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Der Fall Bence Toth: Ein Justizskandal oder ein zu Recht verurteilter Mörder?

littleLotte
Benutzer102949  Beiträge füllen Bücher
  • #1
Hallo zusammen,

in den Medien hört man immer wieder von Fällen in den USA, aber auch in Deutschland, in denen Menschen auf Grundlage einer sehr dünnen Beweislage verurteilt werden. In solchen Fällen urteilt das Gericht ggf. auf Basis von Indizien - und manchmal passieren während den Ermittlungen grobe Fehler, die im Anschluss unter den Teppich gekehrt werden. Einseitige Ermittlungen, damit der Fall zügig aufgeklärt werden kann, was ggf. bedeutet, dass der Falsche im Gefängnis sitzt und der wahre Täter noch immer auf freiem Fuß ist.

Im Fall Bence Toth geht es um den Neffen einer Millionärswitwe, die 2006 tot in ihrer Münchner Penthousewohnung oberhalb des Isar-Parkhauses aufgefunden wurde. Von Bence Toth. Er hat sein Jurastudium, welches seine Tante ihm nahegelegt hat, abgebrochen und die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, dass er um sein Erbe bangen musste und sie deshalb erschlagen haben soll. Dass seine Tante von seinem Studienabbruch längst Bescheid wusste, was von mehreren Zeugen bestätigt wurde, wurde hier ignoriert.
Anhand der Blutspuren kam heraus, dass der Täter mit der rechten Hand auf das Opfer eingeschlagen haben muss - Bence ist aber Linkshänder.
Die Mordwaffe wurde bis heute nicht gefunden. Ihr Neffe hat zur vermuteten Zeit des Mordes kein Alibi, aber man weiß, dass er kurz vorher und später in seiner Wohnung gewesen sein muss. Wenn er der Mörder war, muss er innerhalb eines bestimmten Zeitraumes also zum Parkhaus und zurückgefahren sein - aber weder kann sich irgendjemand daran erinnern ihn gesehen zu haben, noch ist er auf einer einzigen Überwachungskamera zu sehen.
Besonders interessant: Am Tatort wurden an mehreren Stellen DNA-Spuren entdeckt, die mit einem anderen Mordverfall, der 25 Jahre zurücklag, in Verbindung steht. Opfer war die damals 10jährige Ursula Hermann, die im Wald entführt und in einer Kiste unter der Erde erstickte. Hintergrund war eine Lösegelderpressung, die mit dem Tod des Kindes endete.* Damals war Bence 6 Jahre alt - er kann es nicht gewesen sein. Trotzdem: Man konnte sich diesen Zusammenhang nicht erklären und hat ihn dennoch verurteilt.

*Im Fall Ursula Herrmann wurde übrigens auch ein Unschuldiger verurteilt, der inzwischen aber wieder auf freiem Fuß ist.

Seine Anwälte versuchen nun den Fall neuaufzurollen, u.a. da sich nach neusten Untersuchungen diverse DNA-Spuren am Opfer bzw. vom Tatort nicht mehr zweifelsfrei Bence zuordnen lassen.

Leider ist der Fall Bence Toth nicht der einzige.
- Ralf Witte wurde zu Unrecht wegen Vergewaltigung einer Minderjährigen verurteilt und saß 5 Jahre ein bis er freigesprochen wurde
- Monika de Montgazon saß mehrere Jahre unschuldig wegen Brandstiftung, Mord an ihrem Vater und Versicherungsbetrug im Knast
- Andreas Darsow soll wegen Nachbarschaftsstreitereien die Nachbarn kaltblütig ermordet haben und sitzt bis heute im Gefängnis. Seine Frau - alleinerziehend mit 3 Kindern - versucht bis heute den Fall neuaufzurollen
- Markus Mundo soll seinen Vater und seinen Bruder ermordet und ihre Leichen in Frankreich verscharrt haben. Wegen Doppelmordes sitzt er seit Jahren in Haft und streitet es bis heute ab


Was meint ihr? Kann man als Laie überhaupt zu einem Urteil kommen? Sind die Berichterstattungen im Netz zu einseitig? Besonders auf Youtube und Netflix laufen hierzu reihenweise Dokus, die dem Zuschauer ein klares Bild vermitteln. Aber stimmt das wirklich und ist es tatsächlich so einfach? Oder vertraut ihr auf die deutsche Justiz und haltet das für rechtmäßig verurteilte Mörder - oder absolute Ausnahmefälle?
Was ist eure Sicht zum Fall Bence Toth? Oder zu den anderen erwähnten Fällen? Glaubt ihr an seine Unschuld oder eher, dass es die eigene Familie und der Freundeskreis nicht wahrhaben will, dass er der Mörder seiner Tante ist?

Off-Topic:
@Moderation: Nun habe ich gleich den Titel falsch geschrieben: Es sollte eigentlich Bence "Toth" heißen ... könnte das jemand korrigieren? Danke :ashamed:
 
Zuletzt bearbeitet:
G
Benutzer Gast
  • #2
Es gibt noch unzählige andere Fälle!
Diese zu beurteilen, oder jetzt ein Fass aufmachen was die böse Justiz falsch gemacht hat ist genauso Falsch!

Was möchtest du denn hören zu den von dir genannten Fällen?
 
littleLotte
Benutzer102949  Beiträge füllen Bücher
  • Themenstarter
  • #3
Was möchtest du denn hören zu den von dir genannten Fällen?

