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Suizid im Familien- Bekannten- oder Freundeskreis. Wie damit umgehen?

tainted.beauty
Benutzer60100  (36) Meistens hier zu finden
  • #1
Hallo ihr Lieben,

ich hoffe, dass ich damit im richtigen Unterforum gelandet bin. Falls nicht - bitte verschieben.

Ich würde diesen Thread gerne nutzen um mich mit Angehörigen von Suizidopfern auszutauschen. Mir fällt es sehr schwer darüber mit Freunden oder meiner Familie zu sprechen, daher hoffe ich, dass ich mir hier eventuell ein wenig von der Seele "reden" kann und es vielleicht Gleichgesinnte gibt, die mir sagen können wie sie mit dieser Situation umgegangen sind.

Kurz zu meiner Situation:

Meine Oma (69) hat sich am 20.10.2016 mit Hilfe von Schlaftabletten, diversen anderen Medikamenten und Alkohol das Leben genommen. Seitdem ich denken kann, war sie für mich da, sie war wie meine Mutter, ich habe meine halbe Kindheit bei ihr verbracht und habe sie, bis zum Tag des Todes, mehr gesehen als meine Eltern. Sie war für mich und meinen Sohn die wichtigste Bezugsperson. Jeden Sonntag waren wir da, haben Spiele gespielt, gebacken, Ausflüge gemacht oder einfach nur gequatscht. Sie war noch topfit und hat auch noch gearbeitet. Nach Außen hin war sie stets die coole, selbstbewusste, spontane und humorvolle Frau.

Wie es in ihrem Inneren aussieht, wusste ich natürlich. Das was sie nach außen ausgestrahlt hat, sah im Inneren ganz anders aus. Depressionen haben sie mehr als ihr halbes Leben begleitet. Die Ursache dafür war bekannt, aber eine Hilfe unmöglich. Es gab Zeiten, da war es besonders schlimm und selbst ich kam nicht mehr an sie ran. Das letzte halbe Jahr, hat sie sich aber wieder einigermaßen gefangen gehabt und sie war wieder lebensfroh und verhältnismäßig "glücklich". Bis zum 19.10.2016. Sie rief mich am frühen Abend total verheult an, da ihr Vermieter Eigenbedarf angemeldet hat. Für sie ein Weltuntergang. Sie liebte diese Wohnung abgöttisch und sagte immer, dass sie nur noch einmal umzieht und das ist zum Waldfriedhof. Für sie natürlich ein totaler Schicksalsschlag. Ich machte mich sofort auf den Weg zu ihr. Da ich einen Schlüssel für die Wohnung hatte bin ich sofort zu ihr rein, sie war komplett aufgelöst und kaum zu beruhigen. Ich habe an dem Abend schon gemerkt, was sie vor hat. Es gab viele Hinweise dafür, also spach ich sie drauf an. Es war nicht das erste mal, daher hatte ich sowieso schon feine Fühler was das Thema Suizid angeht. Ich habe sie angefleht, dass sie es nicht tut, ihr gesagt, dass wir das schaffen und eine ähnliche Wohnung finden werden. Natürlich wollte sie das nicht hören. Nachdem ich aber selber irgendwann komplett aufgelöst war, wurde sie schlagartig ruhig und gefasst und hat mir versprochen, dass sie sich nichts an tut, mir und meinem Kind zuliebe. Sie sei nun erschöpft und müde und wolle nur noch ins Bett um abzuschalten. Sie hat mir versprochen, dass sie sich morgen früh sofort bei mir meldet, damit ich weiss, dass alles gut ist...

Ich habe sie in den Arm genommen, sie fest gedrückt.. schon mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass es das letzte mal gewesen sein kann. Ich hatte dort natürlich schon das Gefühl, dass sie vieles nur sagte um mich zu beruhigen und um ihre Ruhe zu haben. Es kam für mich allerdings nicht in Frage die Polizei oder den Arzt zu rufen, ich habe es ihr versprochen. Und hätte sie es an diesem Tag nicht getan, dann sicher an einem anderen. Ich muss dazu sagen, dass ich sie schon mal hab einweisen lassen. Das wollte ich ihr nicht nochmal antun.

