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Krebs ist ein Dreckssack-Thread

Dreizehn
Benutzer20579  (40) Planet-Liebe ist Startseite
  • #1
Guten Abend,
Ich möchte für das Thema nun einen eigenen Thread aufmachen.

Bei meiner Mutter wurde vor 2 Wochen Krebs festgestellt. Eierstöcke, Gebärmutter, Metastasen im Bauchfell. Aufgefallen ist es, weil sie immer dünner wurde, ihr Bauch wurde aber immer größer. Sie konnte nichts mehr essen.

Pfingsten ging es ins Krankenhaus, eigentlich für eine Darmspiegelung. Es wurde aber erst ein Ultraschall gemacht und dann wurden schon Schatten gesehen. Sie war dann eine Woche im Krankenhaus. Erst wurden insgesamt 7 Liter Wasser aus dem Bauch geholt, da ahnte ich schon, dass das kein guter Befund werden kann. Es wurde ein MRT und ein CT gemacht und dann eine Laparaskopie. Danach hieß es erst, ja, es sei Krebs, aber ein typischer Befund, behandelbar. Letzten Freitag dann die Besprechung aller Ergebnisse, Stufe IV, wir reden nicht mehr von Heilung, sondern von 5 bis 10 Jahren. Sie braucht eine große OP und voraussichtlich auch Chemo, wenn sie fit genug dafür ist. Der Krebs sitzt auch am Darm, daher hat sie so wenig Appetit. Sie ist eh nur 1,50, daher macht der Krebs alles sehr eng und drückt auf alle Organe.

Seit einer Woche stehe ich nun völlig neben mir. Wir mussten den gemeinsam geplanten Urlaub Ende Juli umplanen. Mein Mann wurde vorgestern am Knie operiert. Daneben wohnen hier zwei Kinder, 3 Katzen und ich arbeite 35 Stunden. Jeder Tag fühlt sich so zäh und lang an, ich trauere um meine Kindheit, träume jede Nacht von ihr, quetsche verschiedene KIs zu den Befunden aus und komme kaum noch runter.

Sie hat zusätzlich MS und kann kaum noch laufen, ist mega geschwächt und redet nur sehr schleppend. Sie ist erst 69, ihr ganzes Leben immer quietschfidel gewesen, laut, wild, mobil und aktiv. Die MS hat uns schon so viel genommen, sie ist am Rollator und wird vermutlich bald einen Rollstuhl brauchen. Meine Eltern haben vor einigen Jahren neu gebaut, aber das Haus ist nicht barrierefrei und sie kommt kaum noch in den 1. Stock.

Aktuell ist sie wieder im Krankenhaus für weitere Tests, heute wurde Flüssigkeit aus der Lunge geholt und in zwei Wochen ist die OP. In einer anderen Stadt, die ohne Berufsverkehr 1,5 Stunden weit weg ist und sie wird dann auch zwei Tage auf intensiv liegen.

Ich bin so überfordert. Ich telefoniere fast täglich mit meinem Vater, die Anrufe bei meiner Mutter fallen mir schwer, weil sie total schleppend spricht, ganz wenig versteht, was die Ärzte ihr erklären. Das Gespräch mit dem Prof vor letzte Woche war aber sehr gut und da mein Vater dabei war, haben wir da nun genauere Infos. Er sagte, 80 Prozent der Patientinnen mit diesem Befund wären in dem Stadium, in dem sie ist (oder eins davor), weil man es oft eben erst so spät merkt. Und es eben auch normal ist, dass man es auf andere, bekannte Krankheiten schiebt, z.B. wenn man eben auch MS hat. Ich versuche, meinem Vater den Druck zu nehmen, da er sich seit Jahren aufopferungsvoll um meine Mutter kümmert und auch mehr Vorsorge vermutlich nicht geholfen hätte, weil man den Krebs auch jetzt erst gefunden hat, als man ihn gesucht hat.

Heute erzählte mir mein Vater dann, dass man in der Klinik die neurologischen Befunde nochmal durchgesehen hätte und darin steht, dass im Rahmen der humangenetischen Untersuchung auch das Gen gefunden wurde, das für Gebärmutterkrebs verantwortlich ist und dass man dazu rät, Eierstöcke und Gebärmutter zu entfernen. Mein Vater war total perplex, es stand nun also seit 3 Jahren in den Befunden, aber wir haben es alle nicht richtig gelesen oder haben es gelesen, aber dann ist es untergegangen, weil die MS soviel Raum genommen hat.

Meine Oma hatte den identischen Krebs selbst vor 20 Jahren, noch weiter fortgeschritten und sie hat überlebt und gilt als geheilt. Dennoch muss das natürlich für meine Mama nichts heißen.

Für mich heißt das nun aber auch, dass ich mir überlegen muss, Gebärmutter und Eierstöcke entfernen zu lassen und mich genetisch untersuchen zu lassen. Für meine Töchter heißt das ggf auch, dass sie diese Entscheidung später treffen müssen.

Diese neue Info macht mir nun zusätzlich zu schaffen, zum einen, dass uns das alles vielleicht erspart geblieben wäre, hätte man meiner Mutter alles rausgenommen, zum anderen aber auch, dass ich nun auch für mich diese Entscheidung werde treffen müssen.

Es fühlt sich gerade alles nach soviel an. Ich bin geplagt vom schlechten Gewissen, weil ich nicht dauernd hinfahren kann, weil wir den Urlaub Ende Juli nun mit den Schwiegereltern machen wollen, alleine auch für die Kinder, die sich schon so freuen. Ich bin eben nicht nur Tochter, sondern auch selbst Mama. Gleichzeitig denke ich an meinen Papa, der gesund durchs leere Haus tigert und am Telefon so traurig und erschöpft wirkt. Er ist kein Mann großer Worte, ein 'Das ist alles ein riesengroßer Scheiß' von ihm will was heißen.

Ich kann mich einfach überhaupt nicht auf meine Arbeit konzentrieren, sehe echt auch bescheiden aus und ich könnte jeden Nachmittag einfach nur schlafen. Abends schlafe ich nicht ein, weil ich dran denke, morgens ist es wieder da. Ich träume von ihr, wie sie normal mit mir redet, wieder gesund ist und sagt: "Gut, dass das nun hinter uns liegt". Heute Nacht habe ich davon geträumt, dass sie mir erzählt, wie sie beerdigt werden möchte, davon bin ich wachgeworden und konnte nicht mehr einschlafen.

Ich weiß aktuell gar nicht, was ich machen soll und wie ich jeden Tag weitermachen soll. Die Kinder sind nunmal auch keine, die pflegeleicht mitlaufen, ich rotiere mit Terminen, Schule usw. und keine Woche ist einfach nur ruhig. Ich habe das Gefühl, bei meinem Vater sein zu müssen, aber dann ist ein Kindergeburtstag, ein Musikschulfest, für das geübt wird und unter der Woche ist die Straße immer dicht in alle Richtungen. Und dann habe ich das Gefühl, dass ich auch nicht wirklich will, dass ich eben auch den Abstand hier brauche, die Abgrenzung, nicht jeden Tag dort zu sein und zuzuschauen, wie immer weniger da ist.

Und dann denke ich, dass wir erst am Anfang stehen, die Diagnose ist erst eine Woche alt, es ist behandelbar, der Arzt war zuversichtlich - und 5 bis 10 Jahre ist für jemanden von Ende 60 ja auch schon keine katastrophale Lebenserwartung. Es hat niemand gesagt, 'machen sie sich noch ein paar schöne Wochen', sondern es ist eben schon die Rede von Jahren. Da muss mein Hirn nicht gleich Beerdigungsszenarien fahren, aber teilweise kommt so eine Panik hoch, dass das alles eben nun echt ist, nie wieder weg geht, für immer Teil dieser Familie sein wird, obwohl es niemand bestellt hat.

Daher mache ich einen Thread auf - ich weiß, viele Leute haben mit dem Thema Erfahrungen, im Freundeskreis sind es immer mehr Eltern, die Krebs bekommen und es ist ja eben auch nicht selten. Aber trotzdem zieht es einem so den Boden unter den Füßen weg. Es soll auch nicht nur um meine Mutter gehen, es soll ein Sammelthread werden.
 
Elvira.Madigan
Benutzer147917  (35) Verbringt hier viel Zeit
  • #2
Ich weiß nicht, was ich sagen soll, wünsche euch allen aber viel Kraft für die bevorstehende Zeit und einen möglichst guten Verlauf der OP für deine Mama.

Und, dass du für dich die richtige Entscheidung bzgl. einer evtl. OP triffst. :herz: :herz::rose::rose:

Wenn deine Töchter später mal diese Entscheidung treffen müssen, mag es vielleicht neue Erkenntnisse und Behandlungsmöglichkeiten geben.
 
Rory
Benutzer65998  Sehr bekannt hier
  • #3
Alles Gute, Dreizehn Dreizehn ! 🌷 Ich würde unbedingt bald bei deinen Töchtern und dir die genetische Untersuchung anstoßen.