Das was im Eingangspost steht :ninja:
Das soll ein reiner Spekulationsthread sein, der nicht das Ziel hat, die Justiz zu verteufeln. Wer sich aber ein bisschen damit beschäftigt, kann zu dem Ergebnis kommen, dass im Rechtswesen nicht alles astrein ist. Beim Fall Toth werden u.a. auch schwere Vorwürfe gegen den damaligen Hauptermittler und den Richter erhoben, der im Übrigen auch das NSU-Verfahren leitete...
 
Mark11
Benutzer106548  Team-Alumni
  • #4
Meistens bin ich der Meinung, dass unsere Justiz eine ziemlich gute Arbeit macht. Manchmal bin ich sogar der Meinung, unsere Richter sind die letzten, die in diesem Staat noch die Fahne von Recht und Rechtmäßigkeit hoch halten, während die anderen beiden Säulen in Korruption, Dummheit und Rechtslastigkeit versinken.
Aber leider hört man immer wieder von Fällen wie diesem hier, wo sowohl Ermittlungsarbeit, staatsanwaltliche Rechtsinterpretation als auch das richterliche Urteil zum Himmel stinken. Oft in seltener Eintracht...

Das Problem dabei: ich war bei den Ermittlungsarbeiten nicht dabei, ich war nicht Zuschauer beim Prozess. Ich lese nur das Ergebnis. Und kann dann nur hoffen, dass der Autor des Berichts möglichst neutral recherchiert hat. Gisela Friedrichsen war so eine Person, deren Reportagen ich immer sehr gerne gelesen habe. Kram auf youtube schaue ich mir nicht an.
Das andere Problem ist: es werden jeden Tag in diesem Land so viele Urteile gesprochen. Über die allermeisten hört man keinen Ton (sind ja meist auch für die Öffentlichkeit uninteressante Dinge). Nur ab und zu kommt halt ein seltsames Urteil in die Medien und wird u.U. noch groß aufgebauscht, wenn irgendwelche C-Promis beteiligt sind.
Das Bild, das bei Vielen dann wahrscheinlich ganz unbewusst hängen bleibt, ist, dass unsere Justiz durch und durch kaputt ist. Und das glaube ich nach wie vor nicht. Auch wenn ich denke, dass es immer wieder ungerechte oder sogar skandalöse Urteile gibt.
 
A
Benutzer160853  Sehr bekannt hier
  • #5
Es gibt die langläufige Meinung, dass etwa 10% der Strafurteile fehlerhaft sind. Justizirrtümer, ich weigere mich von Skandalen zu sprechen, kommen vor.
Das Problem für "uns" Reporter ist, dass ein Gerichtsprozess immer nur zu Bruchteilen öffentlich ist. Wir sind bei der Urteilsfindung nicht dabei, kennen die Ermittlungen auch eher aus der dritten Reihe.
Je emotionaler der Prozess desto deutlicher werden Meinungsunterschiede zwischen den einzelnen Berichterstatter. Der Mordfall Monika Weimar war auch ein Kampf zwischen Spiegel und Stern. Ich finde das nichtmal problematisch, weil die Juristen auch unterschiedlicher Meinung sind.
Ich finde den Ruf nach dem vermeintlichen Skandal in diesem Bereich sehr einfach. Im Falle NSU waren beispielsweise die Ermittler vor der Aufdeckung näher dran als sich heute viele erinnern wollen. Wer vom Ende argumentiert hat es immer einfacher.
Ich finde es eher beklemmender, wenn es Freisprüche aus Zweifelsgründen gibt und eigentlich alle wissen, dass der Täter schuldig war. Aber Zeugen und Opfer oftmals unter schweren Erinnerungslücken leiden.
Realcrimeformate leben vom vermeintlichen Skandal und das, was beispielsweise RTL II versendet, halte ich für absolut unseriös, weil es nur auf den Effekt aus ist.

PS: Strafprozesse sind Kernerarbeit. Dort geht es um Kleinkram, wie Zusammensetzungen von Drogen, um Blutspritzer und Gutachten. Was, da im TV plakativ binnen 40 Minuten wegverhandelt wird, dauert sonst nicht umsonst Monate.
 
cr4nberry
Benutzer68557  (33) Sehr bekannt hier
Redakteur
  • #6
Später mehr: über die Aktenzeichen (eventuell im Wikipedia Eintrag?) gelangt man eigentlich viele Urteile der höheren Gerichte. Einfach googeln :smile:
 
K
Benutzer11466  Beiträge füllen Bücher
  • #8
Mein Vertrauen in die deutsche "Justiz" ist nicht besonders hoch.

Daß Fehlurteile passieren ist, wie überall wo Menschen arbeiten, unvermeidlich. Die deutsche Justiz scheint sich jedoch besonders schwer damit zu tun, alte Verfahren aufzurollen und Fehlurteile zu korrigieren.

Vor allem: Wenn man sich dann mal zum Eingeständnis durchringt, einen Bock geschossen zu haben, sind die "Entschädigungen" dafür läppisch. Und unser Rechtsstaat zieht ohne mit der Wimper zu zucken noch die Kosten fürs Knast-Essen ab, das man in der Zeit im Bau "genossen" hat...
 
G
Benutzer Gast
  • #9
Mein Vertrauen in die deutsche "Justiz" ist nicht besonders hoch.

Daß Fehlurteile passieren ist, wie überall wo Menschen arbeiten, unvermeidlich. Die deutsche Justiz scheint sich jedoch besonders schwer damit zu tun, alte Verfahren aufzurollen und Fehlurteile zu korrigieren.

Wiederaufnahmeverfahren werden oft einfach nicht zugelassen. Und daran hängt sich dann letztlich auch eine Korrektur auf.