Am nächsten Morgen schaute ich sofort auf mein Handy - keine Nahricht, kein Anruf. Ich fuhr zur Arbeit und schrieb ihr bei WhatsApp. Die Nachricht ging nicht durch (nur ein Haken). Ich wusste was passiert ist. Ich habe auch nicht mehr versucht anzurufen. Ich saß noch 3 Stunden auf Arbeit um mich darauf vorzubereiten, was mich erwartet, wenn ich zu ihr fahre. Sowas geht natürlich nicht. Ich fuhr zu ihr, klingelte mehrmals, es machte niemand auf. Ich schloss die Tür auf, ging in alle Zimmer (außer dem Schlafzimmer, da ich es geahnt habe).. ich sah schon den Brief auf den Tisch. Spätestens jetzt wurde es real. Ich machte die Schlafzimmertür auf - und da lag sie. Friedlich. Ich schrie sie 3x an ehe ich raus rannte um den Notarzt zu rufen. Ab da an sind sämtliche Erinnerungen wie weg gepustet. Ich bin zusammen gebrochen und sah irgendwann nur noch den Arzt, die Kripo und die Polizei vor mir stehen.

Seit diesem Tag ist nichts mehr wie es war. Ich wache jede Nacht zwischen halb drei und drei auf, bin Schweiß gebadet, kann nicht mehr einschlafen. Kann mich nicht mehr konzentrieren, bin müde, schlaflos und lustlos. Ich vermisse sie so sehr. Ich kann es noch nicht begreifen und weiß nicht wie ich damit umgehen soll. Ich mag momentan niemanden um mich herum haben. Und das obwohl ich normalerweise ein unternehmungslustiger und offener Mensch bin. Ich habe das Gefühl in meiner Trauer zu ersticken. Ich weine nicht mal viel, ich fühl mich einfach nur so leer. Ich kann mit dieser Art des Todes und dem Verlust nicht umgehen. Ich hoffe, es ist nicht ganz zu wirr, aber ich bin noch ein bisschen durcheinander. Es tat aber gut, dies einfach mal von der Seele zu schreiben.

Vielleicht gibt es jemanden hier, dem das ganze auch bzw. so ähnlich widerfahren ist. Ich würde gerne wissen wie ihr gelernt habt damit umzugehen und in euer "altes" Leben zurück gefunden habt? Und wie man die Art des Todes akzeptieren kann? Dies fällt mir sehr schwer, ohne mir Vorwürfe zu machen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Daylight
Benutzer15352  Beiträge füllen Bücher
  • #2
Hey du :knuddel:,

das klingt wirklich schrecklich und ich glaube nicht, dass ich die passenden Worte finden kann, um mein Mitgefühl auszudrücken ohne dass es hölzern und floskelmäßig wirkt :frown:. Ich kann nicht mal ansatzweise nachvollziehen, was du empfindest, da ich bisher "nur" Suizidversuche eines nahen Familienmitglieds mitbekommen habe. Und allein das hat mir schon gereicht. Ich denke, es ist normal, dass du trauerst, aber vielleicht hilft es dir, mit jemandem darüber zu reden? Es gibt Psychotherapeuten, die Trauerbegleitung anbieten oder Selbsthilfegruppen wie Arbeitskreis Leben. Ich glaube, es hilft enorm, sich mit anderen Hinterbliebenen auszutauschen. Nicht nur virtuell, sondern auch im echten Leben.

Ich wünsche dir viel Kraft...
 
Trouserbond
Benutzer95608  Planet-Liebe Berühmtheit
  • #3
Mein herzliches Beileid ... sehr schlimm. Du wirst vielleicht sehr lange brauchen darüber hinweg zu kommen und ich hoffe, Du schaffst das auch.

In meiner Familie gab es schon einige Selbstmorde ... oft aus verständlichen Gründen, wenn man das überhaupt so sagen kann. Einer hat mich besonders getroffen, der meiner Lieblingstante ... an einem Samstag. Wir waren morgens noch zusammen, haben sogar Pläne geschmiedet und überlegt, wie sie aus einer schwierigen Situation am besten rauskommt und am nächsten Tag hat sie sich das Leben genommen ...

Von daher ahne ich, wie Du Dich nun fühlst. Einige Verwandte von ihr, vor allem ihre Kinder und ihre Schwester, haben es bis heute nicht überwunden ... Ich persönlich habe einfach versucht, ihre Tat zu respektieren. Es war ihre Entscheidung und sie ist ihr sicher nicht leicht gefallen.