Hier kam die Krebsdiagnose meiner Mutter zeitgleich mit der Geburt meiner Tochter letztes Jahr, das war alleine logistisch auch nicht so einfach. Denn meine Mutter lebt alleine und wir Kinder alle weit weg, das ist richtig schwierig, wenn kein Partner vorhanden ist, der begleitet, aber eben auch die Logistik koordiniert und in der Regel schlicht übernimmt. Tatsächlich ist das Thema "Die Eltern werden alt/krank" aufgrund der ähnlichen Altersstruktur nun im sozialen Umfeld allgemein sehr angekommen.
 
Dreizehn
Benutzer20579  (40) Planet-Liebe ist Startseite
  • Themenstarter
  • #4
Hier kam die Krebsdiagnose meiner Mutter zeitgleich mit der Geburt meiner Tochter letztes Jahr, das war alleine logistisch auch nicht so einfach.
Und wie geht es ihr aktuell und euch damit? Einfach auch mal für eine Perspektive, da ich aktuell sehr im Alarmmodus gefangen bin.
 
Federleicht
Benutzer169922  Meistens hier zu finden
  • #5
Dreizehn Dreizehn
Ich wünsche deiner Mama, dass sie geheilt werden kann und sich vieles zum Guten wendet 🍀
Ich hoffe du kannst den Alarmmodus bald verlassen und ein Stück weit Normalität walten lassen.

Bzgl der Genetik:
Ich hab von meiner Mama ja auch den Gendefekt geerbt, daher auch die beidseitige subkutane Mastektomie. Und mit 40 wird mir empfohlen die Eierstöcke zu entfernen.
Bzgl der Kinder: mir sagte man in Heidelberg, dass man die Kinder vor 18 Jahren nicht testen kann, da es keine Vorsorgeuntersuchung gibt, die vor dem 18 Lebensjahr gemacht wird.
Das zumindest bei dem Gen, welches ich geerbt habe.

Alles Liebe 🌸
 
Rory
Benutzer65998  Sehr bekannt hier
  • #6
Und wie geht es ihr aktuell und euch damit?
Hier hat es sich um ein sehr frühes Stadium (I würde ich tippen, ich weiß es aber nicht 100%ig) und dazu einen sehr gut behandelbaren, oberflächlichen Krebs gehandelt, sodass die ganze Sache nach einer Verödung und einem leichten chirurgischen Eingriff zum Glück (vorerst) erledigt war. Bereits in der Folgebiopsie waren keine Krebszellen mehr nachweisbar. Also großes Glück gehabt. Die Ursprungserkrankung, die dann eben stellenweise entartet ist, wird laufend behandelt und beobachtet, sodass wir hoffen, dass nichts wiederkommt.

Also gar nicht vergleichbar mit eurem Fall. 😕

Es hat uns aber trotzdem alle wachgerüttelt. Meine Mutter kann sich nur schwer trennen, aber ich hoffe, das sie trotzdem zeitnah zu meinen Geschwistern und mir zieht. Denn zurück in die Heimat gehen wird niemand mehr von uns.
 
M
Benutzer181426  (44) Verbringt hier viel Zeit
  • #7
Es fühlt sich gerade alles nach soviel an.
Es IST gerade alles so viel!!!
Ist dir bewusst, dass psychoonkologische Angebote auch für Angehörige da sind?
Vielleicht würde ein Gespräch mit so einer Fachkraft dir beim Sortieren und Verarbeiten helfen.

Ich habe auch einen Gendefekt. Meine Große wird nächstes Jahr 18, dann muss ich also mal mit ihr sprechen, ob sie sich testen lassen möchte.
Als ich letztes Jahr von meinem Krebs erzählt habe, war ihre erste Frage, da sie ja wusste, dass meine Mutter und Großmutter das auch hatten: "Bekomme ich das dann auch?"

Die Ärztin hat bei mir sehr betont, dass alle Angehörigen ein Recht auf Nichtwissen haben, und ich soll mir am besten schriftlich geben lassen, ob jemand mein Testergebnis wissen möchte. Sie hatte wohl mal den Fall, dass eine Patientin von ihrer Nichte verklagt wurde, weil diese psychisch mit dem Wissen um den Gendefekt der Tante nicht zurecht kam.

Es geht jeder anders damit um. Meine Mutter hat ihre Erkrankung möglichst diskret behandelt, hat die Bestrahlung abgelehnt und ich kriege nicht mit, dass sie regelmäßig bei Vorsorgeuntersuchungen wäre.

Mein Vater hat total offen über seinen Krebs gesprochen und Gott und die Welt aufgefordert, zur Vorsorge zu gehen.

Ich habe auch kein Geheimnis um meine Erkrankung gemacht und nehme alles mit was geht an Therapien, Studien, Nachsorge und Vorsorge. Ich möchte meine Enkel und meine Rente noch erleben, und ich glaube, ich könnte nicht damit umgehen, wenn ich mich später fragen müsste, ob eine neue Erkrankung vielleicht besser heilbar gewesen wäre, wenn ich nur dies oder jenes gemacht hätte. Ich mache alles was geht, wenn ich trotzdem nochmal erkranke, habe ich mir diesbezüglich nichts vorzuwerfen.

Ich wünsche dir und euch viel Kraft. Es ist einfach ein riesen Haufen Mist.
 
Katzenauge123
Benutzer202690  (40) Öfter im Forum
  • #8
Könntest du dich nicht erstmal krankschreiben lassen?
Du klingst echt überlastet…
 
Dreizehn
Benutzer20579  (40) Planet-Liebe ist Startseite
  • Themenstarter
  • #9
Könntest du dich nicht erstmal krankschreiben lassen?
Du klingst echt überlastet…
Im Moment bin ich eigentlich auch froh um die Arbeit. Ich gehe davon aus, dass das hier alles noch langen Atem erfordert und wenn ich mich "jetzt schon" krankschreiben lasse, habe ich auch mehr Zeit, um zu grübeln, zu kreisen und zu überlegen, was man machen muss. Ich bin mir nicht sicher, ob das sinnvoll ist. Mit pflegebedürftigem Kind und den übrigen Schwierigkeiten unseres Alltags bin ich schon seit 8 Jahren überlastet, da könnte ich nie mehr arbeiten, wenn man es so drastisch sagen möchte. :X3: Ich behalte es mir aber vor und habe es im Hinterkopf, gerade für den Tag der OP.

Es IST gerade alles so viel!!!
Ist dir bewusst, dass psychoonkologische Angebote auch für Angehörige da sind?
Vielleicht würde ein Gespräch mit so einer Fachkraft dir beim Sortieren und Verarbeiten helfen.
Ja, da denke ich auch drüber nach. Ich habe allerdings auch eine sehr gute Therapeutin, bei der ich heute wieder war. Wir sind viel in meine Kindheit gegangen und in mein Gefühl, verantwortlich für meine Mutter zu sein, dort alles "reparieren" zu müssen, obwohl ich auch zu Hause genug zu tun habe. Das hat mir sehr beim Sortieren geholfen. Sicher wäre aber auch eine onkologische Beratung nochmal gut, da sie vertiefter für das Thema sensibilisiert sind und da einfach auch mehr Wissen haben, was uns erwartet.

Gestern war ja die Lungenpunktion und danach hatte meine Mutter wohl erstmal einen epileptischen Anfall, weil man ihr ein Medikament am Morgen nicht gegeben hatte und sie aufgrund ihrer MS ein erhöhtes Risiko dafür hat. Ganz toll. Jetzt liegt sie erstmal auf die Neurologie und die Neurologin geht über alle Medikamente und schaut sich die Einstellung an. Immerhin.

Im Moment ist echt jeden Tag eine neue Katastrophe, ich hoffe, es stabilisiert sich bald.
 
micha43
Benutzer192508  (47) Öfter im Forum
  • #10
Hallo Dreizehn,

es tut mir sehr leid daß ihr diese Diagnose bekommen habt, denn ich kann den Moment und das was danach kommt sehr gut nachempfinden. Ich habe diese Situation die letzten Jahre mit meinem Vater auch durchgestanden. Es war eine sehr schwere Zeit und gerade der Zeitpunkt der Diagnose legt einen Zeitpunkt fest. Es gibt eine Zeit davor und eine Zeit danach. Es ändert alles und man befindet sich in Schockstarre. Ich hatte mich auch krankschreiben lassen, denn es ging nichts mehr... So viele Gedanken im Kopf von früher und von Morgen.... Ängste und Erinnerungen an eine bessere Zeit schießen durch den Kopf und die allgegenwärtige Frage.... Haben wir die Zeit richtig genutzt. Ja habt ihr aber das wird dir erst später im Leben bewusst. Mir habe die Gespräche und das da sein absolut geholfen. Auch wenn Gespräche schwer fallen und es Situationen gibt, in denen man nicht weiß was man sagen soll ... sie sind wichtig für euch. Seid für einander da. Egal wie schwer die Aufgaben und Situationen auch erscheinen mögen, ihr schafft das. Ich habe auch nicht für möglich gehalten was ich am Ende dann doch alles geschafft habe. Und es hat mir einen inneren Frieden geschenkt. Ich drücke euch ganz fest die Daumen, das ihr dieses Schicksal gemeinsam durchsteht und das der Nebel und die Wolken der Furcht und der Traurigkeit schon bald wieder von den ersten Sonnenstrahlen durchbrochen werden. Bleibt stark 💪💚
 
Dreizehn
Benutzer20579  (40) Planet-Liebe ist Startseite
  • Themenstarter
  • #11
micha43 micha43 Ja, so fühlt es sich an, es ist ab jetzt eingebrannt, diese Tage der Diagnose, die Anrufe und die Infos, die sich immer mehr verdichten. Und es macht mich wütend und hilflos, zu wissen, dass das jetzt für immer mit dabei ist, obwohl man sich dafür gar nicht "gemeldet" hat. Wie bei uns schon vor 8 Jahren, als wir unfreiwillig Mitglieder im Club der Eltern mit herzkrankem Kind wurden und man sich dachte: "Hallo, habe ich mich hierfür beworben? Ich glaube nicht!"

