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Schule Unglücklich mit Alltag/Job

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Benutzer70435  Verbringt hier viel Zeit
  • #1
Objektiv betrachtet könnte ich mit meinem aktuellen Leben mehr als zufrieden sein. Ich habe einen guten Job, nicht zwingend Marke "Traumberuf", aber interessant, ich komme fachlich bestens zurecht, das Betriebsklima ist sehr angenehm und Zukunftperspektive hat meine Arbeit auch.
Subjektiv betrachtet allerdings fühle ich mich mitten in der Hölle angekommen.

Ich arbeite jetzt seit ungefähr 4 Jahren Vollzeit. Davor bin ich ein bisschen planlos umhergetingelt was das angeht. Ich habe zwar immer irgendwas gemacht, war nur eine kurze Zeitspanne mal wirklich arbeitslos, aber das war alles eben auf Teilzeitbasis, Aushilfsarbeit oder Kurse, Ausbildung (schulisch), was auch immer. Das Geld fiel mir so natürlich nicht in Hülle und Fülle in den Schoß, manchmal nagte die mangelnde Zukunftsperspektive an mir, natürlich. Doch insgesamt hatte ich vor allem eins, was mir immer sehr wichtig war und was mich glücklicher gemacht hat, als es die Geregeltheit meines aktuellen Lebens je könnte: Zeit für mich selbst.

Theoretisch habe ich die jetzt natürlich auch noch, jedenfalls so wie jeder andere Arbeitnehmer auch. Ich arbeite eine normale Stundenzahl, muss kaum mal Überstunden schieben. Trotzdem scheine ich die Zeit, die mir neben der Arbeit bleibt, überhaupt nicht mehr nutzen zu können.

Wie schon erwähnt, ich mag meinen Beruf. Die Arbeit, die ich mache, geht mir leicht von der Hand, ist angenehm. Das Problem liegt mehr darin, dass sie mich schafft, nervlich, nicht körperlich. Also nicht die Arbeit, meine Aufgaben an und für sich, sondern viel mehr das Arbeiten-gehen-müssen, das Beschäftigt-, Konzentriert-sein.
Ich halte die täglichen Stunden noch relativ gut aus, doch danach falle ich in mir zusammen. Ich bin müde, kann nicht mehr denken, möchte mich ausruhen. Die Wochenenden sind kaum nutzbar, da auch sie für mich zur Ruhefindung nötig sind. Und sobald ich gegen Sonntagabend wieder ein bisschen zu mir komme, geht der Spaß am Montag direkt wieder von vorn los.

Ich bin ein vielseitig interessierter Mensch. Lesen und Schreiben gehörten schon immer zu meinen erklärten Leidenschaften. Auch bin ich gern mal unterwegs, feiern. Ich führe eine stabile, schöne, emotionsintensive Beziehung, habe einen kleinen, netten Freundeskreis, ein wunderbares Hobby und bin sozial engagiert in einem Bereich, der mir am Herzen liegt. Ich versuche das alles weiterzuführen, es nicht hinter meinem Erholungsbedürfnis zurückfallen zu lassen, doch so richtig funktioniert das nicht. Ich bin nicht mehr wirklich dabei, bin irgendwie zu lethargisch geworden durch den "Stress", den ich im normalen Alltag empfinde, ich bringe einfach nicht mehr die Begeisterung auf, die ich früher immer in mir trug und die ich geliebt habe, die den Reiz des Ganzen ausgemacht hat. Zudem sind da noch einige Ideen, die ich gern in mein Leben integrieren würde, für die ich so aber niemals werde Platz schaffen können.
Es ist, als würde sich meine Persönlichkeit langsam, aber stetig auflösen. Wenn ich daran denke, dass mein Leben noch für viele Jahre so weitergehen wird, wird mir fast körperlich übel.