Es ist für die meisten unverständlich, dass ein Mensch nur noch diesen Ausweg sieht.
Auch kann man wütend werden, weil sie so viel Leid damit verursachen ...

Aber es bleibt einem trotzdem nichts übrig, außer es zu akzeptieren.
Da ich an ein Leben nach dem Tod glaube, rede ich oft im Geist mit ihr ... bitte sie um Hilfe und Beistand. Ich weiß, sie hat mich sehr gerne gehabt und ich weiß, sie ist irgendwie bei mir und freut sich, wenn es mir gut geht. Ich mache ihr schon lange keine Vorwürfe mehr ...

Ich hoffe, sie hat ihren Frieden gefunden.
 
LULU1234
Benutzer107106  Planet-Liebe ist Startseite
Redakteur
  • #4
Meine angeheiratete Tante hat ihren Sohn (damals mitte 40) - und Vater ihres Enkels ( damals ca 16 ) durch Suizid verloren. Es hat ihr geholfen seinen Tod als das letzte Symptom einer grausigen Krankheit (Depression und wahrscheinlich Wahnvorstellungen) zu sehen, die eben tödlich endet. Ähnlich hatte es auch die Witwe von Robert Enke ausgedrückt.
Was schwerer war, war die Art und Weise zu akzeptieren, weil er seinem Sohn ein Brief hinterlassen hat und dieser ihn dann fand. Da fragt man sich schon, weshalb ein Mann soetwas seinem Kind antun muss.
Meine Tante war damals sogar irgendwie froh, dass es vorbei war. Es war ein jahrelanger Kampf, der nicht zu gewinnen war und die gesamte Familie mit aller Dramatik zerstörte: Polizei in der Nacht, Zwangseinweisungen, etc.
 
Mercur
Benutzer92501  (43) Meistens hier zu finden
  • #5
Hey,

erstmal, fühl Dich gedrückt. Du hast eine richtig schwere Zeit hinter Dir und ich kann verstehen, was Du gerade durch machst. Ich weiß nicht, ob ich Dir helfen kann, den Schmerz nicht mehr zu fühlen, aber vielleicht kann ich Dir ein wenig die Vorwürfe entkräften, die Du hast.

Mein Großvater, den ich nicht kannte, hat sich, als ich ca. 3 Jahre alt war, dazu entschieden, sich das Leben zu nehmen. Meine Großeltern waren damals gerade ein paar Monate geschieden, mein Onkel hat einen großen Teil dazu beigetragen, dass es keine Versöhnung mehr gegeben hat. Wenn ich eins weiß, dann folgendes: Mein Opa hat meine Oma auf seine Art sehr geliebt und sehr darunter gelitten, dass die Trennung vollzogen wurde. Trotz der ganzen "Schuld", die er sicherlich an der Trennung hatte.
Seine "neue Freundin", hat ihn ausgenutzt, er hat ihr Haus renoviert und als er fertig war, hat sie die Beziehung beendet. Als sie das Wochenende nicht da war, hat er in ihrer Garage Tabletten, Alkohol und Abgase dazu genutzt, sein Leben zu beenden.

Meine Großeltern hatten 7 Kinder und jedes einzelne gibt sich die Schuld an dem Suizid. Ich hatte auch das Gefühl, dass ich ihn vielleicht hätte abhalten können, einfach, weil ich seine 3 Jährige Enkeltochter war, die einfach nur niedlich war...aber er wollte mich nicht kennenlernen.

Jetzt habe ich eine sehr liebe Freundin, die einen noch viel tolleren Bruder hat. Leider ist der Bruder auch alle paar Jahre ziemlich Suizidgefährdet. 2 Mal stand er schon kurz davor. Menschen, die ihn lieben, hielten ihn davon ab - ohne es zu wissen.
In einem sehr tiefen Gespräch habe ich viele Dinge einfach mal erfragt.
Er hat mir erklärt, dass niemand ihn hätte aufhalten können, wenn er es wirklich gewollt hätte. Man denkt anscheinend in dem Moment nicht an die Menschen, die man liebt, man will es einfach nur hinter sich haben. Niemand kann es aufhalten oder stoppen...vielleicht die Zeit verlängern, wie die beiden Menschen, die ihm positive Dinge gesagt haben. Aber wenn er es wirklich irgendwann durchziehen will, wird er es tun und wir, als seine Familie und seine Freunde können nichts dagegen tun.