Darf ich fragen, wann du dich hast krankschreiben lassen? Ich weiß, dass meine Hausärztin mich rauszieht, sobald ich hingehe, aber aktuell ist auf der Arbeit viel zu tun und es macht mir noch Spaß - dazu lässt mir mein Chef viele Freiheiten und ich kann auch mal eine Weile durchatmen, ohne dass das im Home Office direkt auffällt. Ich arbeite an Gesetzen und wir haben eine neue Bundesregierung die täglich mit neuen Fristen um sich wirft - das tut halt nichts Böses, lässt sich gut "wegarbeiten", ist sinnvoll - also eigentlich ein schöner Kontrast zu dem, was ich bezüglich meiner kranken Mutter machen kann.

Ich sehe halt im Umfeld, dass es bei vielen Leuten dann eben doch einige Jahre so weiter geht -ein ständiges Auf und Ab, bis am Ende jemand stirbt. Das macht mir einerseits nackte Panik, andererseits zeigt es aber auch, dass ich nicht in der Woche der Diagnose direkt alles absagen muss, sondern auch weitermachen "darf". Morgen ist ein Kindergeburtstag, Sonntag singt und tanzt die 4jährige beim Musikschulfest. Mein Vater möchte auch gar nicht, dass wir das absagen oder zu ihm fahren. Er möchte auch, dass wir in den Urlaub fahren. Wenn dann aber sowas ist, wie gestern mit der Lungenbiopsie, frage ich mich, wie sie die OP überstehen soll, wenn schon so "kleine" Eingriffe zu so großen Problemen führen. Und dann fühlt es sich auf einmal so an, als hätten wir keine Zeit mehr und müssten sofort alle Zelte abbrechen, um bei ihr zu sein.

Durch die MS haben wir in den letzten Jahren aber schon gelernt, als Familie mit Erkrankungen umzugehen, das mitzumachen, was geht, das anzupassen, was nicht geht und haben viele und gute Gespräche gehabt. Wir sind alle sehr eng und ich muss zum Glück keine unausgesprochenen Dinge jetzt noch dringend klären. Wir haben Friede in der Familie, gerade auch mit Fehlern aus der Vergangenheit oder Konflikten, die wir früher hatten und mittlerweile beigelegt haben. Das tut mir ganz gut, es ist jetzt nicht so, dass ich denke, es sind 100 Dinge offen. Ich möchte sie halt einfach behalten und zwar idealerweise in einem besseren Zustand, als jetzt gerade.

Es gibt natürlich auch die Hoffnung, dass die OP gut verläuft, ihr die Behandlung Lebensqualität zurückgibt und am Ende die MS in der letzten Zeit weniger schlimm war, als erwartet, da es vom Krebs überlagert war. Es gibt da durchaus Studien zu, dass man mit MS dazu neigt, Symptome dort zu suchen - und wenn dann ein Krebs dazu kommt und dieser behandelt wird, geht es dem Patienten insgesamt besser und es war doch nicht "nur" die MS. Darauf hoffe ich ein bisschen, was ihre Müdigkeit, Antriebslosigkeit und ihren körperlichen Abbau angeht. Meine Oma war ja mit Ende 60 auch schon "abgeschrieben" von allen Ärzten und springt mit 89 nun munter rum. Es ist vermutlich nicht realistisch, dass es sich so wiederholt, aber es ist ein Anker, dass es zumindest im Rahmen des Möglichen ist. Mit vernünftiger Einstellung könnte sie ja auch palliativ noch einige Jahre gut leben, vielleicht sogar besser, als im letzten halben Jahr. Das wäre schön.
 
micha43
Benutzer192508  (47) Öfter im Forum
  • #12
Darf ich fragen, wann du dich hast krankschreiben lassen?
Nunja der erste Schock war die erstdiagnose. Dann sollte er operiert werden und wurde davor noch richtig durchgecheckt. Dann kam das Ergebnis der Untersuchung während ich im Homeoffice war. Ich hab aufgrund dessen alles ausgeschaltet und hab meinen Arzt angerufen und gebeten mich eine Woche raus zu nehmen. Bin dann raus in die Natur und hab Zeit für mich gebraucht ...


der Arbeit viel zu tun und es macht mir noch Spaß - dazu lässt mir mein Chef viele Freiheiten und ich kann auch mal eine Weile durchatmen, ohne dass das im Home Office direkt auffällt.
Das ist doch gut. Bei mir war damals die Arbeit keine Ablenkung, denn ich konnte gar nicht mehr arbeiten. Ich war total überlastet und überfordert von allem.


Das macht mir einerseits nackte Panik, andererseits zeigt es aber auch, dass ich nicht in der Woche der Diagnose direkt alles absagen muss, sondern auch weitermachen "darf"
Ja und du solltest das positive sehen selbst wenn das hier gewiss doch sehr schwer fällt. Diagnose ist ja auch nicht immer gleich ein Urteil.


Und dann fühlt es sich auf einmal so an, als hätten wir keine Zeit mehr und müssten sofort alle Zelte abbrechen, um bei ihr zu sein.
Ich glaube diese Zweifel werden immer wieder aufkommen und man wird hin und her gerissen sein. Ich gehe davon aus und wenn du in dich gehst weißt du sicher auch, das deine Mama genau weiß wie ihr fühlt und das ihr da wärt wenn sie es braucht.



Wir haben Friede in der Familie, gerade auch mit Fehlern aus der Vergangenheit oder Konflikten, die wir früher hatten und mittlerweile beigelegt haben. Das tut mir ganz gut, es ist jetzt nicht so, dass ich denke, es sind 100 Dinge offen. Ich möchte sie halt einfach behalten und zwar idealerweise in einem besseren Zustand, als jetzt gerade.
Das ist so viel wert. Wir haben auch Frieden in der Familie und wir haben alles gemeinsam gemeistert und darauf bin ich stolz.


Ich möchte sie halt einfach behalten und zwar idealerweise in einem besseren Zustand, als jetzt gerade.
Das kann ich gut verstehen und die Hoffnung besteht ja Gott sei Dank auch noch.


Meine Oma war ja mit Ende 60 auch schon "abgeschrieben" von allen Ärzten und springt mit 89 nun munter rum.
Aber das macht doch mut. Also die Hoffnung nicht verlieren und Positiv denken um die Zeit nicht zu vergiften. Wenn es schlecht werden würde kommt es auch alleine da müsst ihr nicht auch noch dran denken. Schiebt lieber die positiven Erkenntnisse in den Fokus wie z.b. die Erfahrung mit deiner Oma.
Ich wünsche euch von Herzen, das ihr noch schöne Stunden zusammen habt und sie auch genießen könnt.
 
Dreizehn
Benutzer20579  (40) Planet-Liebe ist Startseite
  • Themenstarter
  • #13
Bei uns sieht es leider gar nicht gut aus. Eben hat mein Vater angerufen, die OP ist wohl abgesagt. Er konnte zügig mit einer Assistenzärztin sprechen, die ihm sagte, dass aktuell die OP zu schwer wäre und morgen der Oberarzt sich mit dem Onkologie-Team bespricht und ihnen dann alles erklärt. Aktuell geht es darum, zu schauen, ob man nun mit Chemo startet und dass es nur noch palliativ ist. Mein Vater meinte, der Assistenzärztin war das Gespräch sehr unangenehm und es kam ihm so vor, als wolle sie nicht Überbringer der schlechten Nachrichten sein und lieber auf den Chefarzt verweisen. Ich bin ehrlich gesagt froh, dass die OP abgesagt ist, weil ich ein komisches Gefühl hatte und dachte, dass sie das nicht packt, wenn sie schon bei einer Lungenpunktion einen epileptischen Anfall bekommt.