Mein Umfeld kann dieses Problem nicht verstehen. Vielleicht schaffe ich auch nicht, deutlich genug zu vermitteln, worum es mir geht. Wenn ich mir die Situationen anderer Leute anschaue, dann weiß ich, dass ich es jobtechnisch wirklich gut getroffen habe. Und ich würde mich auch nicht unbedingt als faule Person bezeichnen, ich bin zugegeben nicht sonderlich ergeizig, wenn ich eine Sache mache, dann bin ich allerdings voll dabei und bringe mich ein. Auch ist es nicht daran, dass ich gar nichts machen möchte. Arbeitslosigkeit wäre ebenfalls nichts für mich, ideal wäre eben eine reduzierte Stundenzahl, bei der ich beides haben kann, den Job und genug Freizeit, um mich als Person frei entfalten zu können.

Ich würde gern ein paar Meinungen dazu hören. Woran kann eine solche Unfähigkeit, mit einem Alltag zufrieden zu sein, der doch eigentlich vollkommen im "Normalbereich" liegt? Ist das ein psychisches Problem?

Und vor allem hätte ich gerne Tipps, wie ich damit in Zukunft umgehen kann. Für irgendeine Richtung muss ich mich schließlich einmal entscheiden, entweder ich gebe meinem Empfinden nach, versuche mich mit einer halben oder Dreiviertelstelle über Wasser zu halten und führe ein Privatleben, das mich glücklich macht oder ich setze auf den Gewöhnungseffekt, hoffe, dass sich mein Empfinden dazu irgendwann ändert und suche nach Möglichkeiten für ein besseres Zeitmanagement, effektivere Erholungsphasen etc.

Ich bin dankbar für jegliche Rückmeldung, auch Kritik.
 
Shiny Flame
Benutzer42813  (41) Beiträge füllen Bücher
  • #2
Mein Tipp ist ganz klar die Teilzeitstelle, also halb oder Dreiviertel.

Insbesondere und gerade, weil du gerne liest und schreibst :zwinker:. Ich habe selbst harte Kämpfe hinter mir, um mir zuzugestehen, dass ich so bald wie möglich eben auch Stunden reduzieren will, damit ich endlich regelmäßig Zeit und Kraft und Ruhe einmal für mich, aber vor allem auch fürs Schriftstellern finden kann.

Wem willst du etwas damit beweisen, dass du voll arbeitest, wenn du mit einer halben Stelle doch viel glücklicher wärest?

Letztlich werden die Leute, die Stunden reduzieren und ein glückliches Leben haben dadurch, zwar nicht befördert, aber viele denken sich heimlich dann doch "die machts richtig". Dieses "jeden Tag Acht Stunden zur gleichen Zeit" ist an und für sich sehr unmenschlich, wir sind für so was nicht geschaffen, diese Form von Arbeitszeiten wurde überhaupt erst erfunden, als es nötig wurde, dass Menschen Maschinen bedienen und für ihre unmenschlichen Dienstherren ständig zur Verfügung stehen. Und die ersten Fabrikarbeiter, die als Erwachsene dahinkamen und noch einen anderen Lebensrhythmus kannten, der natürlicher war, waren einfach nicht in der Lage, sich an dieses "geregelte ARbeiten" zu gewöhnen. Erst die nächste Generation, die schon als Kinder in den Fabriken arbeitete oder in der passenderweise während der Industrialisierung eingeführten allgemeinen Schule für alle zu solchen regelmäßigen Uhrzeiten erzogen wurde, war zu einem solchen biologisch höchst unnatürlichen kontinuierlichen Schichtarbeiten in der LAge.

Natürlicher ist ein Wechsel von harter, konzentrierter Arbeit und ebenso konsequenter und konzentrierter Faulheit. Und mit einer reduzierten Stelle kommst du dem natürlichen Rhythmus deutlich näher.

Wer weiß, vielleicht verkaufst du irgendwann als Schrifstellerin Texte und kannst damit den Verdienstausfall ausgleichen?
 
R
Benutzer70435  Verbringt hier viel Zeit
  • Themenstarter
  • #3
Mein Tipp ist ganz klar die Teilzeitstelle, also halb oder Dreiviertel.