Ich denke, das ist bei Deiner Großmutter genau der gleiche Prozess...Du hast es wahrscheinlich sehr oft aufgehalten, aber - was auch viel zu schwer ist, wahrscheinlich für jeden Menschen - es nicht stoppen können. Sie hat einfach eine Entscheidung getroffen, die Du kanntest und die Du nicht aufhalten konntest.

Ich bewundere Dich für Deinen Mut, ihr ihren letzten Weg gehen zu lassen, ohne ihn zu stoppen. Ich bewundere Dich, in ihre Wohnung zu gehen und sie zu finden, ohne Dir Unterstützung zu holen.

Bitte suche Dir Unterstützung, damit Du Deine Trauer verarbeitest, damit Du Deine Schulgefühle und Deine Vorwürfe und Deine Wut, die Du haben darfst, verstehen kannst.

Du bist nicht Schuld.

VG
Heike
 
Sonata Arctica
Benutzer15049  (38) Beiträge füllen Bücher
  • #6
Ich arbeite in einem Altenheim und habe daher sehr viel Kontakt auch zu suizidgefährdeten Bewohnern. Ist vielleicht nicht das gleiche, wie die eigene Oma, aber man hat sie ja doch alle irgendwie lieb.
Die meisten reden nur darüber, aber ich bin sicher, dass einige es schon getan hätten, wenn es im Rahmen ihrer Möglichkeiten läge. Ich wurde auch schon häufig darum gebeten Beihilfe zu leisten, das sind immer schreckliche Gespräche,...
Teilweise ist es mir verständlich, wieso sie ihr Leben beenden wollen und ich wünschte manchmal wir wären hier so liberal, wie zB. in Holland.
Der Grund ist erschreckend häufig die Tatsache, dass sie ihre Wohnung verlassen müssen in der sie den Großteil ihres Lebens gelebt haben. Der Verlust von Ehepartnern und das langsam aber sicher alle Bekannten und Verwandten sterben kommt auch noch dazu.
Ich kann natürlich nicht nachvollziehen, wie es sich anfühlt, wenn jemand aus meiner Familie Suizid begehen würde, aber im Moment ist es einfach so, dass ich es den Menschen gönne selber frei zu wählen, wann sie abtreten wollen. In gewisser Weise beruhigt mich sogar der Gedanke, dass man an irgendeinem Punkt den Lebenswillen verliert und den Tod nicht mehr fürchtet. Im Endeffekt bleibt deiner Oma weiteres Leid erspart und ich bin mir sicher, dass sie trotz allem ihr Leben als erfüllt angesehen hat und sich deiner Liebe bewusst war.
Alles Gute für dich, es tut mir wirklich Leid.
 
tainted.beauty
Benutzer60100  (36) Meistens hier zu finden
  • Themenstarter
  • #7
Erstmal vielen lieben Dank für jeden einzelnen Beitrag von euch. Auf ein paar werde ich mal eingehen.

Ich denke, es ist normal, dass du trauerst, aber vielleicht hilft es dir, mit jemandem darüber zu reden? Es gibt Psychotherapeuten, die Trauerbegleitung anbieten oder Selbsthilfegruppen wie Arbeitskreis Leben. Ich glaube, es hilft enorm, sich mit anderen Hinterbliebenen auszutauschen. Nicht nur virtuell, sondern auch im echten Leben.

Ja, wenn ich merke, dass ich aus diesem "Loch" nicht mehr alleine raus komme, werde ich das auch in Erwägung ziehen. Ich merke ja selbst, dass es nichts bringt, das ganze mit mir alleine auszumachen, das macht es nur noch schwieriger. Und meinen Frust in Alkohol zu ertränken macht das ganze auch nicht besser. Ich werde einen Weg finden müssen um das ganze zu akzeptieren und damit lernen umgehen zu können. Alleine schon für meinen Sohn, denn das ist kein Zustand mehr.

Es ist für die meisten unverständlich, dass ein Mensch nur noch diesen Ausweg sieht.
Auch kann man wütend werden, weil sie so viel Leid damit verursachen ...

Es gibt Tage, da akzeptieren ich es und weiß, dass es wohl für sie der beste Weg war. Dann kommen aber Tage wo ich einfach nur wütend auf sie bin, dass sie mir und meinen Sohn das angetan hat. Ich weiß aber mittlerweile, dass das normal ist, diese Gefühlsschwankungen. Verstehen kann ich es trotzdem noch nicht.

