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Depression - wie "fühlt" sich das für mich eigentlich an?

Funksoulbrother
Benutzer58558  Meistens hier zu finden
  • #1
Ich bin ja von Depressionen betroffen. Diagnostiziert wurde das bei mir 2019. Ich hatte vorher sicher bereits Phasen, in denen ich depressiv war. Und momentan rutsche ich wieder hinein in eine solche.

Ich bemühe mich immer, einen möglichst gelassenen Umgang mit dieser Krankheit zu pflegen.

Aber die Weltwahrnehmung und Selbstwahrnehmung in solchen Phasen war, ist und bleibt extrem irritierend.

Das Schwierigste ist, dass es für Menschen ohne Depressionserfahrung kaum möglich zu sein scheint, die Lage eines Depressiven nachvollziehen zu können.

Dadurch z. B. fühle ich mich gegenwärtig "draußen" aus dem Leben.

Mein Klassiker ist z. B. dieses Nicht-aus-dem-Bett-kommen-Können. Dieses "Magnetfeld", das dich bewegungsunfähig macht.

Ich merke, wie es auch sehr willigen Menschen nicht gelingt, das verstehen zu können. Wie sich das anfühlt. Es ist nicht einfach Lustlosigkeit. Ich habe selbst kein Wort dafür. Es ist keine eigene Regung, die mich dann bewegungsunfähig macht. Es fühlt sich wie etwas Fremdes an, das Macht über mich hat, Besitz von mir ergreift, meinen noch irgendwie vorhandenen Willen lähmt. Er fühlt dabei seine eigene Betäubung noch. Er will "wach" werden, ist aber in diesem fremdartigen, wie eingeflößt wirkenden "Schlaf" gefangen.

Die Herausforderung im Umgang mit anderen Menschen ist, dass sie oft so schnell in die Ratschlagsmatrix verfallen.

Therapien können helfen, aber die Nachhaltigkeit ist in meinem Fall nicht so hoch wie erhofft. Ich habe mich bis hierhin gegen Corona und auch Putins Ukraine-Krieg mental behaupten können. Jetzt fühle ich mich einfach leer. Ich habe in den letzten dreieinhalb Jahren zwei schwere persönliche und zwei globale Krisen durchlebt. Bis hierhin hat das funktioniert, sogar verhältnismäßig gut. Nun bin ich einfach ausgezehrt.

Intellektuell fühle ich mich in meinem Leben unterfordert, emotional aber überfordert.

Corona hat Selbstverzicht gefordert, wo zum Abschluss meiner damaligen Therapie zu Beginn des Jahres 2022 eigentlich Selbstentfaltung - auch sozial, und zwar greifbar - der Weg für mich war. Ich habe dann "social distancing" pflichtschuldig gemanagt und meine beruflichen Pflichten erfüllt. Und jetzt bin ich einfach aufgebraucht.

Ich betrachte das sehr ruhig, bin wirklich nicht verzweifelt oder gar suizidal. Auch betrachte ich die Depression nicht als meinen Feind, den ich glaube bekämpfen zu müssen. Ich zerfleische mich nicht selbst. Es geht so einfach nur nicht mehr. Es wurde zu viel aus mir herausgepresst. Über meine Pflichten habe ich meine Neigungen "verloren". Ich spüre nichts mehr richtig. Ich bin einfach müde.
 
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Mark11
Benutzer106548  Team-Alumni
  • #2
Off-Topic:

Es ist nicht einfach Lustlosigkeit. Ich habe selbst kein Wort dafür. Es ist keine eigene Regung, die mich dann bewegungsunfühug macht. Es fühlt sich wie etwas Fremdes an, dass Macht über mich hat, Besitz von mir ergreift, meinen noch irgendwie vorhandenen Willen lähmt. Er fühlt dabei seine eigene Betäubung noch. Er will "wach" werden, ist aber in diesem fremdartigen "Schlaf" gefangen.
Das ist eine gut formulierte Beschreibung! Kann ich 1:1 für mich so übernehmen. Danke!
 
girl_next_door
Benutzer96776  Beiträge füllen Bücher
  • #3
Manchmal hilft es, zu wissen, dass man damit nicht alleine ist und anstatt dir jetzt mehr oder minder hilfreiche "schlaue Ratschläge" hier zu lassen, einfach nur: :knuddel:
 
G
Benutzer Gast
  • #4
Eine sehr komplexe Krankheit die man einfach nicht beschreiben kann. Einem blinden kann man den Regenbogen auch nicht richtig/einfach erklären.

Vielen Dank das du einen Einblick in dein Leben erlaubst.
 
