Habe ich mich schon fast damit abgefunden, dass mein Feierabend dadurch zwangsverkürzt wird, dass ich nach der Arbeit erstmal ein Nickerchen brauche, bin ich nun seit mehreren Tagen einfach nur wach. Tagsüber, nachts - wach. Nicht munter und aktiv, einfach nur wach. Wie ein Student, dem drei Tage vor der Frist einfällt, dass seine Masterarbeit ja 100 statt 50 Seiten haben muss und der nun Kaffee intravenös konsumiert, um keine wertvolle Zeit an den Schlaf zu verlieren.

Ich will nicht mehr.

Mein Nervenkostüm ist dünner als die Netzstrümpfe einer aufreizenden Tänzerin und gerade hasse ich schlichtweg alles bis auf meinen Mann.

Ich hasse das Spannungsgefühl, das JE-DEN Abend zuverlässig auftritt, egal, was ich esse.
Ich hasse das Gefühl, wenn mein Bauch an meinen Arbeitsschreibtisch stößt.
Ich hasse meinen Anblick in der Badewanne, wenn meine riesigen Brüste wie bei einer Buddha-Figur auf dem Bauch aufliegen (man hätte mir dann auch wenigstens das glückselige Lächeln gönnen können, finde ich).
Ich hasse diese bleierne Müdigkeit, die mich nach der Arbeit meistens überfällt.
Ich hasse, dass ich nicht mehr auf dem Bauch schlafen kann.
Ich hasse den ekligen Geruch, der von meiner Magensäure in meine eigene Nase aufsteigt.

Jede noch so kleine Körperregung nehme ich überdeutlich wahr, wie das Ticken einer Uhr im Dunkeln, das gefühlt mit jedem Tick und jedem Tack noch ein wenig lauter wird, bis man das Gefühl hat, es tickt direkt im Kopf. Den beschleunigten Puls, das Pochen der Schlagader über meinem Bauch, das Aufsteigen von Magensäure, das Jucken rund um den Warzenvorhof...

Mein Körperschwerpunkt hat sich verschoben und da meine Bauchmuskeln ja nun auch nicht mehr an gewohnter Stelle sind, falle ich beim Gehen automatisch ins Hohlkreuz und muss verstärkt darauf achten, die richtige Haltung zu wahren, um die aufkeimenden Rückenschmerzen nicht noch weiter zu füttern.

Diese ganze Schwangerschaft kotzt mich einfach nur an. Seit über 18 Wochen ist nicht ein EINZIGER Tag dabei gewesen, an dem ich mich einfach nur standardmäßig, normal wohl gefühlt hätte. Jeden Tag ist irgendein anderer lästiger Scheiß. Und das schlimme ist, ich weiß, dass ich eigentlich demütig und dankbar sein sollte, denn es ist die totale Durchschnittsschwangerschaft. Zig Schwangere haben hundertmal größere Beschwerden, kotzen bis zur Geburt durch, fallen dank Kreislaufproblemen dauernd um, haben Blutungen oder weiß der Himmel was nicht alles. Ich bin noch echt gut dran, das weiß ich sogar! Aber ich hasse es trotzdem. Die ganze, verdammte Schwangerschaft.

Ich hasse es, dass Leute mich ständig augenzwinkernd mit "ihr zwei" ansprechen. Ja, es ist nett gemeint, also lächle ich tapfer und halte meinen Mund, aber ich bin doch verdammt nochmal meine eigene Person!
Und sollte jemand wagen, ungefragt meinen Bauch anzufassen, werde ich spontan die beste Chuck-Norris-Roundhouse-Kick-Demonstration der Geschichte vorführen.

Ich habe keine Lust, einen Namen auszusuchen. Ich will keinen Kinderwagen anschaffen gehen, ich will nicht zum Schwangeren-Yoga, ich will keinen Autositz kaufen und wenn ich sage, dass ich nach dieser Schwangerschaft definitiv kein zweites Kind machen werde, dann will ich definitiv nicht hören "Ach, das sehen wir dann in einem Jahr."

Kurzum - ich habe gerade absolut keine Lust auf die Aussicht, ein Kind zu bekommen. Und wenn mir jetzt noch irgendjemand sagt, dass das ganz sicher vorbeigeht, dann raste ich aus. Ich WEIß das, verdammt nochmal. Jetzt in diesem Moment ist es aber anders und manchmal muss man erstmal knietief durch den Sumpf aus Scheiße durchwaten, bevor man ihn hinter sich lassen kann. Da hilft es mir inmitten des Gestanks einfach nicht, wenn jemand sagt "Ach, in ein paar Tagen riechst du wieder Blumen." Das freut vielleicht Zukunfts-Loomis, aber Gegenwarts-Loomis würde für solche Sätze gerade Menschen liebend gern Scheiße an den Kopf werfen, wenn sie nicht knietief selbst drinstecken würde.