Was unter anderem in den USA auch an unschuldigen in Haft sitzt ist auch nicht ohne, sind schon unschuldige hingerichtet worden.
 
littleLotte
Benutzer102949  Beiträge füllen Bücher
  • Themenstarter
  • #10
Wiederaufnahmeverfahren werden oft einfach nicht zugelassen.

Da muss man sich ja auch die Frage stellen, wie das sein kann. Wenn offensichtlich teils schwere Fehler während den Ermittlungen begangen wurden, wenn sich herausstellt, dass die Hauptbeweislast einer DNA kontaminiert wurde, wie kann es sein, dass manche Fälle dutzende Male vor der Wiederaufnahme scheitern? Da muss sich die Justiz den ein oder anderen Vorwurf auch gefallen lassen, dass da irgendwas faul ist ...

EDIT: Generell bin ich auch der Meinung, dass die deutsche Justiz in der Regel ihre Arbeit gut macht und dass man so schnell auch nichts zu befürchten braucht. Ich bin auch nicht der Meinung, dass man "mal eben so" als Tatverdächtiger eines Mordfalls gilt. Dennoch fallen einzelne Schicksale durch das Raster, sitzen jahrzehnte im Gefängnis und kein Hahn kräht danach. Da müssen sich tiefe Abgründe für denjenigen auftun. Und es gibt ja leider auch Deutsche, die im US-Knast festsitzen, teilweise seit Jahrzehnten und bis heute auf ihrer Unschuld beharren. Für die Betroffenen und die Angehörigen muss das unglaublich Schlimm sein. Und das erst Recht, wenn sich irgendwann doch herausstellen sollte, dass derjenige es doch war ...
 
Zuletzt bearbeitet:
C
Benutzer136306  Planet-Liebe Berühmtheit
  • #12
Wobei ich den Wikipediaeintrag ausnahmsweise mal richtig schlecht finde.
Wenn jemand auf Grund einer glaubhafter Falschaussagen (wie in einer Vielzahl der dort genannten Fälle) verurteilt wird, würde ich das nicht „Jusitzirrtum“ nennen. Die Justiz kann ja (zum Glück) keine Gedanken lesen.

Ich würde das schon eine Justizirrtum nennen, denn die Justiz hat sich nunmal geirrt. Dass sie das aus nachvollziehbaren Motiven tat, ist eine andere Frage.

In der Sache finde ich es sehr schwierig, solche Fälle von außen auf der Grundlage von Zeitungsartikeln oder Dokumentationen zu beurteilen. Ja, natürlich kommen Fehlurteile vor. Das ist für die Betroffenen grauenhaft und einige Fehlurteile beruhen auch auf eklatanten handwerklichen Fehlern. Aber man sollte nicht verkennen, dass solcher Berichterstattung auch gelegentlich eine Agenda zugrunde liegt und dass die Sachlage da ausgewogen gezeichnet wird, ist nicht gesichert.
[doublepost=1557505084,1557504909][/doublepost]
Es gibt die langläufige Meinung, dass etwa 10% der Strafurteile fehlerhaft sind.

Was meinst du damit? Dass in 10 % der Fälle Unschuldige verurteilt werden? Das halte ich für maßlos übertrieben, da nur in 10-20 % der Fälle die Schuldfrage überhaupt ernsthaft zur Diskussion steht. Im Regelfall ist ein Strafurteil deshalb "fehlerhaft", d.h. nicht im Einklang mit der materiellen Wahrheit, weil der Verurteilte zu günstig wegkommt, da ihm nur ein Teil seiner Taten bzw. deren Ausmaß nachweisbar ist.

Ich finde es eher beklemmender, wenn es Freisprüche aus Zweifelsgründen gibt und eigentlich alle wissen, dass der Täter schuldig war.

Ich finde es beklemmender, wenn Unschuldige verurteilt als wenn Schuldige freigesprochen werden.
 
littleLotte
Benutzer102949  Beiträge füllen Bücher
  • Themenstarter
  • #13
Zum Fall Bence Toth habe ich das gefunden ... sind zwar nur Gerüchte, aber die haben es in sich. Der damalige Hauptermittler sagte, dass nichts gestohlen wurde (obwohl Schränke und Schubladen geöffnet vorgefunden wurden), aber wenn das Opfer tatsächlich Geld in der Wohnung bunkerte, wovon wenige aus ihrem Bekanntenkreis wussten, könnte das den Fall in eine ganz andere Richtung lenken.

Je mehr ich über den Fall recherchiere, desto mehr entsteht der Eindruck, dass weder sachlich untersucht wurde, noch dass jedem Hinweis nachgegangen wurde. :confused:
 
A
Benutzer160853  Sehr bekannt hier
  • #14
  • Vera Brühne wurde 1962, zusammen mit dem Mitangeklagten Johann Ferbach, vom Landgericht München II wegen gemeinschaftlichen Doppelmordes zu einer lebenslangen Haftstrafe im Zuchthaus verurteilt. Nach achtzehnjähriger Haft wurde sie 1979 von MinisterpräsidentFranz Josef Strauß begnadigt und aus der Haft entlassen. Über das Urteil schrieb die Wochenzeitung Die Zeit 2001: „...Vera Brühne – ob Mörderin oder nicht – hätte auf der Basis solch einseitiger und unsauberer Ermittlungen niemals verurteilt werden dürfen.“
Brühne/Ferbach war kein Justizirrtum, sondern ein handfester Skandal. Dort wurde sehr bewusst in die Richtung der beiden Schwächsten ermittelt. Inbesondere Ferbach war der nützliche Idiot

anders verhält es sich bei folgenden Fall:
  • Monika Weimar wurde 1988 vom Landgericht Fulda wegen Mordes an ihren beiden Töchtern zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. In einem Wiederaufnahmeverfahren wurde sie 1997 freigesprochen. Nach einer Revision der Staatsanwaltschaft gegen diesen Freispruch fand ein weiterer Prozess statt, in dem sie 1999 vom Landgericht Frankfurt am Main erneut zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Weimar wurde 2006, nach insgesamt 15 Jahren Haft, aus dem Gefängnis entlassen.
Klassischer Indizienprozess, bei dem nach menschenmöglichen Ermessen nur dieses eine Ergebnis rauskommen konnte. Das ist alles andere als ein Skandal, sondern prozessualer Alltag.