Funksoulbrother
Benutzer58558  Meistens hier zu finden
  • Themenstarter
  • #5
"Schlaue Ratschläge" sind halt lieb gemeint, aber sie stammen aus einer anderen Welt als der des Depressiven. Ihre Perspektive ist anders, das macht es schwer, diese Ratschläge zu übernehmen bzw. auch an seine Lage anzupassen. Auch manches, was man so als Bewältigungstechniken von Profis liest, ist - je nach persönlicher Situation des Betroffenen - nicht mehr als nett gemeint, weil sie letztendlich zu oberflächlich bleiben.
Die psychologische Arbeit ist schon mit einem "willigen" Depressiven therapeutisch sehr anspruchsvoll.

Ich habe keine "schweren" Depressionen, sondern sie sind eher mittelstark ausgeprägt, aber die entwickeln - wenn akut - eine negative Gravitationskraft, die unfassbar ist.

Ich kann mir nicht vorstellen, wie es Menschen mit einer schweren Depression gehen muss. Das muss unsagbar sein.
 
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Benutzer189381  Sehr bekannt hier
  • #6
Ich habe den Standpunkt das es sich für jeden Menschen unterschiedlich anfühlen "muss" da jeder eben auch anders gestrickt ist.

Daher habe ich überhaupt nicht die Erwartung verstanden zu werden. Mir ist nur wichtig das es akzeptiert wird.
 
Funksoulbrother
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  • #7
Yurriko
Benutzer174969  (31) Sehr bekannt hier
  • #8
Mein Partner akzeptiert meine depressiven Phasen indem er nichts hinterfragt sondern dass, was ich brauche, mir gibt. Er fragt nicht nach dem wieso, er fragt nicht, wann es besser wird, er fragt nicht, wann es aufhört. Er nimmt es an, gibt mir das, was ich brauche und gut ist. Danach erklär ich ihm kurz, was der Auslöser war (bei mir gibt es fast immer einen) und dann wars es. Es wird nie wieder drüber geredet seinerseits - außer ich spreche es an.

Und selbst wenn es keinen Auslöser für mich gab, lässt er es gut sein.

Das ist für mich Akzeptanz.

Anmerkung: Ich wurde nie als depressiv diagnostiziert, allerdings hatte ich schon einen Selbstmordversuche hinter mir und wenn ich eine depressive Phase habe, ist das deutlich anders als einfach nur Lustlos sein oder schlechte Laune haben - das merkt er aber auch, dass ich da deutlich anders bin.

Mittlerweile sind es "nur" einzelne Phasen, die ab und an auftauchen - ganz, ganz selten mal mit suizidalen Gedanken allerdings ohne den Antrieb dahinter es wirklich zu tun ✌ Ich nehme an, dass das daher schon als "Depression" zählt 🤷‍♀️
 
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Funksoulbrother
Benutzer58558  Meistens hier zu finden
  • Themenstarter
  • #9
Mein Partner akzeptiert meine depressiven Phasen indem er nichts hinterfragt sondern dass, was ich brauche, mir gibt. Er fragt nicht nach dem wieso, er fragt nicht, wann es besser wird, er fragt nicht, wann es aufhört. Er nimmt es an, gibt mir das, was ich brauche und gut ist. Danach erklär ich ihm kurz, was der Auslöser war (bei mir gibt es fast immer einen) und dann wars es. Es wird nie wieder drüber geredet seinerseits - außer ich spreche es an.

Und selbst wenn es keinen Auslöser für mich gab, lässt er es gut sein.

Das ist für mich Akzeptanz.
Hervorragend. :thumbsup:

Reagieren deine Freund:innen ähnlich wie dein Partner?

Und wie ist es, falls es sich auf die Arbeit auswirkt, mit Kolleg:innen oder Vorgesetzten?

Das mit dem "Auslöser" einer Depression ist auch so ein Ding. Es kann ihn geben (im Sinne von Ereignissen), aber es muss ihn nicht geben.
 
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Benutzer189381  Sehr bekannt hier
  • #10
Was bedeutet denn Akzeptanz für dich? Wie äußert sich für dich diese Akzeptanz im Umgang mit einem Depressionskranken?

Depression ist eine krankheit.

Und dies sollte jeder anerkennen.

Zu einem Beinamputierten wurde niemand sagen, wenn du dich nur genug zusammen reißt, dann schaffst du den 5 km Lauf schon.

Oder zu einem krebskranken das er nur genug Willen braucht um wieder gesund zu werden.

Depression und auch sonst alle psychischen Krankheiten, hat sich keiner ausgesucht oder wünscht sich die zu haben.

Daher einfach akzeptieren wenn ein Mensch mit Depressionen anders ist und reagiert.

Ein wichtiger Punkt wäre auch:

Leider wird heutzutage das wort Depression (auch wie anderes Narzisst, Psychopath) zu leichtfertigt benutzt.

Das verwäscht meiner Meinung nach die ernste Erkrankung welche dahinter steht.