Außerdem höre ich "Bald wird es besser" schon seit Beginn der Schwangerschaft. Inzwischen glaube ich nicht mehr daran, tut mir leid. Ich versuche noch, mich mit dem Gedanken zu arrangieren, dass die ganze restliche Schwangerschaft ebenso lästig und ätzend sein wird. Diese ganzen Magazine, die mir mein Gynäkologe immer in die Hand drückt, voll mit versonnen lächelnden Schwangeren und sülzigen Texten wie "Stolz können Sie inzwischen Ihren deutlich sichtbaren Bauch präsentieren" würde ich am liebsten anzünden, aber dank Restvernunft beschränke ich mich aufs Wegwerfen.

Am Wochenende waren mein Mann und ich in einem Möbelhaus am Schmökern. Es war ein Samstag und der Laden war rappelvoll mit Familien. Überall rannten kleine Kinder herum, wurden Babys getragen, gefahren, geschuckelt und beschmust. Ich wusste gar nicht, wo ich hinschauen soll, denn jedes dieser kleinen Kindergesichter gab mir einen Stich und löste harten Widerwillen aus. "Ich will das nicht. Ich will das nicht. Ich will einfach nur meine Ruhe", schoss mir immer wieder durch den Kopf. Nach weniger als zwei Stunden schnaufte ich wie das Walroß Antje vom NDR - dabei sind wir einfach nur gemütlich spaziert.

Das Thema Sex ist irgendwo unter meinen gefühlten Körpermassen verlorengegangen (gefühlt deshalb, weil ich real bislang maximal fünf Kilo zugenommen habe, also eigentlich lächerlich). Ich fühle mich grotesk, mein Bauch ist unfassbar empfindlich aber wegen seiner Größe ja leider schwer zu verfehlen. Zu sehr wackeln sollte auch nichts, davon wird mir schlecht. Wenn ich nicht müde bin und meine Magengegend gerade keinen Terror schiebt, bin ich so dankbar für die Ruhe, dass ich mich nicht traue, meinem Mann Avancen zu machen, aus Angst, diesen kurzweiligen Körperfrieden damit zu brechen.

Eigentlich sollte ich diesen Eintrag mit irgendetwas Hoffnungsvollem beenden, einem verbalen Schulterzucken mitsamt "das steh ich auch noch durch", aber ich fürchte, das muss ich auf einen anderen Tag verschieben.
 
Loomis
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  • #8
21. Woche - Partybaby!

Wie vermutet, habe ich meine Nerven wieder eingefangen und es scheint, als würde dann (mit reichlich Verspätung) nun endlich mal eine Phase der Ruhe einsetzen. Ich kann das Frühstück herauszögern, ohne dass mir sofort übel wird. Ich kann essen, worauf ich Lust habe. Und - das Gemüsebaby hat nun Gefallen gefunden an Süßigkeiten! Senf unter dem Bildschirm, Kitkat Chunky Peanut Butter im Schränkchen und auf dem Schränkchen ein Apfel - mein Arbeitsplatz spiegelt deutlich wider, dass ich nun doch noch in den Genuss wechselnder schräger Gelüste komme.

Mein Mitbewohner wird gefühlt jeden Tag aktiver und kräftiger. Was vor gut zwei Wochen noch kaum von Magengluckern zu unterscheiden war, beult inzwischen teilweise schon sichtbar meinen Bauch aus. Das Knöpfchen reagiert auf überraschend viele Reize von außen, sei es, dass mein Bauch den Schreibtisch berührt oder dass ich ein Bein anwinkle, dass eine warme Hand aufliegt oder ich mich im Sitzen zu weit nach vorn beuge.

Als ich kürzlich im Spaß sehr laut nach meinem Mann brüllte, teilte mir mein Bauchbewohner unmissverständlich sein Missfallen durch wildes Gestrampel mit.

Dafür scheint das Knöpfchen die Katze zu mögen..

Eines Abends liege ich mit meinem Mann gemütlich auf der Couch. Die Katze gesellt sich dazu und legt sich schnurrend einmal quer über meinen Bauch. Von drinnen kommt ein zartes Klopfen, das einmal die Länge der Katze abtastet, dann ist Ruhe. Irgendwann trollt sich die Katze - und sofort trampelt es empört an der Stelle, die eben noch warm beschnurrt wurde.

