• Es sind wieder ein paar schöne Fotobeiträge eingetrudelt. Schau sie dir doch einmal hier an und stimme für deinen Favoriten.

Fühle mich trotz/wegen Privileg beschissen

ghostspaces
Benutzer180257  (28) Sorgt für Gesprächsstoff
  • #1
Guten Abend!

Eine kleine Vorwarnung... ich bin nicht ganz nüchtern. Hoffentlich drücke ich mich dennoch verständlich aus.

In der Therapie und auch im Internet, wenn ich darüber schreibe,kommt immer die Frage auf, WARUM ich so perfektionistisch bin, mich immer selbst so niedermache. Ich sage zwar immer, dass ich den Grund nicht kenne. Zumindest ein Aspekt ist mir aber bewusst, nur denke ich, dass ich den nicht aussprechen kann, weil es nicht fair ist und ich mich damit negativ über etwas äußere, was ich eigentlich sehr gut und sehr wichtig finde.
Und zwar habe ich irgendwann angefangen, mich mit verschiedenen Formen der Unterdrückung auseinanderzusetzen, mit Rassismus, Diskriminierung von trans Menschen, Sexismus, Benachteiligung von Behinderten usw.
Dadurch ist mir nicht nur klar geworden, wie viel Scheiße tagtäglich in der Welt passiert, sondern auch, wie unglaublich privilegiert ich selbst bin. Ich habe sozusagen den Jackpot getroffen, weil ich weiß, europäisch, gesund, recht gut situiert bin, nicht schlecht aussehe, Zugang zu Bildung hatte, eine harmonische Familie habe und nie etwas schlimmes erlebt habe. Besser geht es kaum. Ich bin zwar schwul, aber selbst innerhalb dieser diskriminierten Gruppe bin ich extrem privilegiert.
Diese ganze Erkenntnis hat dazu geführt, dass ich einfach zwanghaft versuche, alles richtig zu machen. Keine diskriminierenden Begriffe zu verwenden, mich weiterzubilden, marginalisierten Menschen zuzuhören, dazuzulernen.
Trotzdem habe ich das Gefühl, dass es nie genug ist und dass meine pure Existenz anderen den Platz wegnimmt. Dass ich mehr tun müsste.
Das hat leider alles dazu geführt, dass ich alle negativen Gefühle und Gedanken in mich reinfresse, weil ich denke, dass ich jetzt schon zu viel Platz einnehme.
Indem ich darüber spreche, bestätige ich das ironischerweise: extrem privilegierter Typ kommt nicht damit klar, dass sich die Welt mal nicht um ihn dreht und heult dann rum, dass es mal nicht um ihn geht.
Wie fragil bitte ist mein Ego, dass ich wegen dieser Erkenntnis emotional so abstürze, dass ich nicht mehr klarkomme?
 
Crazyküken
Benutzer182891  (34) Sorgt für Gesprächsstoff
  • #2
Wir (ich schließe mich mal mit ein) sind ja trotzdem Menschen trotz Privileg. Und das ist vollkommen natürlich, dass wir auch Gefühle von Angst und Unvollständigkeit haben. Das mag komisch klingen, aber versuch nicht diese unliebsamen Gefühle zu verdrängen, sondern sie anzunehmen und zu akzeptieren. Genau so wie du eben bist. Ein Mensch. Alles weitere ist erstmal irrelevant.
 
Mark11
Benutzer106548  Team-Alumni
  • #3
Magst Du den Widerspruch erklären?

Aus eigener Erfahrung kann ich Dir sagen: eine psychische Erkrankung (selbst schon, wenn sie "nur" als leicht bis mittelschwer diagnostiziert ist) kann ein privilegiertes Leben ganz schön in die Sauce hauen. Dann bringt Einem das weiß, nicht arm, in einem sicheren Land lebend, gebildet, mit Job usw Null, wenn man nur noch als Häufchen Elend heulend in der hintersten Ecke des Bettes eingerollt liegt.
 