Klar, es gibt innerhalb der Diagnose Depression auch Abstufungen (leicht -mittel-schwer) Trotzdem ist es immer eine ernstzunehmende Erkrankung.

Ich erwarte als betroffene keine Rücksicht oder Verständnis aber ich erwarte ernst genommen zu werden.

Wenn ich sage: heute geht es mir nicht gut - ich bleib unter der Decke.

Dann will ich keine Ratschläge, Aufmunterung Versuche, Augen verdrehen weil ich wieder im Bett bleiben usw.

Ich darf so sein und wenn es dem anderen nicht passt weil es zu belastend ist, dann kann er ja gehen.

Ich möchte keine Belastung für mein Umfeld sein. Zum Glück bin ich es auch für mein Umfeld nicht. Sie nehmen mich wie ich bin.
 
Yurriko
Benutzer174969  (31) Sehr bekannt hier
  • #11
Reagieren deine Freunde ähnlich wie dein Partner?
Niemand weiß davon außer ihm. Ich erzähl sowas nicht rum.
Und wie ist es, falls es sich auf die Arbeit auswirkt, mit Kollegen oder Vorgesetzten?
Es hat keine merkbare Auswirkung auf meine Arbeit bzw. ich kann auch einfach ein Tag nur 2-3 Stunden arbeiten. Meine depressive Phasen halten nicht lange an, dass hab ich über die Jahre selbstständig in den Griff bekommen.
 
Jenny2000
Benutzer190314  (24) dauerhaft gesperrt
  • #12
Das Schwierigste ist, dass es für Menschen ohne Depressionserfahrung kaum möglich zu sein scheint, die Lage eines Depressiven nachvollziehen zu können.

Ich kenne depressive Phasen im Rahmen meiner posttraumatischen Belastungsstörung und kann deine Lage daher sehr gut nachvollziehen. Das schlimmste ist für mich in diesen Phasen die totale Antriebslosigkeit, die du ja auch schon beschrieben hast. Alles fühlt dich dann wie Arbeit an: Aufstehen, Duschen, Essen, Einkaufen, einfach alles fühlt sich an wie eine unlösbare Aufgabe. Ich bin schon vor dem Supermarkteingang gestanden und habe gedacht, ich werde das einkaufen nicht überleben, ich werde zusammenbrechen und im Krankenhaus aufwachen usw., natürlich ist das alles nur Kopfkino, es ist noch nie etwas real passiert, aber in dem Moment glaubt man, das sei wirklich so. Was mich in solchen Phasen auffängt sind die passenden Medikamente in Kombination mit meiner Kämpfernatur, die sehr ausgeprägt ist. Ich gebe niemals auf und bin nicht unterzukriegen und diese Einstellung hält mich immer über Wasser und lässt mich diese Phasen, die meistens ein paar Wochen dauern, überstehen. "Kluge Ratschläge" habe ich nicht für dich, und du willst ja auch keine, denn das hast du bestimmt eh schon alles x mal gehört, ich kann dir nur versichern, dass ich dich verstehe!
 
Funksoulbrother
Benutzer58558  Meistens hier zu finden
  • Themenstarter
  • #13
Niemand weiß davon außer ihm. Ich erzähl sowas nicht rum.
Wegen des Stigmas?

Ich versuche mir immer wieder klar zu machen, dass ich mich für diese Krankheit auch nicht mehr "schämen" muss als für irgend ein körperliches Leiden.

Das ist auch meine Überzeugung, denn ich bin nicht bereit, eine Stigmatisierung zu unterstützen durch freiwillige Unterwerfung unter es.

Aber ich merke, dass ich in manchen Situationen an mir selbst doch Überzeugungsarbeit leisten muss, wenn ich denke, dass meine Erkrankung im Kontext eine relevante Information ist.
 
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Yurriko
Benutzer174969  (31) Sehr bekannt hier
  • #14
Wegen des Stigmas?
Nein. Weil ich keine Meinung anderer dazu will und IHM musste ich es ja irgendwann mal erzählen, immerhin wollten wir damals zusammen ziehen und irgendwie naja fällt das dann schon auf. (Damals war es auch extrem schlimm und der Grund, warum ich das erste Studium so verschissen hatte)

Ich erzähl schlichtweg Sachen nicht weiter, bei denen ich keine andere Meinung haben will. Das ist bei mir einfach schon immer ein Grundprinzip gewesen.
 
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Benutzer189381  Sehr bekannt hier
  • #15
Weißt du wie oft ich schon den Satz: Du und Depression? Das kann ich gar nicht glauben. Du machst doch so viel und reißt Witze.

Ich habe oft den Eindruck, das die meisten Menschen die nichts damit zu tun haben, eine ganz falsche Vorstellung davon haben.

Ich habe ja nach jahrelangen Arzt/Therapie Marathon diverse Diagnosen.