Einen besonders... "intimen"... Moment mit dem Knöpfchen habe ich dann allerdings auf der Toilette. Als ich in Ruhe mein großes Geschäft verrichten möchte, werden meine Eingeweide von innen als Punching Ball benutzt. Dieses romantische, zarte und innige Band zwischen werdender Mutter und Kind habe ich mir irgendwie anders vorgestellt.

Termine, Termine

Endlich der erste Termin im Geburtshaus! Eine ganze Stunde lang werde ich (freundlich und aufmerksam) abgeklopft nach meinen Motiven, nach meinen bevorzugten Entspannungstechniken, Vorerkrankungen und Behinderungen in der Familie, Stillvorhaben und vielem mehr. Am Ende bleibt es dabei, dass ich ein sehr durchschnittlicher Mensch mit sehr durchschnittlicher Schwangerschaft bin - was gut ist, denn sofern nicht irgendwelche unvorhersehbaren Komplikationen auftreten, kann ich definitiv im Geburtshaus gebären.

Die Hebamme tastet sorgfältig meinen Bauch ab, aber da sie kalte Hände hat, zeigt sich das Knöpfchen unbeeindruckt und lässt das übliche Gezappel ausfallen. Man informiert mich darüber, dass mein Bauchbewohner es sich in einer Schräglage gemütlich gemacht hat. Das ist auch der Grund, wieso ich derzeit nicht auf der linken Seite schlafen darf, ohne dass erheblicher Protest kommt - in dieser Position wird das Knöpfchen mit dem Gesicht nach unten gedrückt und ganz ehrlich, da würde ich wohl auch mürrisch werden.

Bei künftigen Terminen werden wir jedes Mal eine andere Hebamme treffen, damit wir bis zum Geburtstermin möglichst viele aus dem Team kennenlernen können. Denn im Geburtshaus gibt es keine Möglichkeit, eine Lieblingshebamme zu reservieren - wenn die Geburt losgeht, kommen die zwei Hebammen dazu, die gerade Dienst haben.

Wir entscheiden uns für eine wechselseitige Betreuung. Das bedeutet, ein Teil der Untersuchungen wird im Gebursthaus durchgeführt und ein Teil bei meinem Gynäkologen. Die Hebamme warnt mich vor, dass mein Gynäkologe unwillig darauf reagieren könnte und zählt die typischen Einwände auf. Ich beschließe, einfach mein resting bitch face zu üben und mein Recht durchzusetzen, egal, wie quer sich der alte Mann stellen sollte.

Einen Tag später lernen wir unsere Hebamme für die Wochenbettbetreuung kennen. Eine etwas introvertierte Frau, die aber kompetent und erfahren wirkt. Sogar die Katze, die fremde Leute eigentlich doof findet, hüpft ihr nach wenigen Minuten auf den Schoß.

Kommende Woche findet dann mein erster Termin beim Schwangeren-Yoga statt, einen Kinderwagen konnten wir ebenfalls schon gebraucht organisieren und eine Kollegin hat uns zwei große Taschen mit Wäsche von ihren Zwillingen abgegeben.

Damit sind die Grundpfeiler schon bald alle gesetzt! :smile:
 
Loomis
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  • #9
23.Woche - Ommmmmmeingott hat das jemand gehört??

Schwangeren-Yoga! Umgeben von einem kleinen Grüppchen anderer Kugelbäuche sitze ich auf einer Matte in einem gemütlichen Raum mit Fußbodenheizung. Das Licht ist gedämpft, helles Holz verleiht dem Raum eine natürliche Gemütlichkeit und draußen trommelt der Regen an die Fenster.

Jede in der Gruppe stellt sich kurz mit Namen vor, alle sehen gut vorbereitet aus mit ihren engen Leggings, den schicken Sport-Shirts und adretten Pferdeschwänzen. Alle berichten, dass sie wirklich Glück haben mit der Schwangerschaft, sich wohl fühlen, keine Probleme haben, alles gut, alles toll.
Dann kommt die Reihe an eine junge Frau, die sich für die Stunde offensichtlich am Kleiderschrank ihres Mannes bedient hat. Auf ihrem hellgrünen Shirt prangt ein Aufdruck mit einem Comic-Faultier und dem Schriftzug "Just do it slowly". Sie ist die einzige, die kurz und knapp von den schlimmsten Einschränkungen und Problemchen während der ersten paar Monate berichtet.