Mein Vater möchte, dass wir Ende des Monats in den Urlaub mit den Schwiegereltern fahren. Es ist alles bezahlt, eine Menge Geld, die Kinder freuen sich so sehr. Es fühlt sich aber gerade alles so akut an, mein Vater meinte aber, auch in Schweden gäbe es Telefone und er meldet sich, wenn es schlechter wird. Fähre und Brücke habe ich gestern schon flexibel gebucht, sodass wir jederzeit fahren können. Ich denke, egal, wie es nun weitergeht, würde mir der Abstand trotz allem auch gut tun. Es ist so wirr in mir: Einerseits möchte ich auch einfach weit weg sein, so tun, als sei alles normal, Urlaub am See machen - und andererseits "müsste" ich hier sein, sie begleiten, so lange es geht. Aber es tut weh, sie so zu sehen und ich habe Angst davor, am Wochenende nach Hause zu fahren.

Mein Vater möchte meine Mutter zu Hause haben und schaut nun, wie Hilfe aussehen kann. Sie selbst redet vom Sterben und dass sie das alles nicht mehr möchte.

Ich habe meinen Vater gefragt, wie es ihm nun geht (dumme Frage) und er meinte, vermutlich, so wie mir. Am Ende haben wir uns schnell verabschiedet, weil wir beide merkten, dass wir anfangen, zu weinen.

Ich hoffe sehr, dass wir noch mehr Zeit haben und wünsche mir gleichzeitig, dass es nun schnell geht. Das ist so surreal. Ich denke oft, dass sowieso schon nicht mehr viel von meiner eigentlichen Mama übrig ist, das denke ich schon seit Jahren. Sie war immer so laut, vorlaut, beweglich, immer in Bewegung, hatte einen zackigen Gehstil, war immer wandern oder am Strand, man konnte sie schon über Kilometer hinweg sehen, wenn sie in ihrem "Marsch" unterwegs war. Das alles ist ja durch die MS schon weg. Nun liegt sie dort seit 1,5 Wochen und schläft fast nur, hat Wasser im Bauch und in der Lunge, Krebs und was bleibt dann noch? Dann lieber kurz und laut leben, als so noch weitere Jahre.

Mein Onkel hatte auch Krebs und dann wurde 12 Stunden operiert - nur damit er dann trotzdem am Ende kläglich gestorben ist. Dann lieber vernünftig palliativ. Ich stehe so neben mir und es kommt mir alles so unwirklich vor.
 
rowan
Benutzer39498  (37) Planet-Liebe ist Startseite
  • #14
Ich denke an dich Dreizehn Dreizehn . Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen wie es auf diese Art und Weise ist weil es bei meiner Mutter eben so schnell ging und sie mitten aus dem Leben gerissen wurde, aber die Tragweite des (vielleicht imminenten) Verlusts kann ich natürlich nachempfinden.
Ich stelle mir vor das es gleichzeitig „besser“ ist, sich darauf vorbereiten zu können, und „schlechter“, weil es das Trauma in die Länge zieht.

Es ist okay konfliktierende Gefühle zu haben. Zu uns hat damals ein Arzt gesagt, sollte meine Mutter wieder aufwachen, wäre sie auf jeden Fall nicht mehr sie selbst. Es gab dann einen Punkt an dem wir wussten das es besser ist, wenn sie jetzt stirbt. Es war ein klitzekleines bisschen auch eine Erleichterung als sie gestorben ist, nicht so sehr für mich selbst sondern für sie.

Ihr habt nichts unausgesprochenes zwischen euch, das ist großartig. Aus meiner Sicht, über 20 Jahre später, möchte ich dir folgenden Rat geben:

Zeichne ihre Stimme auf. Irgendwann weiß man nicht mehr wie sie klang. Wahrscheinlich habt ihr sowieso viele Videos von ihr und den Kindern, damals war das nicht so selbstverständlich. Schreib dir auf welches Parfum sie verwendet. Stell ihr alle Fragen die du hast. Frag nach Rezepten die du unbedingt noch lernen willst.

Es gibt nie genug Zeit. Aber es ist nicht die Dauer, die wir miteinander haben, sondern die Liebe, die wir füreinander haben. Und deine Mama ist ganz offensichtlich umgeben von so viel Liebe und Fürsorge.
Ich glaube das Beste was du ihr geben kannst ist Zuversicht, nicht im
Bezug auf ihre Krankheit, sondern auf dich und deine Familie. Ich stelle mir vor das es wahnsinnig beruhigend sein muss wenn man am Ende weiß, ich habe meinen Kindern ein so stabiles Fundament gegeben und so viel Liebe das sie ein erfülltes und schönes Leben haben werden wenn ich nicht mehr da bin.

Fühl dich gedrückt!
 
Dreizehn
Benutzer20579  (40) Planet-Liebe ist Startseite
  • Themenstarter
  • #15
Danke dir, rowan rowan ! Ich freue mich über jeden, der hier schreibt, einfach, weil es mir sehr hilft. Die "Liebs" sind auch lieb, aber wer Gedanken hat, schreibt bitte, nicht, dass alle jetzt sprachlos sind, weil es einfach so kacke sind.

Was ihre Stimme angeht, ist es jetzt schon total schwierig, weil sie kaum noch spricht und wenn, klingt es total verwaschen. Ich ärgere mich schon jetzt für jede gelöschte Mailboxnachricht der letzten Jahre, aber ich hoffe, dass wir noch Videos haben. Neulich haben wir Urlaubsvideos geschaut, wo sie Federball spielt und haben alle geweint. Meine Mutter meinte da schon, "Ich werde immer weniger" und das stimmt.

Ich hoffe für mich, dass die Trauer am Ende weniger "schlimm" wird, weil ich schon seit Jahren trauere und immer wieder weine, wenn ich dort wegfahre - wenn jemand sein Leben lang ein 1,50-großer, quirliger, pummeliger und vollbusiger Hobbit ist und dann auf einmal mager und fahl wird, nicht mehr laufen kann, nur noch über Krankheiten spricht, darüber, was alles nicht mehr geht, Angst vor Urlauben hat - dann nimmt das schon soviel weg. Der letzte Urlaub war so schön, wir waren zwei Wochen im Sonnenschein am See, aber sie saß eben auch oft einfach nur "dabei", konnte soviel nicht machen.

Mein Vater war letzte Woche bei seinen ältesten Freunden, ich habe mich so darüber gefreut. Die beiden hatten ja immer nur einander, pflegen kaum Freundschaften, aber die sind noch da. Sein ältester Schulfreund erblindet so nach und nach (ist schon immer Brillenträger, aber es wird immer schlimmer) und ich bin froh, dass die einander haben. Er ist ja insgesamt so selbstständig geworden über die Krankheit meiner Mutter, als Teenie habe ich mich immer aufgeregt, dass mein Vater nichts im Haushalt gemacht hat, seine gebügelten Hemden im Schrank nachwuchsen, meine Mutter war ja einfach klassisch Hausfrau, machte alles und er ging immer "nur" arbeiten und hatte dann frei - das war ihr Verständnis davon, ihm den Rücken freizuhalten, weil er ihrer Meinung nach ja alles für uns tat, heute weiß ich, dass sie eigentlich mehr gemacht hat. Als Kind versteht man das nicht so, da war klar, dass Mama alles macht und immer da ist, heute sehe ich die Arbeit dahinter.

Heute macht er alles, schmeißt sein Haus, ist so gesund und fit und so klar im Kopf. Der Kontrast zu meiner Mutter, die so oft Dinge nicht mitbekommen hat, ihre verwaschene Sprache, ihr fehlendes Verständnis, wenn um sie herum alle geredet haben und sie nur noch den Kopf in alle Richtungen schob und "Hm? Was ist?" sagte. Da dachte ich oft, dass es schon deutlich wird, dass ihr Kleinhirn Schaden hat, dass diese kleinen und unerkannten Schlaganfälle was angerichtet haben und dass das doch eigentlich nicht sein kann, dass es eben "so ist" und niemand was tut.

Mein Vater war nun auch oft gereizt im letzten Jahr, weil sie dauernd seinen Namen ruft, er immer sofort erscheinen muss und alles nach ihrem Geschmack laufen musste.

Ich weiß, es klingt so gemein, aber manchmal denke ich, dass es gut ist, dass jetzt nicht 30 Jahre MS und Schlaganfälle und Kleinhirnschäden vor uns liegen, dieser Gendefekt steht ja auch noch im Raum und damit verbunden sind demenzielle und Parkinsonsymptome. Das war immer ihre Urangst, dement zu werden, wo sie sich doch immer an alles erinnern konnte, wusste, wer vor 30 Jahren zum Familienfest welches Hemd anhatte und wer eine blöde Frisur hatte. Sie konnte jeden Dialog über Jahrzehnte wortgenau wiedergeben, wie oft saß ich in meinen 20ern mit ihr im Wohnzimmer und wir haben die Nächte durchgequatscht. Das ist alles weg, schon seit 3 oder 4 Jahren. Es kam schleichend, aber es wurde weniger. Zuletzt blieb nur noch, dass sie mir Geistersendungen aufgenommen hat und die mit mir schauen wollte, mit mir über unsere alte Daily Soap oder Castingshows reden wollte, die ich als Teenie geschaut habe, aber eben nicht mehr verfolgt habe. Ich habe die letzte Staffel GNTM nur geschaut, damit ich mit ihr darüber reden kann, mit ihr über Kandidaten lästern kann, damit wir dieses Gemeinschaftsgefühl haben.