Eine Skandal ganz anderer Sorte war dann schon eher:
  • In den Wormser Prozessen wurden zwischen 1993 und 1997 am Landgericht Mainz 25 Personen aus Worms und Umgebung wegen des massenhaften Kindesmissbrauchs im Rahmen eines angeblichen Pornorings angeklagt. Die Beschuldigten saßen mehrere Jahre in Untersuchungshaft. Die drei Prozesse endeten 1996 und 1997 mit Freispruch für alle 25 Angeklagten. In dem Urteil heißt es: „Den Wormser Massenmissbrauch hat es nie gegeben“ sowie „Bei allen Angeklagten, für die ein langer Leidensweg zu Ende geht, haben wir uns zu entschuldigen.“ Ausgelöst wurden die Anklagen durch übersteigerten Belastungseifer des Vereins Wildwasser Worms
Der Beweis, warum auch Opfer hinterfragt werden sollen!

Der Artikel wirft alles in den großen Topf.
 
K
Benutzer11466  Beiträge füllen Bücher
  • #15
Wieder mal hohldrehende Staatsanwälte - Existenzen ruiniert, Leute um Jahre ihres Lebens gebracht. Und für die Herrschaften folgenlos... :kotz:

Regensburg: Joachim Wolbergs weitgehend freigesprochen

"Wir haben dem Angeklagten Wolbergs Glauben geschenkt", sagt Richterin Escher. Es habe keine rechtswidrige Diensthandlung gegeben. Die Arbeit der Ermittlungsbehörden rügt sie scharf: Die mehrwöchige Untersuchungshaft für die beiden Hauptbeschuldigten ab Januar 2017 sei unangemessen gewesen, ebenso das Abhören und Verschriftlichen von Telefonaten. "Ich hätte mir eine andere Ermittlungsarbeit gewünscht."

"Drei Jahre lang bin ich behandelt worden wie ein Stück Scheiße"

Keine Korruptionsaffäre, das bleibt am Ende stehen. Und ein Hauptangeklagter, der erleichtert ist und wütend: "Drei Jahre lang bin ich behandelt worden wie ein Stück Scheiße", giftet Wolbergs in einer Pause mit hochrotem Kopf, "natürlich muss die Suspendierung aufgehoben werden - ich habe drei Jahre verloren." Und dann geht er erst einmal eine rauchen, bevor er seine Tochter lang und innig umarmt.

Quasi-Freispruch für Wolbergs

Die Entscheidung für den Quasi-Freispruch für Wolbergs begründet die Richterin damit, dass nur strafbar gewesen sei, dass Wolbergs in den Jahren 2015 und 2016 Spenden angenommen habe. Zu jenem Zeitpunkt war er schon Oberbürgermeister. Nicht aber in den Jahren zuvor, als Wolbergs Dritter Bürgermeister und OB-Kandidat der SPD war. Daher seien nur zwei Fälle "strafbar, aber überschaubar", wie die Vorsitzende Richterin Elke Escher sagt. Hier habe "mitnichten eine korruptive Dauerbeziehung" bestanden, wie es die Staatsanwaltschaft dargestellt habe.
 
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K
Benutzer11466  Beiträge füllen Bücher
  • #20
Als Staatsanwalt ermittelt man immer auf unsicherer Tatsachengrundlage.
Echt jetzt?

Der Punkt ist: Wenn man während der Ermittlungen sieht, daß der Verdacht substanzlos ist, könnte man das Verfahren einstellen - meinethalben gegen Geldauflage.

Ich würde die betreffenden Staatsanwälte gern sanktionieren, weil sie die Nullnummer ums Verrecken zur Anklage brachten - mit allen Konsequenzen für die vermeintlichen Täter. Weil: Mit "Glück" findet man ja Richter, die einem folgen und muß nicht öffentlich eingestehen, sich verrannt zu haben... Motto: Hauptsache, wir haben keine Scheiße an den Hacken.

Aber wo wir schon beim "Rechts"staat BRD sind: Die Resch-Hilfe darf weiter wegen Pipifax abmahnen und prozeßhanseln - danke, BGH!

Verband darf weiterhin abmahnen: Bundesgerichtshof sieht keinen Rechtsmissbrauch bei Umwelthilfe - Politik - Tagesspiegel

Eine Einnahmequelle der Umwelthilfe sind Abmahnungen gegen Unternehmen, die gegen Umweltauflagen verstoßen. Diese Praxis ist nach einen BGH-Urteil rechtens.


Es geht nicht um den Dieselbeschiß - es geht darum, daß die angebliche Umwelthilfe Händler wegen Formalfehlern abzieht:

So funktioniert das fragwürdige Geschäft der Deutschen Umwelthilfe

Als Lüders' Mitarbeiter die Annonce aufgegeben hat, ist ihm ein Lapsus unterlaufen: Einer der acht Mazdas hat keine 1000 Kilometer auf dem Zähler und ist noch keine drei Monate zugelassen. Somit gilt er als Neuwagen. Und Werbung für Neuwagen, so will es die Bürokratie, muss umfassendere Angaben enthalten als Anzeigen für Gebrauchte.