Beginnt bei A wie Agoraphobia und endet bei Z wie Zwangshandlungen.

Vor einigen Jahren war es wirklich extrem aber ich habe mich Stück für Stück raus gekämpft (Rückschläge gehören dazu)

Mir hat die Corona Zeit sogar positiv getan.

Aber um zurück zum Punkt zu kommen. Ich finde es schwer zu beschreiben wie ich die Depression empfinde.

Ich habe kein dauerhaftes tief. Ich habe manchmal sogar echt tolle Momente voller Glück. Aber sobald ich dann eine ruhige Minute habe, trifft es mich mit voller Wucht. Selbstzweifel, eine unbeschreibliche Traurigkeit und einfach das Gefühl keine Kraft zu haben. Atmen reicht
 
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Mark11
Benutzer106548  Team-Alumni
  • #21
Hier bin ich als Beamter ziemlich privilegiert.
Ja, bist Du. Du glaubst gar nicht, wie oft ich mich geärgert habe, nicht auf meinen Vater gehört zu haben (der war Beamter :zwinker:). Zumindest hier in der Stadtverwaltung gibt es sogar ein spezielles Programm zur Wiedereingliederung von Mitarbeitern, die wegen psychischer Probleme lange Fehlzeiten hatten. Finde ich echt vorbildlich. Für mich würde das sogar bedeuten: alleine eine weitgehende Jobsicherheit zu haben (wo ja letztlich das gesamte Leben dranhängt, das man führt), würde meine psychische Belastung erheblich reduzieren.
So aber kommt auf meinen Streß-/Belastungsberg eben tagtäglich die Angst obendrauf, nicht mehr der Mitarbeiter mit der 100%-Leistung sein zu können. Ist letztendlich eine klassische Lose-Lose-Situation für den Arbeitgeber und mich. Aber solche weiter blickende Arbeitgeber gibt es leider viel zu wenig im Land.
 
G
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  • #22
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Sorceress Apprentice
Benutzer89539  Team-Alumni
  • #23
Ich will, aber kann nicht. Ich verstehe es selbst nicht, kann es nicht erklären... aber kann halt nicht. Ablenkung funktioniert, ich kann auch Lächeln und mir nix anmerken lassen, aber erzeugt Schuldgefühle. Und schlägt damit von hinten nochmals zu.

Das sind meine Erfahrungen damit.

Was ich einen depressiven Menschen raten würde? Ich habe keine Ahnung.

Ich habe mich irgendwann aus dem Lich heraus reißen können. Hin und wieder erwischt es mich aber doch noch. Schlägt mir unerwartet eine drüber, Warnsignale erkenne ich erst nachträglich. Zum Glück aber keine so anhaltenden Episoden mehr.

Alles Gute und viel Kraft allen Betroffenen. Ich habe das Gefühl nicht wirklich was Hilfreiches sagen zu können, ist halt nen echter Bastard.

Was ich hilfreich fand war der Vergleich mit dem kaputten Bein, wo dir ja auch kein Mensch (der alle Sinne beisammen hat) erklärt du müsstest dich zusammenreißen o.ä.
 
Mark11
Benutzer106548  Team-Alumni
  • #33
Außenstehende, die nicht betroffen sind, können sich da glaube ich nicht so richtig reinfühlen.
Nein, können sie nicht. Das denke ich auch. Weil, so glaube ich, jeder Betroffene selber sein Leben lang schon damit beschäftigt ist, alleine "nur" für sich selber die richtigen Worte zu finden, sich selber erklären zu können, was da eigentlich in einem ist. Wie dann jemand Anderem?
Deswegen habe ich mich auch ganz oben bei Funksoulbrother Funksoulbrother bedankt. Dass er Worte gefunden hat, die eine treffende Beschreibung sind. Die man aber, so glaube ich, auch nur richtig empfinden kann, wie treffend sie sind, wenn man selber Betroffener ist.


Da helfen dann auch keine klugen Ratschläge weiter wie du ja bereits so schön im Eingangspost beschrieben hast. Man fühlt sich dann einfach nicht ernst genommen.
Ja, das geht mir genauso. Das Wort "nur" habe ich mittlerweile richtig hassen gelernt. "Du musst doch nur...", "Komm, es sind doch nur xy Meter/Minuten/was-weiß-ich", "Du musst nur mal ein bisschen raus/unter Leute"

---

Ich weiß nicht, ob es anderen Betroffenen so geht, aber ich habe im Laufe der mittlerweile ~15 Jahren, die ich bewusst mit Depressionen und Angstzuständen zu tun habe einige seltsame 'Marotten' entwickelt.
Zum Beispiel möchte ich einfach mal nur krank sein. Einfach so. Mich mal mit stinknormalem Schnupfen, Husten und Halsschmerzen 3 Tage ins Bett legen müssen. Ich würde tatsächlich sogar Magen-Darm nehmen, wenn eine Erkältung gerade nicht auf Lager ist. Einfach mal krank sein, sich einfach mal schlecht fühlen und genau zu wissen, warum. Körperlich geht es mir oft genug mies. Kopfschmerzen, Schwindel, Herzrasen, Bauchdruck, Stiche hier und Kribbeln da. Und nie weiß ich, was die Ursache ist. Bringt meine Psyche gerade wieder meinen Körper durcheinander oder habe ich wirklich etwas Physisches? Es ist immer nur die Psyche, aber immer habe ich irgendwann das Handy in der Hand, und bin kurz davor, den RTW zu rufen.
 