Wer konnte ahnen, dass es nun so schnell geht? Fürs Wochenbett vom Veilchen hat sie mir noch ihre berühmte Suppe gemacht, die gab es schon seit Jahren nicht mehr. Zwischendurch habe ich das Gefühl, keine Luft zu bekommen. Ich habe noch zwei Omas, wie kann das bitteschön sein?

Mir graut auch davor, was es mit den Kindern macht. Die Große ist den Schwiegereltern näher, weil meine Mutter mit ihrer Krankheit ihr teilweise Angst gemacht und sie verunsichert hat. Sie hat dort nur einmal übernachtet, kurz, bevor die Kleine geboren wurde. :frown: Wie gerne hätte ich es gehabt, dass beide Kinder in den Ferien wochenweise zu ihren Großeltern gehen, so wie es bei meinem Bruder und mir damals war. Die Kleine fliegt auf meinen Vater, hat sich komplett auf ihn fixiert und ich merke, dass es ihm guttut.

Ich habe echt Angst vor der kommenden Zeit. Auf Arbeit wissen es nur zwei Kolleginnen. Ich hatte es meinem Chef gegenüber vor zwei Wochen mal angedeutet, aber er ist extrem vergesslich und hat nicht nachgefragt. Es persönlich zu sagen, hat sich nicht ergeben und nun befürchte ich, direkt loszuheulen. Ich genieße auch gerade noch, dass die Arbeit da nicht betroffen ist und es die Männer nicht wissen, so kann ich mich ablenken. Ich werde aber über eine Krankmeldung nachdenken müssen, wenn es mir weiter so geht.
 
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Dreizehn
Benutzer20579  (40) Planet-Liebe ist Startseite
  • Themenstarter
  • #29
Wir haben das Wochenende überstanden und es war hart. Meine Mama geht von Panik zu Tränen, redet sehr wenig, hat sich aber über unsere Besuche und die der Kinder gefreut. Links und rechts sind Tüten mit Flüssigkeit aus der Lunge, sie kann nur liegen und hat nichts gegessen.

Seit gestern ist sie nun in der Geriatrie, die wussten nicht, dass sie Krebs hat, dachten, sie wäre schon länger bettlägerig, wussten nicht, dass sie vor wenigen Wochen noch normal gegessen hat und laufen konnte - und noch dazu hat man sie erstmal in ein falsches Krankenhaus gefahren, also alles ganz toll. Mein Vater musste sich sehr aufregen, aber dann war sie endlich im richtigen Krankenhaus.

In dem anderen wollten sie nicht mehr hin, da hat ein Pfleger ernsthaft zu ihr gesagt, sie wäre zu faul, um die Arme zu heben und sich vor einer Kollegin darüber lustig gemacht, dass sie nicht genau weiß, wann sie zur Toilette muss, das hat meine Mutter sehr mitgenommen. Mein Vater hat dem Arzt klargemacht, wenn sowas nochmal vorkommt, nimmt er sie mit nach Hause.

In der neuen Station sind wohl aber alle sehr lieb und mit einer sehr einfühlsamen Logopädin hat sie gestern sogar einen Keks gegessen. Mein Vater hat fast geweint, als er mir das erzählt hat. :frown:

Ich habe nun meinen Kollegen Bescheid gesagt und bin erstmal eine Woche krankgeschrieben.

Ich fühle mich immer noch, wie im falschen Film. Ich kann null einschätzen, ob wir nun schon in den letzten Wochen angekommen sind oder ob wir nun doch noch, wie letzte Woche vom Onkologen gesagt, bis zu 5 Jahre haben. Gleichzeitig laufen hier alle Feste vom Ende des Schul- und Kitajahres, alles extrem surreal.
 
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Dreizehn
Benutzer20579  (40) Planet-Liebe ist Startseite
  • Themenstarter
  • #30
Ich habe gerade mit meinem Vater telefoniert. Auf der Geriatrie war der Arzt heute der Meinung, man hätte sie nicht mehr verlegen dürfen. Sie hat nun auch noch eine Blutvergiftung, weil der Tumor etwas beschädigt hat. Sie muss Blut erbrechen und es kommt immer weiter Wasser aus Bauch und Lunge. Morgen wird geklärt, ob sie transportfähig ist und nach Hause kann. Und dann ein ambulanter Hospizdienst kommt. Mein Vater hat einen Friedwald rausgesucht.

Es ist so ein Alptraum, keine 4 Wochen vom Verdacht bis zu der Situation, in der wir jetzt sind.

Ich bin froh, dass ich eben offen mit meinem Vater sprechen konnte. Selbst wenn das alles nicht wäre, blieben die MS, die Schlaganfälle und endlich hat auch mein Vater gesagt, dass er demenzielle Symptome beobachtet hat. Den Verdacht hatte ich auch schon länger, aber da hat mein Vater immer abgeblockt. Wir waren uns einig, dass wir hoffen, dass es schnell geht, auch wenn es grausam klingt.
 
Nucifraga
Benutzer179251  (46) Meistens hier zu finden
  • #41
Was eine riesige ungerechte Scheiße. Ganz viel Kraft und Mut und Zusammenhalt wünsche ich euch als Familie Dreizehn Dreizehn .

Ein ambulanter Palliativpflegedienst hat Möglichkeiten gegen die Panik. Das muss sie nicht aushalten. Gibt es in den umliegenden Krankenhäusern oder vielleicht sogar in dem, in dem sie gerade ist, eine Palliativstation?
Ich habe mit beidem im nahen Umfeld sehr gute Erfahrungen gemacht und wertvolle Infos und Unterstützung für die Angehörigen ist auch meist ganz selbstverständlicher Bestandteil der Betreuung.
 
Dreizehn
Benutzer20579  (40) Planet-Liebe ist Startseite
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  • #64
Wir waren jetzt zwei Stunden bei ihr und der Anblick war hart. Sie sieht aus, wie tot, blass, man sieht jeden Knochen im Gesicht. Die Veränderung seit Sonntag ist enorm, ich bin froh, dass die Kinder am Wochenende da waren.

Sie kann sich kaum verständlich machen, wir haben nur ganz wenig von dem verstanden, was sie uns sagen wollte.

Zwischendurch kam noch eine unmögliche Schwester und wollte ihr ein Schmerzmittel per Tablette geben, dabei hatten wir strikte Anweisung, dass wir ihr kein Wasser geben dürfen. Und die dumme Kuh schenkt ein Glas ein und fragt noch patzig, wie sie bitteschön sonst die Medikamente geben soll. Wir haben alle vehement widersprochen, daraufhin meinte sie dann, dann dauert es jetzt aber nochmal. Meine Mutter hatte zu dem Zeitpunkt schon eine Stunde starke Schmerzen, das war echt kaum auszuhalten. Mein Vater hat dann den Arzt erreicht und dann gab es endlich Morphin per Spritze.

Ich habe sie nun zwei Stunden gekrault und gestreichelt, dann noch zur Oma, jetzt ist mein Akku leer. Nachher fahren mein Bruder und ich nochmal hin, aber ich muss neben meinem eigenen Akku auch den vom Auto aufladen.

Danke euch allen für die Anteilnahme, es ist so hart gerade. Ich hoffe so sehr, dass es schnell geht, auch, weil ich nicht weiß, wie ich es sonst schaffen soll. Ich will nach Hause zu meinen Kindern und meinem Mann, stattdessen sitze ich hier nun mit meinem Bruder im leeren Elternhaus.

Ich müsste auch irgendwann mal was essen, aber finde auch alles total fies gerade. Wir sitzen hier und warten, dass sie stirbt, das ist so krank irgendwie.
 
Dreizehn
Benutzer20579  (40) Planet-Liebe ist Startseite
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  • #70
Eben waren wir nochmal da und das war ganz schön. Haben mit meinem Vater gequatscht und gelacht und sie hat ganz friedlich geschlafen, uns erkannt, gelächelt und ist dann wieder eingeschlafen. Mein Bruder und ich hatten nun TK-Gerichte, Weißwein, haben zuviel geraucht und blöde Serien geschaut. Morgen fahren wir wieder hin.

Sie bekommt nun alle 4 Stunden Morphin und mehr bei Bedarf und hatte keine Schmerzen mehr. Das hat uns gut getan, eine schlafende, ruhige Mama ist besser, als eine wimmernde, die panisch schaut. Mein Vater war auch gleich viel entspannter. Ich hoffe nur, dass das nicht zu lange so geht, da ich nicht weiß, wie ich das tagelang schaffen soll.