Am 4. August um 10.40 Uhr, die Annonce ist noch keine Woche alt, spuckt Lüders' Faxgerät ein dreiseitiges Schreiben aus. "Deutsche Umwelthilfe" steht auf dem Briefkopf. Lüders liest die Sätze: "Uns ist der nachstehend geschilderte Wettbewerbsverstoß Ihrer Firma bekannt geworden", "Gänzlich fehlen in der Anzeige die nach § 5 Pkw-EnVKV notwendigen Angaben zum Kraftstoffverbrauch und den CO₂-Emissionen", "Es steht damit fest, dass Ihr Verhalten rechtswidrig ist."


Und das macht die natürlich nicht, um dem Herrn Resch einen hochdotierten Posten zu erhalten, sondern für uns schutzlose Verbraucher... :kotz:
 
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Schweinebacke
Benutzer78484  Planet-Liebe-Team
Moderator
  • #21
Echt jetzt?

Der Punkt ist: Wenn man während der Ermittlungen sieht, daß der Verdachz substanzlos ist, könnte man das Verfahren einstellen - meinethalben gegen Geldauflage.

Ich würde die betreffenden Staatsanwälte gern sanktionieren, weil sie die Nullnummer ums Verrecken zur Anklage brachten - mit allen Konsequenzen für die vermeintlichen Täter. Weil: Denn mit "Glück" findet man ja Richter, die einem folgen und muß nicht öffentlich eingestehen, sich verrannt zu haben...

Aber wo wir schon beim "Rechts"staat BRD sind: Die Resch-Hilfe darf weiter wegen Pipifax abmahnen und prozeßhanseln - danke, BGH!

Verband darf weiterhin abmahnen: Bundesgerichtshof sieht keinen Rechtsmissbrauch bei Umwelthilfe - Politik - Tagesspiegel

Eine Einnahmequelle der Umwelthilfe sind Abmahnungen gegen Unternehmen, die gegen Umweltauflagen verstoßen. Diese Praxis ist nach einen BGH-Urteil rechtens.


Es geht nicht um den Dieselbeschiß - es geht darum, daß die angebliche Umwelthilfe Händler wegen Formalfehlern abzieht:

So funktioniert das fragwürdige Geschäft der Deutschen Umwelthilfe

Als Lüders' Mitarbeiter die Annonce aufgegeben hat, ist ihm ein Lapsus unterlaufen: Einer der acht Mazdas hat keine 1000 Kilometer auf dem Zähler und ist noch keine drei Monate zugelassen. Somit gilt er als Neuwagen. Und Werbung für Neuwagen, so will es die Bürokratie, muss umfassendere Angaben enthalten als Anzeigen für Gebrauchte.

Am 4. August um 10.40 Uhr, die Annonce ist noch keine Woche alt, spuckt Lüders' Faxgerät ein dreiseitiges Schreiben aus. "Deutsche Umwelthilfe" steht auf dem Briefkopf. Lüders liest die Sätze: "Uns ist der nachstehend geschilderte Wettbewerbsverstoß Ihrer Firma bekannt geworden", "Gänzlich fehlen in der Anzeige die nach § 5 Pkw-EnVKV notwendigen Angaben zum Kraftstoffverbrauch und den CO₂-Emissionen", "Es steht damit fest, dass Ihr Verhalten rechtswidrig ist."


Und das macht die natürlich nicht, um dem Herrn Resch einen hochdotierten Posten zu erhalten, sondern für uns schutzlose Verbraucher... :kotz:
Soviel Wert die DUH beim Dieselskandal war (ok, eigentlich haben den ja eher die Amis aufgedeckt), ein zwielichtiger Verein bleibt es trotzdem.
 
Schweinebacke
Benutzer78484  Planet-Liebe-Team
Moderator
  • #23
Eben - dem der BGH gerade den Freifahrtschein zum Abkassieren in die Hand drückte...
Naja, das klingt doch eher nach so 08/15 Abmahnungen, die im Onlinebereich leider gang und gäbe sind.
 
Mark11
Benutzer106548  Team-Alumni
  • #24
Eben - dem der BGH gerade den Freifahrtschein zum Abkassieren in die Hand drückte...
Das Problem ist in diesem Fall leider nicht die DUH, sondern die deutschen Gesetze, die so eine arschige Abkassiererei legal machen.
 
K
Benutzer11466  Beiträge füllen Bücher
  • #25
Das Problem ist in diesem Fall leider nicht die DUH, sondern die deutschen Gesetze, die so eine arschige Abkassiererei legal machen.
Stimmt zwar (und ist der nächste Grund, sich über den "Rechts"staat Deutschland aufzuregen) - aber Grundlage für die Abmahnerei ist in diesem Fall ja, daß die Resch-Hilfe angeblich uns Verbraucher schützt. Das hätte man als Richter ja durchaus mal hinterfragen können - davon, daß ein Händler wegen Pipifax Kohle an die Resch-Hilfe abdrückt, haben wir Verbraucher nämlich genau nix.
 
Mark11
Benutzer106548  Team-Alumni
  • #26
aber Grundlage für die Abmahnerei ist in diesem Fall ja, daß die Resch-Hilfe angeblich uns Verbraucher schützt.
Nein, stimmt so leider nicht ganz. Sie mahnen ab, weil sie es dürfen. So wie es jeder darf.
Ob sie uns Verbraucher schützen ist für die Frage relevant, ob sie ihre Gemeinnützigkeit behalten dürfen.
 