Insbesondere und gerade, weil du gerne liest und schreibst :zwinker:. Ich habe selbst harte Kämpfe hinter mir, um mir zuzugestehen, dass ich so bald wie möglich eben auch Stunden reduzieren will, damit ich endlich regelmäßig Zeit und Kraft und Ruhe einmal für mich, aber vor allem auch fürs Schriftstellern finden kann.

Jemand, der mich versteht :zwinker: Das Schreiben ist einer der elementarsten Punkte, die mir in meinem jetzigen Leben fehlen. Ich schreibe natürlich noch, nur leider viel zu wenig, als dass es mich auch nur annähernd befriedigen könnte. Dieses Gefühl, wenn es einfach nur aus einem heraussprudelt, sich quasi von selbst formuliert, wenn man noch Monate später sich selbst wortgenau zitieren kann und bei jedem Gedanken an einen seiner liebsten Texte verklärt lächelnd durch die Gegend wankt - ich will das wieder öfter haben, ich MUSS es wieder öfter haben.
Zudem habe ich eine Buchidee, an deren Verwirklichung mir ungemein gelegen ist. Und sei es auch niemals zur Veröffentlichung, ich will es einfach zuende geschrieben haben. Der Gedanke, das vielleicht komplett zu verpassen, ist... fürchterlich traurig.

Wem willst du etwas damit beweisen, dass du voll arbeitest, wenn du mit einer halben Stelle doch viel glücklicher wärest?

Leider spielt diese Frage eine Rolle. Es ist mein Leben, natürlich, es sollte mich nicht so sehr interessieren, ob Andere eine solche Entscheidung vielleicht nicht gutheißen. Ich bin da aber irgendwie noch leicht zu beeinflussen.
Mir gefällt der Stolz meines Umfeldes, dieses "Das hast du super hinbekommen, Ruby". Gerade weil ich früher eben so unstet war, was viel Kritik mit sich brachte, geht eine solche Anerkennung runter wie Butter.
Zudem wird mein Problem (auch familiärerseits) eben oft mit Faulheit gleichgesetzt. Ich weiß nicht, ob ich es nicht eindringlich genug schildere oder ob diese Menschen es einfach nicht nachvollziehen können, weil sie mit einem ähnlichen Leben sehr zufrieden sind. Und weil es sich nun mal "so gehört". Manche sagen: "Da musst du eben durch", andere sagen: "Dann lass dich halt schwängern und werd Hausmütterchen"...mit abwertendem Unterton versteht sich.
 
Shiny Flame
Benutzer42813  (41) Beiträge füllen Bücher
  • #4
Ich versteh dich so gut... All diese Sachen hab ich auch gehört!

Aber noch einmal: Warum muss es denn jemand von außen nachvollziehen? Das ist etwas, was ein kleines Mädchen sich wünscht: Bitte, Mama und Papa, erlaubt mir doch endlich, dass ich auf Teilzeit gehe!

Ich darf das sagen, weil ich selbst auch schon sooooo oft so gefühlt habe :zwinker:.

Andere müssen das nicht nachvollziehen können. Du bist so, andere sind anders. Ich finde gut, wie du bist :zwinker:. Dann bin ich nicht ganz und gar alleine damit.

***

Ich glaub, man kriegt im Leben einfach nie eine wirkliche Erlaubnis dafür, sein Leben als Original zu verbringen und nicht als Kopie. Die Erlaubnis muss man sich irgendwann selbst geben. Mich hat das ganze mal so krank gemacht, dass ich daran wirklich psychisch erkrankt bin. Irgendwann muss man einfach das tun, was richtig für einen ist.

Klar, wenn man beruflich erfolgreich ist und Status gewinnt, dann sind die Eltern stolz und sagen einem das auch, schließlich gewinnen sie selbst an Status.