Mein Bruder hat die Tage auch Geburtstag und es gibt den komischen Brauch in der Familie, dass immer jemand stirbt, wenn jemand anderes Geburtstag hat. Meine Oma hatte heute direkt 5 Beispiele. Ich hoffe, das es nicht so zusammenfällt.
 
Dreizehn
Benutzer20579  (40) Planet-Liebe ist Startseite
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  • #72
Heute geht es besser, als ich dachte. Es ist natürlich ein ziemliches Zeitloch, da zu sitzen und ihre Hand zu halten, aber wir kriegen es gut hin. Sie kriegt jetzt alle 2 Stunden Morphium, aber ich finde sie sehr warm. Die Ärztin meinte heute, sie würden alles tun, um sie wieder auf die Beine zu kriegen, aber es wäre eben sehr kritisch. Ich weiß nicht, warum sie sowas sagt, ich sehe Beutel mit Blut aus der Lunge und schwarzer Flüssigkeit aus dem Bauch, das kann nicht gut sein.

Es ist schön, dass dauernd Oma, Tante und eine Freundin kommen, nur das dauernde Gerede geht mir langsam auf den Zeiger.
 
Dreizehn
Benutzer20579  (40) Planet-Liebe ist Startseite
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  • #73
Tag 3 und der Geburtstag meines Bruders. Die Familientradition sieht vor, dass immer jemand am Geburtstag eines anderen stirbt, deswegen hat meine Oma seit Tagen Angst vor heute.

Ich war eben drei Stunden alleine mit meiner Mama, da mein Bruder mit meinem Vater gefahren ist und mein Vater kurz zu Hause war.

Meine Mutter hat Atemaussetzer, teils vergehen bis zu 15 Sekunden, bevor sie wieder anfängt zu atmen. Ich habe auch zwei Fotos gemacht, das wäre mir vor meinem Vater unangenehm gewesen, aber besser haben, als brauchen. Ich stehe jetzt im Raucherpavillon und hole mir gleich was in der Cafeteria. Essen und schlafen kann ich, nur meine Hände und Arme fühlen sich fremd an.

Gestern war noch meine Cousine bei uns zu Hause, das war schön. Sie hatte dienstlich in der Nähe zu tun, wohnt sonst 300km weit weg.
 
Dreizehn
Benutzer20579  (40) Planet-Liebe ist Startseite
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  • #74
So, wir haben nun Sonntag Abend und gegen 20:30 Uhr ist meine Mama gestorben. Es war ein 'schöner' Tag - wir waren nachmittags lange da, haben dann meinen Onkel in einem anderen Krankenhaus besucht und waren dann zu Hause, essen bestellen. Dann sind wir zu meinem Vater ins Krankenhaus gefahren und haben ihm etwas zu essen mitgebracht.

Mein Bruder und ich saßen bei meiner Mutter, jeder auf einer Seite, jeder hielt eine Hand. Sie hat schon den ganzen Tag röchelnd geatmet, die Schwester meinte, es dauert nun nicht mehr lange.

Noch während mein Vater aß, veränderte sich die Atmung meiner Mutter nochmal, sie hielt auf einmal unsere Hände sehr fest, obwohl sie seit Donnerstag keine Reaktionen mehr zeigte. Mein Vater sprang auf, streichelte ihre Stirn, sagte ihr liebe Sachen, auch ich sagte zu ihr, dass sie gehen darf und dann ging es ganz schnell. Wenige Atemzüge, gurgeln- und dann Stille. Wir haben uns alle nur erschrocken angeschaut, dann nach Puls gefühlt, mein Vater fragte 'Hat sie es nun geschafft?' Und ich meinte, ich glaube ja.

Wir haben dann noch etwas gewartet, dann die Schwester gerufen. Sie musste noch in einem anderen Zimmer Betten beziehen, mein Vater sagte nur ruhig: 'Bei uns eilt es nun nicht mehr'

Wir wurden dann von allen Schwestern umarmt, sie weinten, verkündeten ihr Beileid, betonten, dass so ein Mann selten sei, der seit Mittwoch nicht von ihrer Seite gewichen sei, immer da war.

Sie war seit Mittwoch keine Sekunde alleine, wenn wir da waren, war mein Vater meist kurz zu Hause, auftanken, duschen, was essen... sonst war er Tag und Nacht bei ihr. Mein Bruder und ich waren jeden Tag tagsüber 4-5 Stunden und abends 1-2 Stunden da. Samstag waren wir durchgängig da. Meine Tante und meine Oma waren täglich da.

Ich bin dankbar, dass wir das konnten. Der letzte Weg heute war hart, es fühlte sich ewig an vom Auto zum Krankenhaus. Und wir waren kaum 10 Minuten drin, als hätte sie auf uns gewartet. Dabei waren wir auch seit heute morgen da. Am Ende waren es wir vier. Jeder hatte eine Hand, ihre Stirn, sie war entspannt.

Dann kam der Arzt, wir sollten rausgehen, bekamen Kaffee und Wasser angeboten, eine andere Schwester fragte, ob sie es geschafft hat und ging weinend davon. Es wurden dann alle Schläuche entfernt und wir durften nochmal rein. Ich habe auch Zeit alleine mit ihr bekommen und meinen Vater und meinen Bruder nochmal weggeschickt, sie geküsst, meine Stirn auf ihre gelegt und auch ein Foto gemacht, was ich nun in einem versteckten Ordner abgelegt habe. Ich hatte Angst, dass ich mich hinterher sonst fragen muss, wie es aussah.

Wir haben dann einige Verwandte angerufen und sind noch persönlich bei meiner Oma vorbeigefahren, die gar nicht verstanden hat, warum wir alle um 22 Uhr vor ihrem Haus stehen. Es war so surreal, weinend in ihrem Wohnzimmer zu sitzen.

Nun sind wir bei meinen Eltern zu Hause, die Katze geht von Schoß zu Schoß und wir haben Wein und schauen eine blöde Serie. Ich bin so erschöpft, aber auch seltsam erleichtert. Und unendlich traurig.
 
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Dreizehn
Benutzer20579  (40) Planet-Liebe ist Startseite
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  • #102
Wow, ich bin wirklich sehr baff für die ganzen liebevollen Antworten hier und habe sie alle heute mehrfach gelesen. Das tut wirklich gut! :rose:

Mein Vater und ich waren heute beim Bestatter, beim Friedhof und beim Blumenladen. Das war schön, auch wenn wir immer wieder geweint haben. Sie bekommt eine Urne in ihrer Lieblingsfarbe, mintgrün. Die Bestatterin meinte, da Urlaubszeit wäre, könnten wir auf alle warten, die noch wegfahren wollen - ich meinte dann, es wäre mir lieb, wenn wir es so zeitnah wie möglich schaffen - meine Oma leidet schon seit Wochen und hat soviel Angst vor der Beerdigung, wenn sie nun wegen unseres Urlaubs noch warten muss, wäre das die Hölle. Ich möchte auch selbst die Reise als Abstand nutzen, ohne das Wissen, dass dieser Tag noch vor mir liegt. Und ich möchte auch, dass Omas Beerdigung für die Kinder 'schnell geschafft' ist. Die Bestatterin hat nun nächste Woche, einen Tag vor unserem Start in den Urlaub, möglich machen können. Kurz nach unserer Fahrt zum Friedhof kam der Anruf, dass es klappt.

Beim Friedhof war es auch schön, er hat einen uralten Baumbestand und der Friedhofsverwalter konnte uns mehrere schöne Ecken zeigen- am Teich, mit Wildblumenwiese - und zuletzt direkt an großen Bäumen eine kleine Grünfläche mit Findlingen. Das hätte meiner Mutter, die aus jedem Urlaub Steine mitgeschleppt hat, bis das Auto hinten durchhing, gefallen. Wir haben einen schönen Findling ausgesucht, der den Steinen ähnelt, die sie oft in Schweden gesammelt hat. Mein Vater und ich waren uns sofort einig, auch was den Ort angeht. Und er liegt auch noch an einem gut erreichbaren Weg mit Pflaster und nicht nur Kies, was den Verwandten mit Rollator hilft. Der Friedhof ist nämlich riesig und mit Rollator oder Rollstuhl nicht überall gleich gut zu erreichen. Wir haben dann noch Blumen ausgesucht und waren uns zum Glück einig, dass wir keine großen Kränze und Schleifen mit den Namen der Enkel wollen, einfach nur gelbe Rosen, lila Blümchen und Schleierkraut. Es war so 'einfach' und fühlte sich gut an.

Ich habe dann noch die Traueranzeige für die Zeitung und für die Briefe an Angehörige und Freunde geschrieben, während mein Vater noch einige Telefonate geführt hat. Es wissen nun alle Bescheid, die es wissen müssen - schlimm ist, dass viele nichts ahnten, weil es so schnell ging.