Q
Benutzer77893  Meistens hier zu finden
  • #4
Mir fällt dazu nur eine Frage ein. Wer bist du denn, der alle Probleme dieser Welt alleine auf seinen Schultern tragen/lösen müsste?

In ca. hundert Jahren wird sich keiner an dich erinnern, besonders nicht wenn du dich nur selbst fertig machst und traurig in einer Ecke liegst. Also wenn dein Taten in Anbetracht der Zeit immer unbedeutender werden, wieso ziehst du dich jetzt selber zur rechenschafft?
Du bist frei in deinen Taten, weil diese auf langer Sicht unbedeutend sind. Die einzige Frage ist doch nur, wie du jetzt dein jetziges Leben führen willst, was für DICH sehr bedeutend sein sollte! Ängstlich und depressiv oder mutig und glücklich?
 
G
Benutzer Gast
  • #5
Guten Abend!

Eine kleine Vorwarnung... ich bin nicht ganz nüchtern. Hoffentlich drücke ich mich dennoch verständlich aus.

In der Therapie und auch im Internet, wenn ich darüber schreibe,kommt immer die Frage auf, WARUM ich so perfektionistisch bin, mich immer selbst so niedermache. Ich sage zwar immer, dass ich den Grund nicht kenne. Zumindest ein Aspekt ist mir aber bewusst, nur denke ich, dass ich den nicht aussprechen kann, weil es nicht fair ist und ich mich damit negativ über etwas äußere, was ich eigentlich sehr gut und sehr wichtig finde.
Und zwar habe ich irgendwann angefangen, mich mit verschiedenen Formen der Unterdrückung auseinanderzusetzen, mit Rassismus, Diskriminierung von trans Menschen, Sexismus, Benachteiligung von Behinderten usw.
Dadurch ist mir nicht nur klar geworden, wie viel Scheiße tagtäglich in der Welt passiert, sondern auch, wie unglaublich privilegiert ich selbst bin. Ich habe sozusagen den Jackpot getroffen, weil ich weiß, europäisch, gesund, recht gut situiert bin, nicht schlecht aussehe, Zugang zu Bildung hatte, eine harmonische Familie habe und nie etwas schlimmes erlebt habe. Besser geht es kaum. Ich bin zwar schwul, aber selbst innerhalb dieser diskriminierten Gruppe bin ich extrem privilegiert.
Diese ganze Erkenntnis hat dazu geführt, dass ich einfach zwanghaft versuche, alles richtig zu machen. Keine diskriminierenden Begriffe zu verwenden, mich weiterzubilden, marginalisierten Menschen zuzuhören, dazuzulernen.
Trotzdem habe ich das Gefühl, dass es nie genug ist und dass meine pure Existenz anderen den Platz wegnimmt. Dass ich mehr tun müsste.
Das hat leider alles dazu geführt, dass ich alle negativen Gefühle und Gedanken in mich reinfresse, weil ich denke, dass ich jetzt schon zu viel Platz einnehme.
Indem ich darüber spreche, bestätige ich das ironischerweise: extrem privilegierter Typ kommt nicht damit klar, dass sich die Welt mal nicht um ihn dreht und heult dann rum, dass es mal nicht um ihn geht.
Wie fragil bitte ist mein Ego, dass ich wegen dieser Erkenntnis emotional so abstürze, dass ich nicht mehr klarkomme?

... was mir dazu einfällt
ist dieser vergleich:
das ist, als würdest du nicht mehr essen und trinken, nur weil so viele andere menschen mangelernährt leben bzw. verhungern ...
 
A
Benutzer160853  Sehr bekannt hier
  • #6
Guten Abend!

Eine kleine Vorwarnung... ich bin nicht ganz nüchtern. Hoffentlich drücke ich mich dennoch verständlich aus.