Aber: Wenn man wirklich sein eigenes Leben lebt, so wie es sich richtig anfühlt, wenn man dann aufblüht und auf eine Weise vollständig wird, wie die anderen sich das vorher gar nicht vorstellen konnten - dann sind die Eltern irgendwann auch stolz. Irgendwann. Jahre später. Meine Mutter erzählt inzwischen manchmal Freundinnen stolz, dass ich Schriftstellerin bin. Wegen einer Lesung meiner Schreibwerkstatt, von der wir ein Buch gemacht haben, was ich ihr geschickt habe.

Wenn man irgendwann seine eigenen Entscheidungen trifft, wird es manche Menschen geben, die einen dafür ablehnen.

Aber: Es gibt auch Menschen da draußen, die einen als graue JA-Sagerin total uninteressant finden und einen niemals beachten würden - Menschen, für die man auf einmal interessant wird, wenn man ein eigenes Profil entwickelt. Das sind Menschen, die man erst treffen wird, wenn man die ersten Schritte in ein selbstbestimmtes Leben macht.

Wenn es einem so wichtig ist, dass das Umfeld einen lobt, dann kann man tatsächlich auch nur so leben, wie das Umfeld von einem erwartet. Viele machen das, und angeblich sind sie nicht mal besonders unglücklich damit. Vielleicht kannst du das auch.

Aber ganz ehrlich: Wenn du deine jetzige sichere Stelle zumindest erst mal in eine 3/4-Stelle verwandelst - wie unvernünftig ist das wirklich? Du behälst doch die Krankenversicherung, die Sicherheit zum Miete zahlen und die finanzielle Selbstständigkeit. Das ist es, was deine Eltern sich für dich wünschen, und das kann man irgendwie ja nachvollziehen.

Und ob du dir jetzt super teure Luxusmöbel zusätzlich dazu leisten willst, indem du voll arbeitest, oder ob du lieber zu malen anfängst und regelmäßig glücklich in der Sonne liegst, weil du die Zeit dafür hast, das ist doch dann wirklich deine eigene Entscheidung - oder nicht?

***

Ach ja, ich finde, es ist niemals verkehrt, Zeit damit zu verbringen, in der Sonne zu liegen. Das ist keine Faulheit, sondern Altersvorsorge. Wenn man in vielen Jahren in einem miesen Pflegeheim liegt, kann man sich an die Sonne auf der jungen Haut umso besser erinnern, je mehr man sie bewusst genossen und erlebt hat. Die ganzen Finanziell-Absicherer denken auf andere Art an ihre Altersvorsorge, und das sei ihnen zugestanden.

Aber in der Sonne liegen und glücklich sein ist keine Faulheit, sondern genauso wichtige Altersvorsorge wie Geld für die Rentenversicherung zu verdienen.
 
Shiny Flame
Benutzer42813  (41) Beiträge füllen Bücher
  • #5
Ach ja: Schreib das Buch. Wenn es dein erstes ist, wird es wahrscheinlich nicht gut genug für eine Veröffentlichung sein - das war mein erstes auch nicht. Aber inzwischen arbeite ich an meinem dritten Versuch - und bei dem wird es klappen.

Schreib deines auch. Die Welt wäre sonst ärmer.
 
unklar
Benutzer98976  Sehr bekannt hier
  • #6
Ich sehe auch nicht viel Sinn darin, dass Du täglich 8 Stunden durchpowerst, jahrelang, und Dich damit nur unglücklich machst. Dann steckst Du irgendwann im Burnout oder in der persönlichen Lebenskrise oder beides zusammen. Ich würde meinem Umfeld einfach klar und in einem Tonfall, der keine Einwände zulässt, mitteilen, dass ich nur noch auf 3/4 oder halber Stelle arbeite. Aber auch nur auf Nachfrage, denn es ist Deine Entscheidung und die triffst Du ohne Riesenankündigung. Dein Freund sollte Bescheid wissen, weil ihn das eben direkt betrifft, aber sonst? So viele Muttis arbeiten 20 Jahre lang auf halber Stelle, da ist es okay, weil sie einem angeblich 'alten' Rollenbild angehören und sich ja so für ihre Familie aufopfern. Du sollst das nicht machen dürfen, nur weil Du Dich um Dich kümmern möchtest? Ich glaube, da spricht der pure Neid, weil man es selbst gern so täte, sich aber nicht traut.