Eben war ich dann fix einkaufen und habe meinen Vater mit Obst und Gemüse versorgt, damit er auch was Vernünftiges isst. :zwinker: Ich bleibe heute noch hier, morgen muss ich dann nach Hause und es den Kindern sagen. Mein Mann holt sie heute bei den Schwiegereltern ab, sie können nicht mehr länger beide Kinder betreuen. Haben nun aber auch seit Mittwoch mit der Kleinen und seit Freitag mit beiden geschafft. Die Putzfrau war heute auch noch da und so komme ich morgen recht entspannt nach Hause. Ich möchte auch auf mein Sofa und in mein Bett, auch wenn ich meinen Vater nicht alleine lassen möchte. Mein Bruder kommt aber dann wieder, er musste heute auch erstmal nach Hause und mit Freunden reden.
 
Dreizehn
Benutzer20579  (40) Planet-Liebe ist Startseite
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  • #107
Danke euch! Heute Abend habe ich meine Schwiegermutter angerufen, die sehr lieb und verständnisvoll war, aber auch recht klar damit, dass sie findet, dass wir die Kinder nicht mit zur Beerdigung nehmen sollten. Für mich steht das Ganze fest: Sie kommen mit, sie sind 4,5 und 8,5 Jahre alt, sie sollen es auch verstehen. Was wäre die Alternative? Mama war eine Woche weg, Oma ist für immer weg. Kein Abschluss, ich finde das falsch.

Wenn sie mitkommen und später leiden, können wir daran arbeiten. Aber wenn sie nicht mitkommen, kann ich es nie wieder ändern. Und laufe Gefahr, dass sie keinen Abschluss, keinen Abschied haben.
 
Nucifraga
Benutzer179251  (46) Meistens hier zu finden
  • #116
Wenn die Kinder nichts gegenteiliges äußern, auf jeden Fall mitnehmen. Das äußern, was gerade ist, können deine beiden doch sehr gut, deiner Beschreibung nach.

Ich finde das in der älteren Generation, meiner Wahrnehmung nach, noch weit verbreitete „das ist nichts für Kinder“ oder gar „sie könnten stören oder sich unangemessen verhalten“ falsch.
Natürlich nicht einfach reinschmeissen oder zwingen dabei zu sein, aber ungefragt die Möglichkeit nehmen, hat meiner persönlichen Erfahrung nach mehr Folgen als mitnehmen und gegebenenfalls jemand aus dem Freundeskreis bitten ein Auge auf die Kinder zu haben, falls man befürchtet das selbst nicht ausreichend zu können.

Als mein Opa im Krankenhaus war und dann starb wurde das, auch auf meine Nachfrage hin, teilweise von mir fern gehalten. Ich hatte das Gefühl nicht dabei sein zu dürfen/unerwünscht zu sein, obwohl ich schon älter war als deine Kinder.
Bei der Beerdigung war ich dann dabei. Das stand zum Glück nicht wirklich zur Diskussion. Meine Erfahrung bezüglich Beerdigung bezieht sich auf einen anderen Todesfall in der Familie.
 
Schnecke106
Benutzer85763  (43) Beiträge füllen Bücher
  • #117
Noch eine Stimme dafür, mit den Kindern drüber zu sprechen und sie entscheiden zu lassen.

Die Große war mit auf der Beerdigung ihres Bruders (da war sie etwas über 2 Jahre alt) und meiner Oma (mit 3,5 Jahren). Wir fanden das schön und stimmig so. Ich selbst war 6 als mein Opa starb, durfte damals nicht mit auf die Beerdigung und fand es lange schwer zu verstehen, dass er "weg" ist.
 
LULU1234
Benutzer107106  Planet-Liebe ist Startseite
Redakteur
  • #118
Wir hatten im letzten Jahr ja auch eine Beerdigung des Schwiegervaters und damit Opa der Kinder. Es war sehr hilfreich, dass der andere Opa mit dabei war und für das kleinere Kind verantwortlich war. Er ist mit ihm spazieren gegangen, etc, wenn es zu viel wurde, hatte beide Kinder an der Hand als es mit dem Sarg zum Grab ging, weil ich die Schwiegermutter stützen musste (mein Mann war Sargträger). Daher ist mein Rat: Sprecht ab, wer wann wie verantwortlich ist und erklärt das auch den Kindern, damit sie wissen, wer mit ihnen rausgehen kann. Die Nichten und Neffen liefen ebenso mit ihren anderen Großeltern, welche die Kinder nach dem Absenken des Sargs auch sofort mit zum Auto genommen haben und nicht noch 100 fremden Menschen die Hand geben mussten. Beim anschließenden Kaffeetrinken ging es allen Kindern gleich viel besser.
Ich glaube der Gottesdienst/Trauerrede ist für Kinder gar nicht soo wichtig - das kann mit einem Spaziergang mit den anderen Großeltern evtl übersprungen werden, da solange sitzen ist mitunter sehr anstrengend. Aber den Sarg mit den Blumen zu sehen und das Ablassen des Sargs in die Erde, selber Erde/Blumen/ein Bild mit ins Grab zu werfen ist in meinen Augen sehr wichtig. Auch später noch das Grab zu sehen, fanden meine Kinder wichtig.
 
Dreizehn
Benutzer20579  (40) Planet-Liebe ist Startseite
  • Themenstarter
  • #119
Ja, meine Schwiegermutter hat viele Überzeugungen in Richtung 'das muss der gar nicht wissen' und dem fernhalten von bestimmten Dingen.

Sie meinte dann gestern auch, 'Die Beerdigung der Oma, das kann das arme Kind gar nicht gebrauchen!' Und man denkt sich, nein, können wir hier alle nicht. Ihren Tod können wir 'nicht gebrauchen', die Krankheit konnten wir nicht gebrauchen. Dass mein Papa gerade unten Zahnarzttermine absagt, die meine Mutter noch hatte, kann keiner gebrauchen. Und auch nicht, dass ich so stolz war, als ich im Mai einen neuen Neurologen für sie gefunden habe und die MFA noch sagte: "Wenn was dazwischen kommt, bitte anrufen, wir haben eine lange Warteliste" und ich sagte, "Nein nein, wir kommen auf jeden Fall!" Und nun ist die Patientin tot, 8 Wochen nachdem ich den Termin ausgemacht habe.

Danke Schwiegermutter, das. kann. keiner. gebrauchen. :zwinker: Es ist furchtbar. Aber schlimm ist, dass das passiert ist, nicht die Idee, die Kinder daran teilhaben zu lassen.

Unsere Beerdigung wird klein: Es werden etwa 30 Haushalte informiert, mehr als 30 Personen werden auch nicht kommen. Das Kaffeetrinken machen wir zu Hause. Es gibt eine freie Rednerin, die können wir auf die Anwesenheit von Kindern vorbereiten. Ansonsten gibt es eine Urne, keine großen Kränze, sondern nur einen Kranz mit ihren Lieblingsblumen. Und Blütenblätter. Ich habe eine Scheißangst vor dem Tag. Aber wir haben alles so ausgesucht, wie es ihr gefallen hätte.

Für die Kinder habe ich zwei Bücher gekauft: 'Geht sterben wieder vorbei', das ist ein Buch von einer Trauerbegleiterin für Kinder. Und 'Der Baum der Erinnerungen', da geht es eben darum, dass Erinnerungen weiterleben. Mal schauen, ob ich das mit den Kindern die Tage lesen kann.

Nachher muss ich erstmal hinfahren und es ihnen sagen, ich habe Angst davor.
 
LULU1234
Benutzer107106  Planet-Liebe ist Startseite
Redakteur
  • #120
Ach ja, die Frage ist natürlich auch, ob die Kinder Gottesdienste (oder ähnliche Veranstaltungen) irgendwie kennen. Das Konzept da still zu sitzen und 30 Minuten lang zuzuhören, während getragene Musik gespielt wird und Erwachsene weinen, ist für Kinder schon seltsam. Meine Kinder sind (Kinder-) Gottesdienste gewohnt, daher war das Drumherum für sie jetzt nicht so seltsam, sondern primär nur langweilig. Mein Kurzer hat irgendwann Boote aus dem Liederzettel gefaltet.
 
LULU1234
Benutzer107106  Planet-Liebe ist Startseite
Redakteur
  • #121
Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Boomergeneration echt starke Probleme mit Emotionen hat. Meine Mutter hat es auf die Beerdigung ja auch "nicht geschafft".
Verdrängung und Verstecken scheint die gängige Bewältigungsform zu sein.
 