Funksoulbrother
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  • #37
Es gibt auch eine Frage, die mich sehr ernsthaft beschäftigt: Ist der Leidende wirklich krank? Oder sind z. B. Depressionen - oder andere psychische Krankheiten - nicht eine in letzter Konsequenz sogar gesunde Reaktion auf eine in ihren überzogenen Anforderungen und zum Teil auch unglaubwürdigen Werten übergriffige Gesellschaft, deren Ideologie die Grenzen des Menschen missachtet? Auch wenn das etwas "abgehoben" klingen mag.

Ist z. B. jemand, der ernsthaft glaubt, dass ein psychisch kranker Mensch zwar bedauernswert ist, aber letztendlich eben für die Anforderungen des Lebens leider zu schwach zu sein scheint, nicht ein verkappter Sozialdarwinist?

Der "schwarze Hund" z. B. macht sehr schön deutlich, dass ein Depressiver möglicherweise sogar stärker ist als ein Nicht-Depressiver, weil er zusätzlich zu den Anforderungen des Alltags noch viel mehr zusätzliches - nicht selbstverschuldetes - Gewicht tragen muss. Diese Stärke manifestiert sich dann natürlich nicht in Effizienz. Es ist ein bisschen so, als ob man zwei Langstreckenläufer in einen Marathon schickt, der eine wird aber mit zusätzlichem Gewicht bepackt, das er nicht ablegen kann. Es ist klar, wer gewinnen wird, nach oberflächlichen Effizienzkriterien ("Wer legt die Strecke schneller zurück?") der "stärkere" Läufer ist: der unbelastete Läufer. Wenn man allerdings die Situation eingehend analysiert, ist die Beantwortung der Frage wesentlich unklarer und das aufgestellte - oberflächliche - Kriterium plötzlich fragwürdig, weil er von einem zwar weithin geteilten, aber unterentwickelten und damit letztlich falschen Leistungsbegriff ausgeht.

Letztendlich führt das auch zu der gesellschaftlich bedeutsamen Einsicht, dass die Maßstäbe zutiefst fragwürdig sind, nach denen in unserer - bloß vermeintlichen - Leistungsgesellschaft, in der das meritokratische Prinzip eher Opium für die Bevölkerung zu sein scheint, Menschen eben doch ein "gesellschaftlicher Wert" zugesprochen wird, im kantischen Sinne eher ein Preis als dessen Würde beachtet wird. Dieser "gesellschaftliche Wert" ist so manipulativ, dass unsere Leistungsfähigkeit zum Kriterium des Selbstwerts wird, obwohl wir das eigentlich nicht wollen und in einigem verblendeten Gerede auch individuell und gemeinschaftlich gerne von uns weisen, das wir so sind.

Die Leistung beider Läufer lässt sich letztendlich nicht vergleichen, dazu sind die Voraussetzungen zu ungleich.

Also stellt sich auch die Frage, wer eigentlich die Deutungshoheit über Begriffe wie "gesund" oder "krank" hat. Ich vermute, dass die Definitionsmacht in den Händen von Leuten liegt, die in dieser Hinsicht durchaus partikularen Interessen folgen und nicht ohne weiteres bloß das Allgemeinwohl im Sinn haben.

Auch wenn all diese Gedanken sehr ins Grundsätzliche gehen ...
 
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Funksoulbrother
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  • #49
Noch beispielhafter finde ich es bei der Angststörung. Je nachdem wovor man Angst hat, zeigt es sich in meinen Augen sehr klar, dass man nicht etwa eine Angststörung hat, sondern ein Organismus richtigerweise auf zu viele berechtigte Ängste reagiert.
Auf der anderen Seite fand ich die Scheinlogik des Katastrophisierens, die mir in meiner Therapie offenbar wurde, als ich mit temporären Angstzuständen in meiner Depression zu tun hatte, überaus entlarvenswert. Ich halte Angst für einen fast immer schlechten Ratgeber. Die Angst nutzt jeden Trick, um sich zu legitimieren. Die Schwierigkeit ist, die wenigen Situationen, in denen sie begründet ist, von den sehr vielen, in denen sie sich ungerechtfertigt viel größer macht, als sie sein sollte, zu unterscheiden.