Ihr erratet es - das bin ich.

Wir machen gemütliche Visualisierungsübungen, atmen ganz viel und konzentrieren uns auf Ruhe und Entspannung. Die Übungen sollen im Gegensatz zum normalen Yoga deutlich weniger fordern, sondern vor allem dehnen, weich machen und sanft stärken.

Überhaupt geht es ganz viel um Leichtigkeit, ums Loslassen und Atmen und... ja, NATÜRLICH muss ich als einzige hörbar pupsen vor lauter Entspannung! Als ich in der anschließenden Drehung auch noch (immerhin mit geschlossenem Mund und so..) auch noch rülpsen muss, ist die entrückte Stimmung empfindlich gestört - zumindest für mich.

Alles dran, alles drin

Der Termin beim Gynäkologen für das Organ-Screening steht an und damit auch der Moment der Wahrheit, in dem mein Gynäkologe erfährt, dass ich für meine restliche Betreuung nun zwei Parteien in Anspruch nehmen werde. Er reagiert auf seine gewohnte Art, zuckt also verbal mit den Schultern und führt die Untersuchung wie geplant durch.

Auf der schwarz-weißen Aufnahme führt er meinen Mann und mich durch das Innenleben unseres Knöpfchens. Augäpfel, Kleinhirn, Harnblase, Herz mit allen Kammern am richtigen Platz, Rücken und Bauch geschlossen. Summa summarum ist der Bauchbewohner also komplett und liegt mit seiner Entwicklung im Zeitplan. Inzwischen wiegt das Knöpfchen schon gute 500 Gramm und beansprucht ordentlich Platz. Meine kleine Murmel ist inzwischen richtig kugelig und zieht in der Öffentlichkeit manchen Blick auf sich.

Liebesakt mit Wal

Auch den meines Mannes. Bei einem kleineren Einkauf wandere ich schmökernd am Regal mit den Backwaren vorbei, als mein Mann neben mich tritt und leise sagt: "Ich weiß, du fühlst dich nicht danach, aber die Schwangerschaft steht dir. Du sieht total schön aus."
Das unerwartete Kompliment lässt mich einen Moment verdattert zurück. Und es erinnert mich daran, dass es dringend Zeit wird, mal wieder ein wenig Erotik aufkommen zu lassen. Wir sind zwar generell ein Paar, das relativ wenig Sex hat, aber das stört uns nicht, da wir über den Tag verteilt sehr viel anderweitig Körperkontakt herstellen, schmusen, uns küssen, liebevoll das Haar zausen oder die Wange streicheln. Tatsächlich bin "im normalen Alltag" eher ich diejenige, die Sex initiiert und mein Mann sagte mir vor längerer Zeit, als ich ihn auf eine längere Sex-Pause ansprach, dass er den Sex sehr genießt, aber dass das für ihn einen weit weniger hohen Stellenwert hat, wie zum Beispiel das gemeinsame Kuscheln am Morgen oder die kleinen Zärtlichkeiten im Alltag.

Nichtsdestotrotz halte ich Sex für wichtig und so starte ich ein wenig scheu ein paar Tage später ein paar (erfolgreiche) Avancen, als wir am Wochenende morgens gemütlich im Bett liegen. Ein wenig holprig geht es dann also zur Sache und ich merke, dass nun, wo mein Körper das Ganze an sich wieder zulässt, mein Kopf das größere Problem darstellt. Nein, ich habe keine Angst, das Baby im Bauch zu verletzen, aber die kleinen Knüffe und Tritte lenken mich schlichtweg ab und mit dem Kugelbauch fühle ich mich ungefähr so erotisch wie eine Seekuh.

Dass da außerdem im Wortsinn nun jemand Drittes zwischen uns steht, ist einfach ein merkwürdiges Gefühl und natürlich kommt hinzu, dass ich nicht halb so beweglich, geschweige denn ausdauernd bin wie sonst.

Dennoch schaffen wir es beide, uns zu entspannen und das kleine Intermezzo zu genießen und ich nehme mir fest vor, wieder mehr an uns auch als Liebhaber zu denken.

Nestwächter

Meinem Mann fällt es aus anderen Gründen schwer, zuerst Avancen zu starten. Er inzwischen sehr geübt in seiner Rolle als Nestwächter und so überwiegt einfach meistens sein Wunsch nach Fürsorge und liebevoller Pflege. Geduldig und sanft tröstet er mich, wenn mein Körper wieder überall zwickt und zwackt. Ohne dass ich viel sagen muss, errät er zielsicher meine Bedürfnisse - von profan ("Ich hab dir den Käse mitgebracht, den du so magst.") über schwierig ("Möchtest du gekuschelt werden? Ich seh doch gleich Tränen in deinen Augen.") bis zu allgemeinem Wohlbefinden ("Ich hab dir ein Bad eingelassen und einen Snack vorbereitet; du hattest vor deinem Heimweg geschrieben, dass du sowas jetzt brauchen kannst.").