Edelweiss
Benutzer161456  Sehr bekannt hier
  • #27
Eben - dem der BGH gerade den Freifahrtschein zum Abkassieren in die Hand drückte...

Als Lüders' Mitarbeiter die Annonce aufgegeben hat, ist ihm ein Lapsus unterlaufen: Einer der acht Mazdas hat keine 1000 Kilometer auf dem Zähler und ist noch keine drei Monate zugelassen. Somit gilt er als Neuwagen. Und Werbung für Neuwagen, so will es die Bürokratie, muss umfassendere Angaben enthalten als Anzeigen für Gebrauchte.

Am 4. August um 10.40 Uhr, die Annonce ist noch keine Woche alt, spuckt Lüders' Faxgerät ein dreiseitiges Schreiben aus. "Deutsche Umwelthilfe" steht auf dem Briefkopf. Lüders liest die Sätze: "Uns ist der nachstehend geschilderte Wettbewerbsverstoß Ihrer Firma bekannt geworden", "Gänzlich fehlen in der Anzeige die nach § 5 Pkw-EnVKV notwendigen Angaben zum Kraftstoffverbrauch und den CO₂-Emissionen", "Es steht damit fest, dass Ihr Verhalten rechtswidrig ist."

Naja,was denn nun... du bist doch hier im Forum meist der Erste, der bei Betrugsversuchen und Verbraucherirreführungen von Firmen und Konzernen munter den Kotzebutton zückst und lauthals Verrat und Inkompetenz witterst.

Komisch, bei Umweltauflagen sind Verbraucherschützer eine ungeheuerliche Abzocke des Anzeigers, sonst eine geachtete Kontrollinstanz.
Ich bin sehr froh, dass die Machenschaften rund um die Abgase nun auf dem Tisch liegen und gerichtlich verhandelt werden.
Und das geht in Zeiten von Groko und Grosskonzernlobbyismus halt nur so, von der Grasnarbe aus.

Was denn nun, entweder oder?
Gleiches Recht für alle.
Das eine gibt es nicht ohne das andere.
 
Zuletzt bearbeitet:
C
Benutzer136306  Planet-Liebe Berühmtheit
  • #28
Echt jetzt?

Der Punkt ist: Wenn man während der Ermittlungen sieht, daß der Verdachz substanzlos ist, könnte man das Verfahren einstellen - meinethalben gegen Geldauflage.

Bitte was? Wenn der Verdacht substanzlos ist, soll gegen Geldauflage eingestellt werden?

Ich würde die betreffenden Staatsanwälte gern sanktionieren, weil sie die Nullnummer ums Verrecken zur Anklage brachten - mit allen Konsequenzen für die vermeintlichen Täter. Weil: Mit "Glück" findet man ja Richter, die einem folgen und muß nicht öffentlich eingestehen, sich verrannt zu haben... Motto: Hauptsache, wir haben keine Scheiße an den Hacken.

Darf ich fragen, auf welcher Tatsachengrundlage du solche forschen Urteile fällst?


Ich liebe deine differenzierte, vielschichtige und kenntnisreiche Kommentierung des Tagesgeschehens. Kaum jemand hat das ahnungslose Granteln so perfektioniert wie du.
 
Mark11
Benutzer106548  Team-Alumni
  • #29
Ok, manchmal wird meine eigentlich gute Meinung über unsere Justiz dann doch erschüttert, gerne übrigens mal, wenn es um Polizisten geht:
Nach zwei Freisprüchen: Polizei-Opfer vom CSD soll wieder vor Gericht

Schade, dass man diesem Staatsanwalt die Kosten dieses neuerlichen Verfahrens, mit dem er mit Sicherheit wieder gegen die Wand fahren wird, nicht von seinen üppigen Bezügen abziehen kann.
 
K
Benutzer11466  Beiträge füllen Bücher
  • #30
Schade, dass man diesem Staatsanwalt die Kosten dieses neuerlichen Verfahrens, mit dem er mit Sicherheit wieder gegen die Wand fahren wird, nicht von seinen üppigen Bezügen abziehen kann.
Vor allen Dingen, da diese Herrschaften ja gern über Überlastung klagen... Aber für so einen Quatsch haben sie Zeit.

In Brandenburg handeln Polizei und Innenminsterium derweil nach dem Motto: legal, illegal, scheißegal...

Kennzeichenerfassung: Brandenburgs Innenministerium will weitermachen

Das Bundesverfassungsgericht hatte erst im Februar für die Kennzeichenerfassung strenge Vorgaben aufgestellt. (..)
Das Gericht hielt dabei grundsätzlich fest: "Zur Freiheitlichkeit des Gemeinwesens gehört es, dass sich die Bürgerinnen und Bürger grundsätzlich fortbewegen können, ohne dabei beliebig staatlich registriert zu werden, hinsichtlich ihrer Rechtschaffenheit Rechenschaft ablegen zu müssen und dem Gefühl eines ständigen Überwachtwerdens ausgesetzt zu sein.“ Bis Ende 2019 müssen die Bundesländer nun ihre Praxis der Kfz-Kennzeichenerfassung korrigieren.

Im Mai wurde bekannt, dass die brandenburgische Polizei die Kennzeichenerfassung unverändert fortführte.