In der Therapie und auch im Internet, wenn ich darüber schreibe,kommt immer die Frage auf, WARUM ich so perfektionistisch bin, mich immer selbst so niedermache. Ich sage zwar immer, dass ich den Grund nicht kenne. Zumindest ein Aspekt ist mir aber bewusst, nur denke ich, dass ich den nicht aussprechen kann, weil es nicht fair ist und ich mich damit negativ über etwas äußere, was ich eigentlich sehr gut und sehr wichtig finde.
Und zwar habe ich irgendwann angefangen, mich mit verschiedenen Formen der Unterdrückung auseinanderzusetzen, mit Rassismus, Diskriminierung von trans Menschen, Sexismus, Benachteiligung von Behinderten usw.
Dadurch ist mir nicht nur klar geworden, wie viel Scheiße tagtäglich in der Welt passiert, sondern auch, wie unglaublich privilegiert ich selbst bin. Ich habe sozusagen den Jackpot getroffen, weil ich weiß, europäisch, gesund, recht gut situiert bin, nicht schlecht aussehe, Zugang zu Bildung hatte, eine harmonische Familie habe und nie etwas schlimmes erlebt habe. Besser geht es kaum. Ich bin zwar schwul, aber selbst innerhalb dieser diskriminierten Gruppe bin ich extrem privilegiert.
Diese ganze Erkenntnis hat dazu geführt, dass ich einfach zwanghaft versuche, alles richtig zu machen. Keine diskriminierenden Begriffe zu verwenden, mich weiterzubilden, marginalisierten Menschen zuzuhören, dazuzulernen.
Trotzdem habe ich das Gefühl, dass es nie genug ist und dass meine pure Existenz anderen den Platz wegnimmt. Dass ich mehr tun müsste.
Das hat leider alles dazu geführt, dass ich alle negativen Gefühle und Gedanken in mich reinfresse, weil ich denke, dass ich jetzt schon zu viel Platz einnehme.
Indem ich darüber spreche, bestätige ich das ironischerweise: extrem privilegierter Typ kommt nicht damit klar, dass sich die Welt mal nicht um ihn dreht und heult dann rum, dass es mal nicht um ihn geht.
Wie fragil bitte ist mein Ego, dass ich wegen dieser Erkenntnis emotional so abstürze, dass ich nicht mehr klarkomme?

Du bist übrigens du und nicht eine Mischung aus diversen Zuschreibungen. Das mag sein, dass es viel Ungerechtigkeit in der Welt gibt, aber in dem Dunstkreis des eigenen Lebens darf man sich gern darüber empören und sich darüber austauschen. Aber mehr dann doch nicht, wenn man merkt, dass der Halt dadurch verloren geht. Keinen Menschen geht es besser, wenn du dir selbst einredest, wie schlecht du bist.
Ich würde dir eigentlich zu Medienverbot raten: Lass die Finger von allem,, was dich irgendwie von dir selbst ablenkt und verbringe ein Wochenende in einem Raum deiner Wahl und schreibe auf, was dich ausmacht und zwar als dich selbst und nicht als "weiß" oder "Europäer":
Leidensdruck und Probleme sind nie relativierbar. Wenn es dir schlecht geht, geht es dir schlecht. Das wird nicht besser oder schlechter, weil es Menschen gibt, denen es vielleicht noch schlechter geht.
 