Natürlich achtet er auch darauf, dass ich selbst gut auf mich aufpasse und als ich neulich ohne viel Nachdenken einen Träger Wasser in die Küche bringen wollte, fing ich mir einen freundlichen, aber bestimmten Tadel ein ("Mehr als fünf Kilo solltest du nicht - das hier wiegt neun. Bitte lass sowas stehen...").

Hin und wieder schaut er mich mit entzückten Augen an und ruft aus "Wir bekommen ein Baby, das ist so krass!" und ich bin froh, dass ich nicht die einzige bin, die manchmal völlig unvermittelt von dieser Erkenntnis getroffen wird.

Tatsächlich bin ich für seine wachsame Pflege noch einmal besonders dankbar, weil ich weiß, dass er gerade eigentlich noch mit ganz anderen Baustellen zu kämpfen hat. Neben der noch immer laufenden Bewerbungsmaschinerie ist er auch gesundheitlich nicht wenig geplagt, was nachts immer häufiger längere Atemaussetzer auslöst, aber bis Januar leider schlicht ausgesessen werden muss.

"Sie bestimmen, wie Sie das machen möchten."

Der zweite Besuch im Hebammenhaus läuft ebenso entspannt ab wie der erste. Ich fühle mich sehr gut aufgehoben und auch diese Hebamme begegnet mir freundlich, sympathisch und professionell.
Dass das Thema Selbstbestimmtheit hier groß geschrieben wird, ohne dass man alleingelassen wird, habe ich ja schon berichtet. Aber erst so langsam stellt sich das auch wirklich als Erkenntnis bei mir ein. Im Laufe des Gesprächs fragt mich die Hebamme, wie lange ich noch berufstätig sein werde.

"Bis zum Mutterschutz; Ende Januar", antworte ich und verziehe leicht das Gesicht.
"Geht es dir noch gut damit?", hakt sie nach und schaut mich forschend an. Die Frage trifft mich unvermittelt und so verhasple ich mich und antworte ausweichend.
"Naja, es gibt schon so einige Tage, an denen ich mir wünschte, der Mutterschutz würde schon losgehen. Die Arbeitstage werden oft gefühlt sehr, sehr lang und ich kann ja mittags nicht mal eben ein Nickerchen machen. Da reicht manchmal der Nachtschlaf nicht aus, um das abzufangen, sodass ich dann wirklich sehr müde bin."
"Wenn du dich nicht mehr wohlfühlst, dann hör darauf und geh zu deinem Gynäkologen oder deinem Hausarzt", sagt sie.
"...mein Gynäkologe würde mich wohl erst krank schreiben, wenn mir das Blut die Schenkel herunterläuft", schnaube ich. "Schwangerschaft ist schließlich keine Krankheit, sondern ein Zustand", zitiere ich ihn.
"Aber unser Hausarzt würde darauf eingehen", schaltet sich mein Mann in das Gespräch und die Hebamme nickt zustimmend.

Ich merke, wie ich diese Möglichkeit gar nicht in Betracht gezogen habe. "Wenn das gesundheitliche Wohl von Mutter oder Kind beeinträchtigt wird", habe ich noch ungefähr die Fomulierung der Vorschriften im Kopf. Und da meine Schwangerschaft ja gerade für das Knöpfchen wie im Bilderbuch verläuft, war ich davon ausgegangen, dass ich mich die Zeit bis Ende Januar irgendwie durchbeißen muss, solange eben das Kind nicht gefährdet ist. Erschöpfung oder Stress als Grund, um früher auszuscheiden..?

Ein "Doc Holiday"-Typ war ich noch nie und werde es auch jetzt nicht werden. Aber die Erkenntnis, dass ich zumindest versuchen kann, mir Pause zu verschaffen, wenn es nötig sein sollte (ohne Blut an den Schenkeln...), einfach, weil ich mich nicht gut fühle... Das gibt mir gedanklichen Spielraum, der mir überraschend gut tut.