Ich habe es meiner Therapeutin einmal so gesagt, als es um Angst ging: "Gesetzt den Fall, ich wäre mit einem Löwen und zehn weiteren Menschen in einer Manege eingesperrt, dann hätte ich weniger Angst vor dem Löwen als vor der Angst der zehn anderen Menschen vor diesem Löwen. Der Löwe frisst mich, wenn er Hunger hat, ober beißt mich tot, wenn er sich von mir bedroht fühlt, was ich beides sicherlich nicht will, aber was die Menschen aus Angst vor dem Löwen tun, das ist mir völlig unklar - und das finde ich tatsächlich schlimmer."

Flight, fight or fright (letzteres im Sinne von Erstarrung) - diese Reaktionstrias ist mir unheimlich.
 
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Funksoulbrother
Benutzer58558  Meistens hier zu finden
  • Themenstarter
  • #55
also da, an dieser basis, muss man zum denken anfangen ...

ist aber eine große aufgabe ...

und all das findet statt im rahmen der tatsächlichen bedingungen unseres lebens - d.h. zumindest in dem zu erfüllenden minimum ...
(will ich nicht vollkommen fremdversorgt in einer psychiatrie leben - sondern für mich bzgl. hunger, durst, wärme, sicherheit und die mich umgebenden menschen selbstgewählt sorgen ...)
Mich hat der Zweifel dazu gebracht, Philosophie zu studieren. Ich kann mir ein Leben ohne das Hinterfragen des oft nur vermeintlich Selbstverständlichen nicht vorstellen. Gerade bei an sich kontingenten sozialen Konstrukten tun wir gerne so, als seien sie in jedem Fall richtig so, wie sie sind. Das Gerät manchmal schon an die Grenze eines naturalistischen Fehlschlusses: wenn es so ist, dann muss es auch so sein, und dann muss es auch richtig so sein. Was aber auch das Hinterfragen des Hinterfragens als möglicher Ausweichbewegung, um nicht vom Denken ins Handeln wechseln zu müssen, mit einschließt. Denn Theorie rein um der Theorie willen, das ist nicht meins.

Zum letzten Teil deiner Ausführungen: Ich glaube nicht, dass allzu viele Menschen eine psychiatrische Rundumversorgung wünschen. Ich z. B. habe sogar eine gewisse Abneigung gegenüber psychiatrischen Kliniken. Ich würde sie aufsuchen im Fall einer schweren Depression, aber davor würde ich das eher vermeiden wollen.

Bei mir ist es eher so, dass ich gerade beruflich so sehr mit Entscheidungen konfrontiert werde, in einem so hohen Maß Entscheidungszwang erlebe, dass ich angesichts der dann zwangsläufig eintretenden Entscheidungsermüdung überfordert bin, dann das Fundament der Entscheidungen anzweifle, ihren dezisionistischen Kern und die damit verbundene mögliche Ungerechtigkeit aufgrund des Fehlens relevanter Entscheidungskriterien bemerke, gegenüber denen das System allerdings blind ist, dass ich in solchen Entscheidungsmarathons dann irgendwann in eine Paralyse gerate, die mich an meinen Fähigkeiten zweifeln lässt. Mein schlechtes Gewissen höhlt mich dann aus, weil mir Gerechtigkeit wie eine reine Glückssache vorkommt. Und dann sehe ich mich als Scheiternden, obwohl ich weiß, dass das System, dass mir beruflich diese Entscheidungen aufzwingt, die nach meinen Gewissensmaßstäben in meiner Amtsstube unter zu großer Unsicherheit gefällt werden, eine von außen an uns gerichtete - chronifizierte - Überforderung ist.
 
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Benutzer189381  Sehr bekannt hier
  • #56
Ich kann jetzt nur wieder von mir sprechen was die Gründe für meine Diagnosen sind.

Extreme Kindheit mit allem was man sich darunter vorstellen kann.
Dann der unbedingte Wille allen beweisen zu wollen das aus mir trotzdem was wird (was die Gesellschaft halt so erstrebenswert findet)


Meine gesetzten Ziele hatten mich viele Jahre überleben lassen und auch das vergangene verdrängen lassen. Ich habe funktioniert wie ein Schweizer Uhrwerk. Workaholic um meine gesetzten Ziele zu erreichen.... Emotional/empathisch abgeschaltet um dabei nicht gestört zu werden usw. Impulsiv war ich schon seit ich denken konnte und dachte nie daran Borderline zu haben.

Als ich alles erreicht hatte - kam der völlige Zusammenbruch.
Die Gefühle überschwemmten mich und ich wusste gar nicht was das alles ist. Daraus entwickelten sich Zwangshandlungen um irgendwie die Kontrolle zu behalten.

Da sich trotzdem nix kontrollieren ließ kamen Panikattacken dazu. Das wiederum führte dazu, das Haus nicht mehr verlassen zu können.