Da ich an ein Leben nach dem Tod glaube, rede ich oft im Geist mit ihr ... bitte sie um Hilfe und Beistand. Ich weiß, sie hat mich sehr gerne gehabt und ich weiß, sie ist irgendwie bei mir und freut sich, wenn es mir gut geht. Ich mache ihr schon lange keine Vorwürfe mehr ...

Dieses "mit ihr reden" tu' ich auch von Anfang an. In der Hoffnung, dass sie mich hört und mir verzeiht, dass ich anscheinend nicht immer da war, wenn sie mich brauchte. Und auch in der Hoffnung, dass sie irgendwie noch bei mir ist. Vielen Dank für deine lieben Worte!

erstmal, fühl Dich gedrückt. Du hast eine richtig schwere Zeit hinter Dir und ich kann verstehen, was Du gerade durch machst. Ich weiß nicht, ob ich Dir helfen kann, den Schmerz nicht mehr zu fühlen, aber vielleicht kann ich Dir ein wenig die Vorwürfe entkräften, die Du hast.

Danke schön, das ist lieb von dir. :knuddel:

In einem sehr tiefen Gespräch habe ich viele Dinge einfach mal erfragt.
Er hat mir erklärt, dass niemand ihn hätte aufhalten können, wenn er es wirklich gewollt hätte. Man denkt anscheinend in dem Moment nicht an die Menschen, die man liebt, man will es einfach nur hinter sich haben. Niemand kann es aufhalten oder stoppen...vielleicht die Zeit verlängern, wie die beiden Menschen, die ihm positive Dinge gesagt haben. Aber wenn er es wirklich irgendwann durchziehen will, wird er es tun und wir, als seine Familie und seine Freunde können nichts dagegen tun.

Das tut mir auch sehr leid für dich. Das ist mit Sicherheit auch keine schöne Situation, wenn man ständig damit rechnen muss, dass es irgendwann soweit sein kann. Das habe ich auch schon gelesen, dass Suizidgefährdete in dem Moment an nichts und niemanden mehr denken. An diesem Gedanken klammer ich mich auch irgendwie fest, denn sonst wäre es für mich einfach nie zu verstehen warum sie uns das angetan hat.

Ich denke, das ist bei Deiner Großmutter genau der gleiche Prozess...Du hast es wahrscheinlich sehr oft aufgehalten, aber - was auch viel zu schwer ist, wahrscheinlich für jeden Menschen - es nicht stoppen können. Sie hat einfach eine Entscheidung getroffen, die Du kanntest und die Du nicht aufhalten konntest.

Nein, das konnte ich leider wirklich nicht, so sehr ich sie angefleht und gehofft habe. Und damit muss ich lernen umzuegehn, das fällt sehr schwer. Diese "was wäre wenn"-Fragen sind einfach schrecklich. Wäre ich doch in der Nacht bei ihr geblieben, was ich ihr auch angeboten habe. Aber ich muss verstehen, dass dies ja auf Dauer auch nicht finktioniert hätte und wohl nichts an der Situation geändert hätte. Ich bin froh, dass mir dies mittlerweile klar ist. Trotzdem geht man Tag für Tag den letzten Abend im Kopf durch um zu reflektieren, ob man nicht was hätte anders machen oder sagen können um das irgendwie zu verhindern.

Auch dir, vielen lieben Dank für deine aufmunternden und hilfreichen Worte. :knuddel:
 
Tischtaenzerin
Benutzer114808  (37) Beiträge füllen Bücher
  • #8
Ich hatte einen Suizid in der Familie, zwei im Bekanntenkreis. Immer ohne Abschiedsbrief. Bei meinen Bekannten kam es für die Angehörigen völlig unerwartet. Die Frage nach dem Warum ist noch quälender, als sie es eh schon ist.

Meine Lieblingstante wurde Neujahr 2015 tot im Bad von ihrem Sohn gefunden, nachdem er seine Mutter morgens telefonisch nicht erreichen konnte. Sie war alleine, depressiv und Alkoholikerin. Nach außen hin eine tolle Frau, weit gereist, erfolgreiche Künstlerin, ein toller Mensch. Hinter die Fassade konnten nur wenige schauen. Vor etwa 10 Jahren hat man schon versucht, sie zu einem Umzug in die Nähe ihrer Tochter zu bewegen (Canada ist ziemlich groß...) - keine Chance. Vielleicht hätte man hier viel energischer vorgehen müssen, für sie die Notbremse ziehen müssen. Aber das fällt alles unter "was wäre, wenn...". Sie wollte nicht mehr.