Auch im weiteren Gesprächsverlauf betont die Hebamme immer wieder, dass alles, was sie hier erzählt, Möglichkeiten sind und dass ich allein entscheide, was ich möchte. Wechselseitige Betreuung von Gynäkologe und Hebammen? Gabe von Vitamin K? Möchte ich lieber ins grüne Zimmer oder ins orangefarbene für die Geburt?

"Sie bestimmen, was Sie machen möchten."

Diese Worte und das Wissen, dass sie in diesem Umfeld ernst gemeint sind, stärken mich im Geiste.
 
Loomis
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  • #10
Vorab - es gibt uns noch und alle Beteiligten sind wohlauf! :winkwink:
Es wechselten sich einfach nur Phasen ab von "Ich kann jetzt nicht SCHON WIEDER den gleichen Müll ins Internet kotzen..." und "Lass mich, ich will nix, ich bin müde."

Nach bestem Wissen und Gewissen werde ich jetzt aber rückblickend noch ein paar "Meilensteine" vermerken, denn immerhin sind wir schon langsam auf der Zielgeraden...!
[doublepost=1551448706,1551443613][/doublepost]27. - 29. Woche - vorbildliche Vorbereitung

Die ersten Termine für den Geburtsvorbereitungskurs stehen an. Ich habe mich für einen Kurs im Geburtshaus entschieden, der aus insgesamt vier Terminen besteht. Zwei davon finden mit Partner statt.

In einem großen Raum sind an allen Wänden Matten und jede Menge Kissen bereitgelegt worden. Mit der mir inzwischen eigenen Wal-Eleganz lasse ich mich auf einem freien Platz nieder und frage mich, ob ich das Kleidungs-Memo schon wieder verpasst habe (siehe auch Yoga-Kurs), denn bis auf eine Person haben alle Damen Leggings und dicke Socken an, während ich in meiner Jeans auf den Kissen throne. Stumm bete ich, dass wir hier jetzt nicht direkt irgendwelche Haltungen und Gestöhne üben müssen.

Durch den Kurs führt eine Hebamme, die (wie die meisten, die im Geburtshaus arbeiten) auch selbst Kinder hat. Sie betont immer wieder, was für ein kraftvolles und lebensveränderndes Erlebnis die Geburt ist, was für eine wundervolle Erfahrung. Derweil rutsche ich schon nach wenigen Minuten unruhig herum, weil ich trotz Kissen-Nest einfach keine bequeme Haltung auf dem Boden finde. Ich schaue mir die übrigen Teilnehmerinnen an und hoffe während der Feel-Good-Rede der Hebamme, dass keine ungewollt Schwangere dabei ist, denn als solche hätte zumindest ich mich spätestens jetzt sehr fehl am Platz gefühlt.

Anschließend findet - natürlich - eine kleine Vorstellungsrunde statt und ich kann mir gerade noch ein genervtes Stöhnen verkneifen. Wir sollen kurz unsere Namen nennen, das wievielte Kind es ist und was wir uns von dem Kurs erhoffen. Wie es eigentlich immer so ist, murmelt jede in der Runde die gewünschten Fakten herunter und es herrscht allgemeine Verlegenheit (mal im Ernst - wieso muss man sich bei jeder noch so kleinen Veranstaltung erstmal durch diesen Vorstellungsmist quälen?? NIEMAND mag das!).

Einige harte Fakten hat die Hebamme aber zum Glück ebenfalls dabei. Sie erklärt die verschiedenen Phasen der Geburt, erzählt von den unterschiedlichen Hormonen und ihrer Wirkung.

Nachdem die Hälfte der Veranstaltung um ist, werden wir in einer Pause dazu ermutigt, uns gegenseitig auszutauschen und zu netzwerken. Ich fühle mich einfach nur unfassbar unwohl, will nach Hause und mit niemandem sprechen. Irgendwo her zaubere ich tapfer ein (hoffentlich) Pokerface her, stelle mich mit meinem Glas Wasser zu einem offenen Grüppchen dazu und klinke mich nach einiger Zeit erfolgreich in das Gespräch ein. Es liegt wirklich nicht an den Frauen, aber ich kann mich einfach nicht dazu bewegen, tieferes Interesse aufzubringen und bin froh, als die Pause um ist und ich wieder still auf meinem Platz sein kann.

Am Ende der Veranstaltung schlüpfe ich in Rekordzeit in meine Klamotten und verlasse fluchtartig das Geschehen. Leider (in dem Fall) habe ich schon seit geraumer Zeit vor Beginn meiner Schwangerschaft angefangen, mich aus Interesse mit dem Thema zu beschäftigen, sodass die Veranstaltung wenig Neues an Information für mich bereithielt. Zurück bleibt vorerst nur die Befangenheit über die Erwartung, spontan mit einem Haufen fremder Leute sozialisieren zu müssen und selig nickend über das Wunder von Schwangerschaft und Geburt zu nicken.