Andernorts muß man Kriminelle freilassen, weil der "Rechtsstaat" nicht hinterherkommt:

Justiz vor dem Kollaps?: Wer in Berlin Straftaten begeht, hat nicht viel zu befürchten - Politik - Tagesspiegel
 
Edelweiss
Benutzer161456  Sehr bekannt hier
  • #31
C
Benutzer136306  Planet-Liebe Berühmtheit
  • #32
Ok, manchmal wird meine eigentlich gute Meinung über unsere Justiz dann doch erschüttert, gerne übrigens mal, wenn es um Polizisten geht:
Nach zwei Freisprüchen: Polizei-Opfer vom CSD soll wieder vor Gericht

Schade, dass man diesem Staatsanwalt die Kosten dieses neuerlichen Verfahrens, mit dem er mit Sicherheit wieder gegen die Wand fahren wird, nicht von seinen üppigen Bezügen abziehen kann.

Es gibt kein "neuerliches Verfahren", sondern das alte Verfahren ist noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Gegen ein Berufungsurteil stehen sowohl Angeklagten als auch Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel der Revision zu. Ob die Revisionseinlegung geboten war, lässt sich aus der Ferne nicht beurteilen, genauso wenig wie die Erfolgsaussichten der Revision.
 
J
Benutzer120063  Planet-Liebe Berühmtheit
  • #33
Das Problem ist wohl, dass der Grundsatz "in dubio pro reo" in der Praxis anders aussieht als er einem in amerikanischen Gerichtsfilmen vorgespielt wird. Da läuft der geniale Verteidiger vor den Geschworenen auf und ab und sagt sowas wie: "Was aber, meine Damen und Herren, wenn dieser freundliche alte Mann die Dame gar nicht ermorden wollte? Was, wenn ein Fremder vorbeikam, ihm eine Pistole in die Hand drückte und sagte ,Kannst du mal kurz halten, ich muss mir eben den Schuh zu binden?` und der freundliche alte Mann wegen eines Schluckaufs zusammenzuckte, sodass sein Finger den Abzug betätigte und er damit seine Frau erschoss?? Können Sie das mit Sicherheit ausschließen?? Das, meine Damen und Herren, sind BERECHTIGTE ZWEIFEL!"

So läufts in der Realität halt nicht, jedenfalls nicht in Deutschland. Für eine Verurteilung muss der Richter von einen bestimmten Sachverhalt überzeugt sein, was aber nicht bedeutet, dass er sämtliche andere Möglichkeiten mit 110%iger Sicherheit ausschließen kann. Das führt fast notwendiger Weise auch zu Fehleinschätzungen, gerade in Aussage-gegen-Aussage Situationen.

Natürlich sind Fehlverurteilungen tragisch, insbesondere, wenn es um längere Haftstraften gibt. Trotzdem bin ich mir sicher, dass auf eine Fehlverurteilung sehr sehr sehr viele "unberechtigte" Freisprüche kommen (damit meine ich keine "Fehlentscheidungen" sondern Freisprüche, bei denen man eigentlich schon denkt "das ist ein Schweinehund", aber das gleichzeitig eben nicht sicher genug nachweisen kann, dass der Typ zugeschlagen hat und nicht sein Kumpel daneben). Auch wenn man es nicht so recht zugeben will, ist es am Ende doch irgendwie eine Abwägung: Je mehr Sicherheit ich für eine richterliche Überzeugung verlange, desto weniger Täter werde ich verurteilen können - aber desto weniger Fehlentscheidungen gibt es auch. Wenn man wirklich eine 100%ige Sicherheit hat, kann sich eben auch der Vergewaltiger, der sagt "Ich wollte ja gar nicht, aber dann bin ich an der Sonnenblume hängengeblieben, dabei ist mein Gürtel aufgegangen und dann bin ich ausgerutscht und in sie reingefallen" rausreden - gut das ist überspitzt. Aber man hätte z. B. in Aussage gegen Aussage-Situationen kaum eine Chance, zu verurteilen - das ist heute schon schwierig (zu Recht!), wäre aber fast unmöglich, würde man mehr "Sicherheit" verlangen.
 
K
Benutzer11466  Beiträge füllen Bücher
  • #34
Kaum stolpere ich aus ganz anderem Grund über diesen Faden, liefert die SZ neues Futter dafür:


Sie war selbst am Dienstag in Karlsruhe zur Verhandlung vor dem BGH und erzählt, dass die Richter zum Teil mit geschlossenen Augen in den Sesseln gelegen seien, als alle Seiten ihre Argumente vorgetragen hätten. Sie sei enttäuscht darüber, dass "die höchsten Entscheidungsträger sichtbar kein Interesse hatten".

Der eigentliche Fall soll hier nicht Thema sein. Aber dass das höchste Gericht dermaßen desinteressiert ist, wenn es für einen Angeklagten um eine langjährige Freiheitsstrafe geht - das ist beschämend und schäbig.
 
A
Benutzer160853  Sehr bekannt hier
  • #35
Kaum stolpere ich aus ganz anderem Grund über diesen Faden, liefert die SZ neues Futter dafür:


Sie war selbst am Dienstag in Karlsruhe zur Verhandlung vor dem BGH und erzählt, dass die Richter zum Teil mit geschlossenen Augen in den Sesseln gelegen seien, als alle Seiten ihre Argumente vorgetragen hätten. Sie sei enttäuscht darüber, dass "die höchsten Entscheidungsträger sichtbar kein Interesse hatten".

Der eigentliche Fall soll hier nicht Thema sein. Aber dass das höchste Gericht dermaßen desinteressiert ist, wenn es für einen Angeklagten um eine langjährige Freiheitsstrafe geht - das ist beschämend und schäbig.