axis mundi
Benutzer172636  Planet-Liebe-Team
Moderator
  • #7
Ich abstrahiere das für dich: Du hast den Punkt gefunden, mit dem du dein Selbstbewusstsein zerstören kannst. Es ist völlig egal, ob deine Nase so hässlich ist, dass dich bestimmt niemand anschaut und du glaubst, alle wären nur aus Mitleid mit dir zusammen/befreundet oder dass du (trotz Arbeit!) nicht genug dafür getan hast, in die Position zu kommen, in der du jetzt bist und dass bestimmt jemand deinen „Schwindel“ irgendwann bemerkt oder ob du dick bist und in deinen Augen „zu dumm, die Fresserei zu kontrollieren“ oder du eine Depression hast und dir das nicht eingestehst und dich damit fertigmachst, zu faul zu sein, nicht einfach aufzuhören traurig zu sein (weil die Situation objektiv betrachtet ja nicht schlimm sei), nicht genug dagegen zu tun, etc. Das ist alles Bullshit. Deine Gefühle sind legitim — genauso wie es die der anderen auch sind. Klar, mag es sich angenehmer im hübschen Auto als auf dem Fahrrad heulen, aber tut deswegen beispielsweise Liebeskummer weniger weh? Funktionieren Familien besser, nur weil Reichtum da ist? Aus meiner Sicht, ist dem nicht so.
Dass die Startbedingungen in unserer Welt leider sehr unterschiedlich sind, ist allgemein bekannt und nichts, wofür du dich schämen musst. Wichtig ist viel eher, was du daraus machst und vor Allem, warum das der Faktor ist, der dich in deinem Kopf davon abhält, dir deine Probleme einzugestehen, der dir vorgaukelt, du würdest keine Hilfe verdienen, etc. Bzw. warum es einen solchen Faktor bei dir gibt und warum er so wirkt.
Es ist sozusagen einfach nur „dein Grund“ — der zwar biographisch passen mag, aber eben nicht das eigentliche „Problem“ ist. Denn das ist immernoch, dass du dir deine eigenen ganz normalen menschlichen Schwächen nicht zugestehst, das immer weiter in dich reinfrisst, dich damit kaputtmachst. Solange das nicht aufgearbeitet wird, ist es schwierig, aus dem Kreislauf auszubrechen.
 
G
Benutzer Gast
  • #8
Ich abstrahiere das für dich: Du hast den Punkt gefunden, mit dem du dein Selbstbewusstsein zerstören kannst. Es ist völlig egal, ob deine Nase so hässlich ist, dass dich bestimmt niemand anschaut und du glaubst, alle wären nur aus Mitleid mit dir zusammen/befreundet oder dass du (trotz Arbeit!) nicht genug dafür getan hast, in die Position zu kommen, in der du jetzt bist und dass bestimmt jemand deinen „Schwindel“ irgendwann bemerkt oder ob du dick bist und in deinen Augen „zu dumm, die Fresserei zu kontrollieren“ oder du eine Depression hast und dir das nicht eingestehst und dich damit fertigmachst, zu faul zu sein, nicht einfach aufzuhören traurig zu sein (weil die Situation objektiv betrachtet ja nicht schlimm sei), nicht genug dagegen zu tun, etc. Das ist alles Bullshit. Deine Gefühle sind legitim — genauso wie es die der anderen auch sind. Klar, mag es sich angenehmer im hübschen Auto als auf dem Fahrrad heulen, aber tut deswegen beispielsweise Liebeskummer weniger weh? Funktionieren Familien besser, nur weil Reichtum da ist? Aus meiner Sicht, ist dem nicht so.
Dass die Startbedingungen in unserer Welt leider sehr unterschiedlich sind, ist allgemein bekannt und nichts, wofür du dich schämen musst. Wichtig ist viel eher, was du daraus machst und vor Allem, warum das der Faktor ist, der dich in deinem Kopf davon abhält, dir deine Probleme einzugestehen, der dir vorgaukelt, du würdest keine Hilfe verdienen, etc. Bzw. warum es einen solchen Faktor bei dir gibt und warum er so wirkt.
Es ist sozusagen einfach nur „dein Grund“ — der zwar biographisch passen mag, aber eben nicht das eigentliche „Problem“ ist. Denn das ist immernoch, dass du dir deine eigenen ganz normalen menschlichen Schwächen nicht zugestehst, das immer weiter in dich reinfrisst, dich damit kaputtmachst. Solange das nicht aufgearbeitet wird, ist es schwierig, aus dem Kreislauf auszubrechen.

lieber ghost -
DAS, diese klugen worte von der weisen axis, solltest du dir ausdrucken, und es dir übers bett hängen! : - )
 
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