Die Depression war bei mir dann noch die Sahnehaube oben drauf.

Selbst Kliniken haben mich aufgrund der Komplexität abgelehnt. Alternativ würde mir nur die geschlossene und noch stärkere Medikamente angeboten.

Nein danke.

S habe ich mit Hilfe von Therapie (Hausbesuche), Facharzt (auch Hausbesuch) und Medikamenten den Weg selbst heraus gefunden. Es hat allerdings Jahre gedauert und auch heute bin ich noch nicht "normal"

Aber ich habe auch nicht mehr den Anspruch normal zu sein. Es ist absolut OK wie ich bin.
 
Funksoulbrother
Benutzer58558  Meistens hier zu finden
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  • #61
Das ist diese Erfahrung, dass man sich selbst mit seiner Krankheit - die man irgendwann vielleicht sogar mit sich selbst geradezu gleichzusetzen beginnt - als die ultimative Überforderung, nämlich: die Überforderung seiner selbst und dann auch der Anderen, am Ende sogar der Profis, erlebt. Dann lauert da nämlich die Selbstbestätigungsmatrix, die "confirmation bias" in Bezug auf das eigene Wesen: "Ich bin unerträglich, nicht auszuhalten, einfach eine Zumutung. Ich bin an mich selbst verschwendet. Hab ich's doch gewusst!"

Nicht in diesen invasiven Gedanken und Gefühlen unterzugehen erfordert sehr viel Substanz. Was auch immer es ist, was einen dazu bringt. über Wasser zu bleiben oder wieder aufzutauchen. Sofern man keine Suizidabsichten hat, ist es vielleicht der bloße Überlebenswille. Bei mir war das ein Punkt. Ich dachte: "Wenn das so weiter geht, dann sterbe ich." (Das war kein Gedanke, dass ich sterben wollte. Es war eine einfache Feststellung, dass es so kommen würde, wenn es so weiterginge.) Was sich da gewehrt hat in mir, das war - metaphorisch - ein kleiner, heulender Junge, der sofort schrie: "Ich will nicht sterben!" Das war ich: Ein kleiner, heulender Junge ... von beinahe 40 Jahren. Wäre der nicht da gewesen ... irgendwo da in mir, dann weiß ich nicht, wie es mit mir weitergegangen wäre. Dieser Junge war wütend auf mich. "Du kennst mich gar nicht!", warf er mir vor, "Du weißt noch nicht einmal, dass es mich gibt! Aber ich bin hier! Hörst du? Ich bin HIER! HIER! HIER! Du bist ein Arschloch!" Das war ein Moment, an es mir so vorkam, als ob ich mein eigener Sohn sei - und das Kind dem Erwachsenen etwas beibringen muss. Möglicherweise sehr viel. Ich dachte dann: "Ich will so nicht sein." Was ich wollte, war, dieses "Kind" retten.

Das klingt "unheimlich".
 
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  • #63
Ich kann dir Mark Fishers Capitalist Realism ans Herz legen (falls du es nicht schon kennen solltest), der diesen Gedanken aufgreift. Er beschreibt dort, wie das Aufkommen einer kapitalistischen Gesellschaft, die mehr und mehr zur einzig wahren Wirklichkeit gerät, u.a. zu einer Zunahme an Depressionen und anderen (mentalen) Erkrankungen führt.
Off-Topic:
Kenne ich noch nicht. Danke für den Tipp. Interessant ist, dass er - nachdem ich gerade mal ganz schnell gegoogelt habe - wohl auch sagt, dass sich der Kapitalismus den Kapitalisten als so alternativlos suggeriert, dass das Ende des Kapitalismus so unvorstellbar ist, dass es uns leichter fällt, uns stattdessen eher den Untergang der Welt vorzustellen. Das würde auch diese völlig hohldrehende Apokalyptik erklären, die sich mindestens seit dem 11. September 2001 an jede eingetretene Krise geheftet hat. Vielleicht machen "wir" Kapitalisten es deswegen auch nicht mehr unter dem Weltuntergang: Islamismus? Weltuntergang! Finanzkrise? Weltuntergang! Flüchtlingskrise? Weltuntergang! Klimakrise? Weltuntergang! Trumps Präsidentschaft? Weltuntergang! Corona-Krise? Weltuntergang! Putins Ukraine-Krieg? Weltuntergang! Das sind die sieben Prophezeiungen der Apokalypse! Vielleicht ist der Kapitalismus aber in Wirklichkeit der Patient.
 
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  • #72
Depression ist keine Anpassungsstörung. Und auch keine Traumafomgestörung. Diese Krankheitsbilder können unter anderem depressive Symptome aufweisen.
Aha, also ist eine reaktive Depression keine Depression, obwohl sie den Namen Depression trägt?