Reisende soll man nicht aufhalten. Das ist mein Trost. Auch wenn sie sich wirklich ein besseres Datum hätte aussuchen können.
 
Karlinka
Benutzer121182  (38) Meistens hier zu finden
  • #9
Es tut mir wirklich sehr leid für deinen Verlust und ich kann deine Trauer absolut nachvollziehen.

Vor 4 Jahren hat sich mein Vater das Leben genommen. Er war bipolar und seit der Trennung von meiner Mutter (1999) auch immer wieder in der geschlossenen Psychiatrie (Zwangseinweisung mit Polizei). Die Manie war immer sehr schlimm für uns alle und meine Großeltern, mit denen er zusammen im Haus lebte, hatten in diesen Zeiten immer furchtbare Angst. Sie schlossen sich nachts ein.
In den Phasen der Depression ging es ihm aber immer sehr schlecht, was wir aber gar nicht so sehr bemerkten bzw. auch einfach nicht nachempfinden konnten, wie schlecht. Er zog sich zurück, schlief viel und hatte keine Lust irgendetwas zu tun.
Niemals hätte ich gedacht, dass er sich etwas antun würde, auch wenn ich immer Angst vor dem Gedanken daran hatte.
Und vor vier Jahren dann, an einem sonnigen Morgen im Mai rief mich mein Bruder an und teilte mir mit, dass er versucht hätte sich umzubringen und nun auf der Intensivstation wäre. Ich war völlig geschockt. Mein Opa erzählte mir dann am Telefon die ganze Geschichte. Er meinte, er hätte meinen Vater wie jeden Morgen zum Frühstück gerufen, er sei aber nicht gekommen. Mein Opa ist dann hoch in die Wohnung gegangen, um ihn zu holen, aber er war nirgends. Dann ging er zum Dachboden, von dem die Tür offen stand und da ahnte er es schon. Er ging hoch und musste seinen Sohn leblos an einem Strick hängen sehen. Er versuchte ihn abzumachen, was ihm zunächst aber nicht gelang. Er leif schnell nach unten, holte ein Messer und rief noch schnell meine Tante an, die einen Notarzt verständigte. Mein Opa schnitt ihn on dem Seil ab und versuchte meinen Vater wiederzubeleben, so gut er es mit seinen 80 jahren eben konnte. Es gelang ihm nicht. Der Notarzt und die Rettungskräfte, die sehr schnell da waren, holten ihn nach ca. 15 Minuten Reanimation zurück. Ab da an war er im Koma.
Ich und auch mein Bruder waren zu weit weg (500 km), um irgendwas tun zu können. Etwa eine Woche, bevor er starb, bin ich hingefahren, um ihn zu besuchen. Es war fürchterlich, ihn da an all den Schläuchen hängen sehen zu müssen. Ich hatte aber das Gefühl, dass er meine Anwesenheit spüren konnte und gab ihm zu verstehen, dass ich es akzeptieren werde, wenn er gehen möchte. Eine Woche danach und 5 Tage nach der Geburt seines 2. Enkels starb er. Es war füchterlich und noch heute ist es sehr schwer für mich, weil er meine Tochter niemals kennen lernen wird.
Meine Großeltern haben es nie verkraftet, vor allem mein Opa bis zu seinem Tod (Dezember 2014) nicht.

Ich habe oft gedacht, ob wir es hätten merken müssen oder es hätten verhindern können. Was der genaue, ausschlaggebende Grund für seinen Suizid war, wissen wir nicht, da er uns keinen Brief hinterlassen hat.

Ich hatte wirklich sehr lange die Gedanken mit schuld daran zu sein, weil wir Kinder ihn ja "verlassen" hatten, das wir so weit weg wohnen. Mittlerweile weiß ich aber, dass wir wahrscheinlich nichts hätten tun können und ich bin sicher, dass es ihm da, wo er jetzt ist besser geht.

Du bist nicht schuld. Und so groß, wie dein Schmerz jetzt ist, wird er mit der Zeit leichter, auch wenn er nie ganz vergeht.
Ich wünsche dir viel Kraft für die nächste Zeit und scheue dich nicht davor professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Fühl dich fest gedrückt! :knuddel:
 
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