Schnecke106
Benutzer85763  (43) Beiträge füllen Bücher
  • #122
Absolut! Und auch alles mit sich selbst ausmachen, weil "man darüber nicht spricht"
 
Dreizehn
Benutzer20579  (40) Planet-Liebe ist Startseite
  • Themenstarter
  • #123
Die Große kennt Gottesdienste und die Kleine kennt auch Veranstaltungen, wo man still sein sollte. Ich sehe da echt kein Problem. Ich möchte, dass sie es begreifen können und auch, dass sie in jungen Jahren lernen, dass es leider dazu gehört. Seit meinem Opa vor 20 Jahren ist hier niemand mehr gestorben. Die statistische Wahrscheinlichkeit steigt, meine eine Oma ist 96, die andere 89. Kinder können sowas auch anders verarbeiten und ich möchte auch nicht, dass sie sich ausgeschlossen fühlen. Außerdem können wir von hier aus am Tag danach in den Urlaub starten und sparen uns einige fiese Autobahnen. Das ist natürlich nicht der Hauptgrund, aber Logistik ist auch nicht ganz zu vernachlässigen, wenn man in NRW lebt.

___

Heute ist es echt hart. Mein Papa hat schon so oft geweint, einmal auch so richtig. Er konnte den Schmuck meiner Mama nicht anfassen und war sehr erleichtert, dass ich angeboten habe, ihn mitzunehmen. Jeder hat andere Trigger und man weiß vorher nie, wo es einen eiskalt erwischt. Der Schmuck ist für mich okay.
 
sanguina
Benutzer149155  Planet-Liebe Berühmtheit
  • #124
Ich habe wenige Wochen vor dem Tod meines Opas noch ein Gespräch mit ihm aufgenommen und ich konnte es mir erst fünf, sechs Wochen nach seinem Tod anhören. Vorher lief es mir eiskalt den Rücken runter - jetzt geht es. Jetzt ist alles noch so frisch bei euch, egal ob bei dir oder deinem Papa, Dreizehn Dreizehn - und du weißt das mit Sicherheit, ich will es nur auch in aller Deutlichkeit geschrieben haben: Es wird anders, es wird erträglicher und die Trigger lassen nach. :rose:
 
AnoMs
Benutzer111034  Meistens hier zu finden
  • #125
Ach Mensch, Dreizehn Dreizehn , ich habe in den letzten Wochen immer stumm mitgelesen, mich an unsere eigene Geschichte erinnert gefühlt und habe so für euch gehofft, dass es anders als bei uns ausgeht. Ich kann so gut nachfühlen, wie es euch geht.

Mein Papa wurde im 2023 mit Krebs diagnostiziert, erstmal soweit scheinbar gut therapierbar und im Scan keine Metastasen erkennbar, Überlebensrate auf 5 Jahre irgendwo bei 70%. Er hat uns kurz nach der Diagnose sogar noch beim Umzug geholfen und wartete auf den OP-Termin, bekam dann aber Rückenschmerzen, die immer schlimmer wurden. Im Krankenhaus wurden zwei Kompressionsfrakturen festgestellt und operiert, es sollte, sobald er stabil wäre, in die andere Klinik in die Onkologie gehen. Dann akute Sepsis, ausgehend von der Galle, Not-OP in der Nacht, in der ich aus zwei Wochen Urlaub kam, und danach wurde er irgendwie nicht mehr fit und war auch teilweise verwirrt. Irgendwann haben wir einen Arzt erwischt, der dann im Gespräch beiläufig das Wort Metastasen fallen ließ und als wir aus allen Wolken fielen, eröffnete, dass der ganze Bauchraum voll wäre und auch die Wirbelbrüche daher kämen, palliative Chemo wäre aber noch möglich. Es ging aber zu schnell abwärts dafür, nach wenigen Tagen Verlegung auf die Palliativstation, meine Mama zog ein und ich war jeden Tag stundenlang da. Zwei Wochen nach meiner Rückkehr aus dem Urlaub ist er gestorben, von der Diagnose bis zum Tod lagen gerade mal 8 Wochen. Mein letztes Whatsapp von ihm ist die Nachricht, dass keine Metastasen gefunden wurden. Das war drei Wochen vor seinem Tod.

Ich kann nur sagen, dass ihr alles goldrichtig gemacht habt. Es ist so scheiße und gemein und sinnlos und man fühlt sich wie in einem Strudel und versucht nur noch, mit dem Geschehen Schritt zu halten. Aber meiner Mama und mir gab und gibt es so viel Kraft und Trost, dass wir jederzeit in seinem Sinn entschieden haben, dass er nicht lange leiden musste und vor allem, dass er gestorben ist und wir ihm vorher alles gesagt haben, was wir ihm unbedingt sagen wollten und dass er wusste, wie sehr wir ihn lieben. Und so ging es deiner Mama auch. Ich wünsche euch viel Kraft für die Beerdigung und die kommende Zeit und denk dran - es ist alles erlaubt. Weinen, schreien, lachen, schweigen, drüber reden, weiterleben, innehalten. Erlaubt ist, was euch hilft.
 
G
Benutzer62640  Verbringt hier viel Zeit
  • #126
Kinder haben sehr feine Antenne und bekommen eine Menge mit. Es kann für das Kind auch sehr verletzend sein, wenn nicht offen kommuniziert oder eingebunden wird. So wird aus einem Schutz halt einfach eine andere Verletzung.
Daher auch von mir den Zuspruch Kinder mit auf Beerdigung oder zu kranken Familienmitgliedern mitzunehmen.

Es gibt übrigens auch spezielle Trauerangebote für Kinder & Jugendliche, auch unreligiöse, oft nach Alter gestaffelt.
 
Nucifraga
Benutzer179251  (46) Meistens hier zu finden
  • #127
Sie meinte dann gestern auch, 'Die Beerdigung der Oma, das kann das arme Kind gar nicht gebrauchen!'
Kann keiner, wie du richtig feststellst.

Noch weniger kann das Kind aber gebrauchen, dass eigene Wahrnehmung und erhaltene Information nicht zusammen passen.
Ich vermute das würde vor allem das Löwenkind - Veilchen vielleicht auch, da kenne ich weniger Beschreibungen und habe deshalb kein eindeutiges, starkes Gefühl zu einer einschätzenden Vermutung meinerseits - noch viel mehr crashen als die inhaltlich krasse aber klare Information und Möglichkeit selbstgewählt ein Teil davon zu sein, was jetzt passiert/passieren muss.

Überzeugungen in Richtung 'das muss der gar nicht wissen' und dem fernhalten von bestimmten Dingen
Macht mich schon beim Lesen wütend.
Dadurch wird nämlich gar nichts einfacher. Maximal gefühlt in den Moment, wenn man sich halt nicht den Gefühlen des Kindes stellen muss. Aber das sollte man dann auch so benennen und nicht als „Schutz“ und ach so rücksichtsvoll verkaufen. Ist es nämlich nicht.
 
Zuletzt bearbeitet:
Norddeutsch1705
Benutzer192555  (52) Verbringt hier viel Zeit
  • #128
Mich macht das auch beim Lesen wütend.

Ich bin im Alter von sechs Jahren von meiner Mutter ins Krankenhaus gebracht worden, weil ich am Auge operiert werden musste. Mir hat niemand erklärt, was passiert, ich bin dort regelrecht "abgeworfen" worden und habe ein ziemliches Trauma davongetragen. Ich habe mir geschworen, dass meinen Kindern so etwas nie passieren wird.

Als vor 12 Jahren meine Schwiegermutter nach langer Krebserkrankung im Sterben lag, habe ich meine Söhne, damals 12 und 10, gefragt, ob sie sich von Oma verabschieden möchten. Sie war bewusstlos aus dem Krankenhaus nach Hause gebracht worden. Der Älteste hat eine Zeitlang alleine bei ihr am Bett gesessen, der Jüngere hat für sich entschieden, dass er Oma lieber so in Erinnerung behalten möchte, wie er sie gekannt hat. Statt dessen hat er ihr einen sehr lieben Abschiedsbrief geschrieben, den er ihr bei der Beerdigung mit Blumen ins Grab geworfen hat.
 
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nachbarin88
Benutzer59742  Meistens hier zu finden
  • #129
Hier sind sich ja alle einig. Ich finde auch auf jeden Fall, dass deine Töchter das Recht haben, das selbst zu entscheiden. Ich würde ihnen erklären, wie Beerdigungen ablaufen, und da eben viele Menschen weinen werden. Aber dass es eben die Gelegenheit ist, sich zu verabschieden. Ich mache mir keine Sorgen, dass du die richtigen Worte finden wirst.
Für deine Große ist die Entscheidung auf jeden Fall richtig. Sie hat so feine Antennen, würde man sie da ungefragt von ausschließen, das würde sie sicher nicht gut aufnehmen.
Alles Liebe:rose:
 
Dreizehn
Benutzer20579  (40) Planet-Liebe ist Startseite
  • Themenstarter
  • #130
So, die Kinder wissen Bescheid. Beide haben geweint, die Kleine hatte 1000 Fragen, hat den Scheißkrebs angebrüllt, die Große ist einfach nur traurig. Sie schauen jetzt Paulchen Panther und wollen beide zur Beerdigung.

Es ist komisch, wieder zu Hause zu sein und es wäre auch schön, wenn hier weniger Chaos herrschen würde. Ich hätte hier so gerne alle aus dem Haus, um mal klar Schiff zu machen. Aber mit Mann auf Krücken nicht ganz so einfach.
 
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