Zweiter Termin - touchy-feely

Der nächste Kurstermin steht an und meine Begeisterung hält sich nach wie vor sehr in Grenzen - was aber vor allem auch an der Uhrzeit liegt, denn ich komme vor lauter Arbeit momentan gerade so um kurz vor 18 Uhr heim und bin dann eigentlich durch mit dem Tag. Der Kurs startet allerdings schon um 19 Uhr, sodass gerade mal Zeit für ein Abendessen bleibt, bevor ich wieder los muss.

Bei diesem Termin geht es dank Nachfrage einer Teilnehmerin zum Glück endlich mal ans Eingemachte - wir sprechen über Fäkalien. Die Hebamme schaut erst ein wenig unbehaglich, sagt dann aber "Eigentlich ganz gut, dass wir das Thema heute noch ansprechen, bei den nächsten Terminen sind ja die Männer dabei. Eigentlich wollte ich heute über die Bewegung des Kindes im Becken unter der Geburt besprechen, aber das passt ja dann, wenn wir so ein technisches Thema für die Männer aufheben." Mir kräuseln sich dezent die Nackenhaare. Bei aller Liebe - ich kann über solche Klischeewitze einfach nicht lachen und es geht mir gehörig auf den Geist, wenn den Männern(TM) kollektives Desinteresse und Hilflosigkeit an Schwangerschaft und Geburt unterstellt wird. Und mir tun die Frauen leid, deren Männer ein Thema wie "Körperausscheidungen bei der Geburt" nicht ertragen, sollte es diese in unserer Runde hier überhaupt geben.

Zurück zum eigentlichen Punkt. Wie vermutet machen die Hebammen unter der Geburt da keine Sache draus, sind mit Handschuhen und Tüchern ausgestattet und darauf bedacht, diskret zu entfernen, was eben so unkontrolliert an- bzw abfällt. Als ich höre, dass es sogar einen kleinen Kescher gibt für entsprechende Vorkommnisse in der Geburtswanne, muss ich über den Pragmatismus sogar ein bisschen lachen.

Wir sprechen im Laufe des Kurses noch viel über die Themen Schmerzen und wie damit umgegangen kann und dann kommt der für mich unangenehmste Teil: Wir sollen für eine Atemübung mit einer Partnerin zusammengehen - "Wenn das okay für euch ist" (Ich liebe ja so pseudo-offene Fragen, ne?). Natürlich haben sich in Windeseile Paare gefunden, sodass neben mir nur noch eine weitere Frau übrig bleibt. Ich bringe es einfach nicht über mich, unter diesen Umständen zu sagen, dass ich nicht möchte, denn noch weniger möchte ich, dass die übrige Frau sich zurückgewiesen fühlt oder gar glaubt, es wäre wegen ihr. Also tapse ich zu ihr herüber und lasse das Fest der Peinlichkeiten beginnen. Wir sollen uns gegenseitig zwischen den Schulterblättern, im Nierenbereich und zu guter Letzt (ich raste noch aus) auf Höhe des Schlüsselbeins an der Brust und unterhalb des Bauches berühren. Die berührte Person soll dann in diese Gegend hinatmen. So stehe ich also da, betatsche den Ausschnitt dieser fremden Frau und will einfach nur davonlaufen.


Generell bin ich einfach keine Person, die schnell unbefangen mit Leuten warm wird (Obacht, hier kommt der große Plottwist.... nicht). Ich bin schüchtern und "socially awkward" und ich bin schon seit meiner Kindheit kein Fan von viel körperlicher Nähe. Die einzige Ausnahme ist mein Partner. Selbst Freunde kann ich zwar umarmen, aber herumkuscheln oder ähnliches funktioniert einfach nicht, ich fühle mich damit nicht wohl, egal, wie glühend meine platonische Liebe zu der Person ist oder wie lange wir uns schon kennen. Ich weiß, dass das an mir liegt und nicht an den jeweiligen Leuten, aber es ändert nichts an der Tatsache, dass "Geh zu dieser fremden Frau und berühre Teile ihrer nackten Haut" bei mir den absoluten Sozial-Horror darstellen.