Hättest Du jetzt erst seit 3-4 Monaten Vollzeit gearbeitet, hätte ich gesagt, Du musst Dich noch eingewöhnen. Aber wenn das schon 4 Jahre so geht - dann bist Du eben ein Mensch, der anders damit zurecht kommt als die Anderen. Ist völlig okay so, so lange Du über die Runden kommst mit Deinem Geld.
 
KillerBee
Benutzer105247  Sehr bekannt hier
  • #7
Ich kann dir leider keinen Rat geben. Ich kenne dein Problem allerdings nur zu gut und kann zu 100% nachempfinden wie es dir geht :frown:
Mein Job ist sicher gut bezahlt bla bla, Aufgaben sind eigentlich auch nicht schwer - Es stesst mich nur fürchterlich jeden Tag von 9-18 Uhr immer hier sein zu müssen und ich weiß eigentlich noch nicht mal so wirklich warum. Ich werde immer unmotivierter und habe morgens immer Angst diesen Tag wohl nicht zu überstehen.

@Shiny Flame
Dieses "jeden Tag Acht Stunden zur gleichen Zeit" ist an und für sich sehr unmenschlich, wir sind für so was nicht geschaffen

Darf ich fragen wie du das genau meinst? Was wäre denn ein "natürlicher" Rhythmus?
Du erweckst gerade die Hoffnung in mir, vielleicht doch gar nicht so unnormal zu sein ...
 
Shiny Flame
Benutzer42813  (41) Beiträge füllen Bücher
  • #8
@ Shiny Flame Shiny Flame


Darf ich fragen wie du das genau meinst? Was wäre denn ein "natürlicher" Rhythmus?
Du erweckst gerade die Hoffnung in mir, vielleicht doch gar nicht so unnormal zu sein ...

Bei den Naturvölkern ist es meines Erachtens so, dass Phasen extremer Tätigkeit (Hausbau, Jagd, Ernte oder Aussaht) mit Phasen extremer Faulheit abwechseln. Wenn jemand einen wirklich schönen Krug machen will, arbeitet er vielleicht auch mal einen Tag fünfzehn Stunden daran - und wenn der Krug dann fertig ist, macht er den nächsten Tag vielleicht nichts, oder er geht auf die Jagd, wenn das Wetter dafür geeignet ist und er Hunger auf frisches Fleisch hat oder so...

Warum soll man auch nicht so leben?

Auch im Mittelalter und in der Zeit danach war es in vielen Bereichen nicht unüblich, eben zwischen extremer Tätigkeit und extremer Faulheit hin und her zu schwanken. Gut, die Burgköchin musste jeden Tag um die gleiche Zeit kochen, das Gesinde musste das Vieh jeden Tag in aller Herrgottsfrühe melken, aber... die Ernte war im Sommer, dann wurde extrem hart gearbeitet. Im Winter konnte man eben nicht viel machen. Die Handwerker wurden nach Leistung bezahlt, nicht nach Arbeitszeit, und keiner fragte danach, ob jemand an einem Tag bis spät in die Nacht bei Kerzenlicht schuftete oder am nächsten Tag nur die Hälfte der Zeit arbeitete.

Ein Tagebuch eines Webers aus der Zeit vor der Industrialisierung, von dem ich in der "Anleitung zum Faulsein" oder so ähnlich gelesen habe, zeigt, dass der gute Mann an einem Tag ganze neun Yards mit der Hand auf seinem Webrahmen schaffte und am nächsten Tag nur zwei Yards, dafür aber einige Ausbesserungen am Haus vornahm, wieder an einem anderen Tag fünf Yards schaffte und abends mit den Nachbarn ein nettes Schwätzchen hielt...

Warum denn auch nicht? Warum soll er jeden Tag genau fünf Yards weben, nicht mehr und nicht weniger, und die Ausbesserungsarbeiten am Haus dann an jedem Abend nur eine halbe Stunde lang weiterarbeiten, statt es alles an einem Tag zu machen und dann damit richtig zufrieden zu sein?