Dann verwendest du aber einen sehr, sehr engen Begriff von Depression.
 
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  • #76
An der ICD orientiert sich aber nunmal die Wissenschaft.
Das ist aber schön für die Wissenschaft.

Dennoch gibt es sie. Den Burn-Out gibt es auch, obwohl er nicht als Krankheit anerkannt ist. Er funktioniert vielleicht eher wie eine Verletzung, aber ein sehr ernstzunehmendes Gesundheitlichsproblem ist der dennoch.
 
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Benutzer186405  (52) Sehr bekannt hier
  • #78
Vielleicht können wir in der Betrachtung etwas seitlicher stehen als in der wissenschaftlichen Betrachtung. Diese, also die wissenschaftliche Betrachtung hat selbstverständlich ihre Berechtigung. Man muss medizinisch, fachlich vom gleichen sprechen (können). Hier geht es doch eher darum, wir wir uns selbst helfen können, wie wir anderen mit unseren Erfahrungen weiterhelfen können, weil ich glaube auch nicht wenige hier immer wieder von der Wissenschaft (von Ärzten/Psychotherapeuten) im Regen stehen gelassen werden und wurden.

Nicht zuletzt geht es hier auch um philosophische/gesellschaftliche/politische Gedanken.
 
Funksoulbrother
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  • #79
Burn out gibt es in der ICD als Zusatzdiagnose.
Ich zitiere beispielhaft nur noch kurz das dazu:

reaktive Depression [von latein. re- = entgegen-, wieder-, actio = Tätigkeit, depressio = das Niederdrücken], psychogene Depression, E reactive depression, früher gebräuchliche Bezeichnung für depressive Zustände (Depression) mit klar erkennbarem psychologischem Auslöser (z.B. Tod eines nahen Angehörigen, Arbeitsplatzverlust). Der Begriff wird zumindest teilweise überlappend mit dem der neurotischen Depression gebraucht, insbesondere auch als Gegenbegriff zur endogenen Depression. Nach neueren epidemiologischen und neurobiologischen Erkenntnissen ist die Unterscheidung reaktiver versus endogener Depressionen nicht mehr haltbar, weswegen sie in den neueren Klassifikationssystemen (DSM IV, ICD 10) aufgegeben wurde. – Manche Autoren verwenden die Bezeichnung "reaktive Depression" als zusammenfassenden Überbegriff für exogene Depression (organische Depression) und psychogene Depression. Der Begriff exogene Depression wird heute ebenfalls nur selten gebraucht und wurde zur Bezeichnung depressiver Syndrome bei körperlichen Erkrankungen (Hypothyreose, Hirntumor etc.) verwendet.
 
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Funksoulbrother
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  • #82
Und hier steht, dass der Begriff früher gebräuchlich war, aber die Unterscheidung, die die Basis der Bezeichnung war, nicht mehr haltbar ist.
Falsch - d. h.: nicht ganz richtig - zumindest aus linguistischer Perspektive. Ich zitiere (mit Hervorhebungen von mir):

"Nach neueren epidemiologischen und neurobiologischen Erkenntnissen ist die Unterscheidung reaktiver versus endogener Depressionen nicht mehr haltbar, weswegen sie in den neueren Klassifikationssystemen (DSM IV, ICD 10) aufgegeben wurde."

Deiktisch bezieht sich das Pronomen "sie" auf die "Unterscheidung" zwischen reaktiven und endogenen Depressionen, nicht auf die reaktiven Depressionen, andernfalls würde das Hilfsverb "wurde" im Kausalsatz im Plural - als "wurden" - stehen (was den Satz aber zumindest semantisch kollabieren lassen wurde, weil er so ambig würde) - was es aber nicht tut.

Die Unterscheidung - und die mittlerweile wohl ungebräuchliche Bezeichnung - wurde aufgegeben, nicht das Krankheitsbild (also der begriffliche Gehalt, der im wesentlichen besagt, dass Depressionen auch exogene Auslöser haben können). Deswegen ist es auch nicht richtig zu sagen, dass eine - früher so genannte - reaktive Depression definitiv keine Depression ist. Es sieht wohl eher so aus, als ob beides momentan im großen Pool der hinsichtlich ihrer endogenen oder exogenen Auslöser - und ein solcher kann dann auch eine Trauma sein - verschiedenen Arten von Depression zu finden ist.

Vielleicht auch hier:

Es ist nicht "nature" (neurobiologische Faktoren) versus "nurture" (psychosoziale Faktoren), sondern häufig eben "nature" via "nurture" ... manchmal ist es wohl nur "nature" ... und ob nur "nurture" nicht auch möglich ist, das würde ich trotz allem nicht ausschließen. Depressionen werden eben auch häufig durch exogene Faktoren akut bzw. manifest. Das lässt sich nicht leugnen.
 
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