Zu guter Letzt gibt es noch eine kleine Atemübung und eine abschließende Diskussionsrunde für offene Fragen. Hauptsächlich werden Schmerzen und andere Unnanehmlichkeiten besprochen und fast ausnahmslos als normal eingestuft, sodass es schließlich aus mir herausplatzt: "Was ist denn das eigentlich für ein selten blödes Konzept, dass alle guten Anzeichen sich blöd anfühlen?? Übelkeit? Super, das heißt, die richtigen Hormone werden produziert! Schmerzen in Gebärmutter, Steiß, Becken? Prima, dein Körper bereitet sich vor! Das ist doch SCHEIßE!"

Einen kurzen Augenblick ist Stille, dann müssen alle Beteiligten lachen und wir tragen gemeinsam schimpfend weitere lästige Schwangerschaftsbegleitungen zusammen, bevor sich die Kurszeit ihrem Ende neigt.


Weihnachten mit Wal

Ganz überraschend und natürlich höchst besinnlich steht mal wieder Weihnachten vor der Tür. Da die Familie diesmal allerdings einstimmig beschlossen hat, dass wir uns wirklich, WIRKLICH nichts schenken ("Wehe, ihr meint das nicht ernst! Wir bringen wirklich keine Geschenke mit! Auch keine Kleinigkeiten!!"), wird die Zeit deutlich weniger stressig als sonst.

Geplant ist eine Feier mit allen Eltern bei meiner Familie im Harz und nach zuletzt wenig erbaulichen Geschehnissen bei der hiesigen Tierpension muss die fusselige Mitbewohnerin wohl oder übel die 600 km Strecke mit uns zusammen absolvieren. Sie bekommt einen Transportkorb für kleinere Hunde, ein kleines Katzenklo, Plüschdecke, wir nehmen unser eigenes Bettzeug mit für den vertrauten Geruch, ihr Körbchen, ihr Futter und plötzlich ist das Auto bis unters Dach voll und wir sind extra dankbar für die Keine-Geschenke-Agenda... In gewisser Weise bereiten Haustiere wohl doch ein Stück weit auf die Verantwortung und Umstände mit Kindern vor.

Die lange Fahrt (über 7 Stunden) ist für mich ziemlich anstrengend und wir müssen ob der inzwischen bedauernswert lächerlichen Füllkapazität meiner Blase regelmäßig Rasthöfe anfahren. Bei dem Wetter und in meinem, sagen wir, nicht ganz so standfesten Zustand mit Kugelbauch weigere ich mich, die Toiletten auf regulären Rastplätzen zu nutzen oder mich in die Büsche zu hocken.

Als wir ziemlich gerädert (aber mit verhältnismäßig entspannter Katze, wer hätte das gedacht?) bei meinen Eltern eintreffen, ist die Aufregung seitens der Familie groß. Mein Vater ist am gleichen Tag noch aus dem Krankenhaus gekommen und düst nun mit Rollstuhl durch das Haus, meine Mutter ist begeistert über den Kugelbauch und ruft mir empört hinterher "Aber von hinten sieht man ja GAR NIX!!". Witzigerweise ist meine ganze Familie über die Feiertage sehr lieb und respektvoll; mein Bauch ist nicht permanent Thema, die Neckereien halten sich in Grenzen und bleiben freundlich. Einzig meine Schwiegermutter bringt es fertig, zuerst den Bauch zu begrüßen (und anzufassen) und dann mich.

Meine Mutter fragt schließlich, ob sie mal fühlen darf, meinem Vater und meinem Bruder muss ich es sogar aktiv anbieten, weil man sich nicht traut, zu fragen und so herrscht schließlich allgemeine Entzückung über das rege Baby in meinem Bauch (mein Bruder wischt sogar verstohlen ein, zwei Tränchen weg).

Wir werden höchst umfangreich mit Essen versorgt und ich bin leider nach wie vor sehr viel müde, sodass ich oft Nickerchen halte. Hat allerdings auch etwas Gutes, denn meine Mutter hat (eigentlich) sehr genaue Pläne, wen ich denn noch alles besuchen soll, wenn ich schon da bin. Diese Pläne werden allerdings stoisch von mir weggeschlafen. Wir sind nur ein paar Tage hier, ja. Aber irgendwie fehlt mir die Lust auf eine Odyssee durch die Nachbarorte, um irgendwelche Verwandten und Bekannten zu besuchen, von denen meine Eltern meinen, dass sie mich mal wieder sehen sollten.

Insgesamt haben wir viel Spaß (und noch mehr Essen...!), aber wir sind doch froh, als wir wieder zusammenpacken und heimfahren, um noch ein bisschen Zweisamkeit zu verbringen, bevor unser Silvesterbesuch eintrudelt.
 
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