Halt! Ich fühle mich mit dem Text mehr als unwohl, weil ich verstehen kann, dass Angehörige sich in einem solchen Fall ungerecht behandelt fühlen. Ich schiebe alles beiseite, was jetzt beim Thema Revision und BGH vorzubringen wäre. Das Thema ist zu kompliziert für ein paar Zeilen. Aber ein Strafsenat hat einen "Berichterstatter", das ist der Experte im Gericht für den Fall. Dieser muss nicht zwingend der Vorsitzende sein, zumal die anderen Richter im Verfahren eben auch ihre Aufgaben haben. "Meine große Strafkammer" erklärte mir, dass einer der beiden Beisitzer immer auf die Prozessbeteiligten achtete und der andere für Mitschriften und andere Notizen verantwortlich war. Diese Leute müssen nicht zwingend reden, um ihren Job zu machen. Ich hab es sehr selten erlebt, dass Beisitzer im Strafverfahren einen breiteren Raum einnahmen.

Das Problem ist wohl, dass der Grundsatz "in dubio pro reo" in der Praxis anders aussieht als er einem in amerikanischen Gerichtsfilmen vorgespielt wird. Da läuft der geniale Verteidiger vor den Geschworenen auf und ab und sagt sowas wie: "Was aber, meine Damen und Herren, wenn dieser freundliche alte Mann die Dame gar nicht ermorden wollte? Was, wenn ein Fremder vorbeikam, ihm eine Pistole in die Hand drückte und sagte ,Kannst du mal kurz halten, ich muss mir eben den Schuh zu binden?` und der freundliche alte Mann wegen eines Schluckaufs zusammenzuckte, sodass sein Finger den Abzug betätigte und er damit seine Frau erschoss?? Können Sie das mit Sicherheit ausschließen?? Das, meine Damen und Herren, sind BERECHTIGTE ZWEIFEL!"

So läufts in der Realität halt nicht, jedenfalls nicht in Deutschland. Für eine Verurteilung muss der Richter von einen bestimmten Sachverhalt überzeugt sein, was aber nicht bedeutet, dass er sämtliche andere Möglichkeiten mit 110%iger Sicherheit ausschließen kann. Das führt fast notwendiger Weise auch zu Fehleinschätzungen, gerade in Aussage-gegen-Aussage Situationen.

Natürlich sind Fehlverurteilungen tragisch, insbesondere, wenn es um längere Haftstraften gibt. Trotzdem bin ich mir sicher, dass auf eine Fehlverurteilung sehr sehr sehr viele "unberechtigte" Freisprüche kommen (damit meine ich keine "Fehlentscheidungen" sondern Freisprüche, bei denen man eigentlich schon denkt "das ist ein Schweinehund", aber das gleichzeitig eben nicht sicher genug nachweisen kann, dass der Typ zugeschlagen hat und nicht sein Kumpel daneben). Auch wenn man es nicht so recht zugeben will, ist es am Ende doch irgendwie eine Abwägung: Je mehr Sicherheit ich für eine richterliche Überzeugung verlange, desto weniger Täter werde ich verurteilen können - aber desto weniger Fehlentscheidungen gibt es auch. Wenn man wirklich eine 100%ige Sicherheit hat, kann sich eben auch der Vergewaltiger, der sagt "Ich wollte ja gar nicht, aber dann bin ich an der Sonnenblume hängengeblieben, dabei ist mein Gürtel aufgegangen und dann bin ich ausgerutscht und in sie reingefallen" rausreden - gut das ist überspitzt. Aber man hätte z. B. in Aussage gegen Aussage-Situationen kaum eine Chance, zu verurteilen - das ist heute schon schwierig (zu Recht!), wäre aber fast unmöglich, würde man mehr "Sicherheit" verlangen.

Was 2019 richtig ist, stimmt auch heute noch. Ich bin kein Jurist, mir wurde aber eine gewisse "Einweisung" zu teil als ich bei Gericht reportierte und es muss eben schon mehr sein als bei X-Factor, dass dies und jener in den frühen 80er-Jahren an der Ostküste passierte. Oder "meinen" Kammervorsitzenden zu zitieren. "Ein solches Verhalten widerspricht der Lebenserfahrung aller Mitglieder dieser Strafkammer". Zumal auch die Regeln wie abgestimmt wird nochmals Schranken einbauen, Schuldsprüche brauchen eine qualifiziertere Mehrheit als Freisprüche.

Ich tue mich immer schwer mit dem großen Skandalgetöse, weil ich am Ende eines solchen Verfahrens immer das Ergebnis kenne. Im laufenden Verfahren haben die Ermittler hier einen massiven Nachteil.
Ich habe zwei dieser "Aussage gegen Ausage" Fälle damals reportiert: Im ersten Fall belästigt ein bekannter Mann mehrere Frauen sexuell. Im Laufe des Verfahrens verwickeln sich die Frauen in Widersprüche, der Verteidiger ist genial und irgendwann scheitert die Veurteilung an einer Quittung. Der Mann hatte am vermeintlichen Tattag eine bestimmte Sache gekauft, aber die Rechnung des Geschäfts passt nicht, in der Summe konnte das Gericht nur freisprechen. Allerdings betonten die Richter "dass ein Freispruch kein Ausdruck erwiesener Unschuld ist, sondern nur das Ergebnis einer Hauptverhandlung."
Anderes Verfahren: Mord, eine Frau fährt von einem Familienfest nach Hause, wird vergewaltigt und erwürgt. Der Täter ist ein Mitschüler und behauptet, dass es zum einvernehmlichen Sex gekommen ist und er die Frau im Eifer des Gefächts zu "hart angepackt" hatte. Der Gerichtsmediziner, übrringes auch hier ist alles anderes als im Krimi,. konnte in seiner Aussage belegen, dass dies alles nicht stimmen kann.Er wurde schließlich verurteilt.
 
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