Erst mit der Industrialisierung entstand die höchst seltsame Idee, dass ein Mensch jeden Tag für einen Großteil seiner Zeit an ein und der selben Sache arbeiten sollte, und dann jede einzelne Stunde ein gleichbleibendes mittleres Arbeitslevel fahren wird. Wenn man darüber nachdenkt, ist klar, dass die Bedienung von Web- oder Spinnmaschinen tatsächlich so etwas erfordert. Es ist also ein "unnatürlicher Rhythmus", der eben aus der Notwendigkeit entstanden ist, die Maschinen zu bedienen. Den Maschinen zu dienen, wenn man es bösartig formuliert.

Und es war tatsächlich so, dass eine der wichtigsten Aufgaben der Volksschule in ihren Anfängen war, den Menschen aus dem einfachen Volk die Selbstdisziplin beizubringen, die nötig ist für diesen seltsamen Vorgang, jeden Tag um die gleiche Zeit aufzustehen, das Haus zu verlassen und an einem Arbeitsplatz eine Leistung zu erbringen, die nichts mit einem selbst zu tun hat. Etwas, auf das von alleine niemand kommen würde. Künstler und Selbstständige machen es heute noch nicht so, die arbeiten je nach Auftrags- und Kräftelage manchmal mehr, manchmal weniger, oft stecken sie mehr Zeitstunden in ihre Arbeit als die Angestellten, aber sie arbeiten dann eben projektgebunden. Das ist ein deutlich natürlicherer Arbeitsrhythmus.

***

Im Nachtrag fällt mir noch ein, dass auch viele Studenten es so machen - die arbeiten nicht jeden Tag genau acht Stunden für die Uni, sondern machen sich manchmal faulere Wochen und klotzen dann richtig ran, wenn der Abgabetermin für die Hausarbeit näher rückt. Auch das ist in meinen Augen ein Hinweis darauf, dass ein solcher Arbeitsstil für uns eigentlich "natürlicher" ist.
 
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LULU1234
Benutzer107106  Planet-Liebe ist Startseite
Redakteur
  • #9
Ich habe mich total damit kaputt gemacht, weil ich egal was ich tat immer Kritik bekommen habe. Was die einen wollten war das Gegenteil von dem, was die andere Seite wollte und was ICH wollte war noch mal was anderes.

Es hat 2,3 Jahre gedauert, bis ich ein herzliches: "Ihr könnt mich alle mal am A*** lecken"-Gefühl hatte. Leider musste ich dafür erst schwer Burn-Out geschäduigt sein, inklusive chronischer Magenschleimhautentzündung und kreisrundem Haarausfall.
Ende vom Lied war: Ich habe jung geheiratet, weil ich ihn wollte, habe mir (oder nehme mir) die Zeit im Studium die ich will, schreibe und veröffentliche übrigens auch und gar nicht mal so unerfolgreich und habe mir Haustiere angeschafft die ich will und fahre viel in den Urlaub.

So doof das ist und natürlich stößt man damit Leuten vor den Kopf. ABER: Diejenigen die einem wirklich wichtig sind, die wissen was für dich gut ist und die "erlauben" solche, wenn auch in ihren Augen, komische Entscheidungen, denn sie wissen, sie sind die richtigen Entscheidungen für DICH!
Mein Bauchgefühl hat mir damals gesagt, dass die, die immer gegen mich redeten mich nur verbiegen wollen - und so war es! Ich entsprach nicht dem Bild, den sie für eine junge Frau hatten und das war IHR Problem, aber nicht meins. Ich habe den Kontakt zu deisen Menschen abgebrochen, oder in Fällen von zu naher verwandschaft radikal reduziert.

Hier geht es um dich! Deine Gesundheit! Dein Leben! Dein Glück!
Scheiß auf das was andere sagen. (Auch wenn das jetzt sehr Teeny-mäßig klingt, aber so ist es nun mal)
 
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