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Schule Andere Lehrer schreien meine Schüler an

Shiny Flame
Benutzer42813  (41) Beiträge füllen Bücher
  • #1
Mein Problem klingt jetzt vielleicht total dämlich...

Aber es belastet mich. Manch einer hier weiß ja, dass ich Lehrerin bin. Genauer gesagt Sonderpädagogin.

Das bedeutet, dass ich im Rahmen "inklusiver Schule" jetzt mit einem Teil meiner Stunden an einer Gesamtschule in einer neuen sogennnten "I-Klasse" bin, also eine 5. Klasse, in der "normale" SChüler und solche mit Lernbehinderungen, aber auch "Verhaltensauffälligkeiten" beschult werden. "Verhaltensauffälligkeiten" heißt, wenn ich jetzt mal nicht pädagogisch spreche, dass die entsprechenden Kiddies lügen, schlagen, treten, bedrohen, oft eigentlich wollen, dass man sie lieb hat, aber wegen schlimmem ADHS es oft nicht schaffen, in der Klasse konzentriert zu arbeiten, wenn es so laut ist.

Das erste Problem bei dieser I-Klasse ist, dass sie zu groß ist. Die gemeinsame Beschulung von Kindern mit und ohne Behinderungen ist eine große Sache, die ich mir von Anfang an in meiner Berufslaufbahn auf meine Fahne geschrieben hatte - um genau zu sein, hatte ich deswegen überhaupt erst mit diesem Beruf angefangen. Man kann aber nicht vier tickende Zeitbomben, vier weitere Kids mit Lernschwäche, von denen einer auch schon zu prügeln anfängt, weil er im Unterricht nichts kapiert, in einen Raum mit 18 weiteren Kindern "sperren", wenn von diesen 18 mindestens zwei weitere einen psychischen Knacks haben und auch gerne ausrasten und zwei weitere einfach allgemein gerne Lehrer ärgern und auch der Rest eben bis auf zwei, drei extrem stille Kids aus ganz normalen, lebendigen und kommunikativen Kindern mit einem gesunden und normalen Bewegungsdrang bestehen.

Das gibt nämlich Sprengstoff.

Ursprünglich war es so gedacht, dass I-Klassen nur 18 Schüler insgesamt haben, damit es eben möglich ist, sich um alle Kinder eben besser und umfassender zu kümmern. In den meisten Stunden soll ein Fachlehrer und ein Sonderpädagoge (=ich) gemeinsam unterrichten und halt schauen, wie man den Kids am besten Wissen vermittelt, auf einem Level, das sie aufnehmen können. Binnendifferenzierung - und auch die Starken sollen eben mal einzeln gefördert werden können.

Bei 26 Kindern in der Klasse ist das fast bis gar nicht möglich. Es ist NUR laut.

***

Das zweite Problem ist, dass ich es seltsamerweise schaffe, die Klasse leise zu kriegen, wenn ich mal ein Fach unterrichte. Mucksmäuschenstill, damit es eben leise genug ist, dass auch die ADHS-Kinder arbeiten können. Bei einem normalen GEsprächspegel schaffen die es nämlich nicht, gleichzeitig in ihr Heft zu schauen. Es muss also für die entweder Redephase sein oder eben Stillephase - und der Lehrer vorne muss das ruhig und strukturiert vermitteln. Ich mache das immer so, und sie sind dankbar und werden leise, weil der permanente Krach sie selbst ja auch stört.

Dummerweise bin ich die einzige, die die Phasen für die Kinder so klar gliedern. Ich bin ja auch die einzige in der Klasse mit einer sonderpädagogischen Ausbildung, die eben überhaupt mal was davon gelernt hat, wie man auf die besonderen Anforderungen von ADHS-Kindern eingeht. Die Kollegen von der Gesamtschule haben von ihren Unterrichtsfächern viel mehr Ahnung als ich, weil das eben der Hauptbestandteil in ihrem Studium war. Und sie sind die Arbeit mit Klassen gewohnt, die eben in der Lage sind, mal fünf oder zehn Minuten zuzuhören und dann zu schreiben und während des SChreibens damit zu leben, dass der Lehrer herumgeht und es einzelnen Schülern noch einmal erklärt.

Selbst dieses Herumgehen und Erklären ist für die ADHS-Kiddies und die meisten anderen im Moment noch zu viel. Selbst das lenkt sie wieder ab, und wenn sie nicht mehr auf ihre Blätter schauen, dann sehen sie tausend andere Dinge, fangen an zu reden, dann langweilen sie sich und provozieren die Nachbarn...

***

Als Ergebnis wird meine arme Klasse jeden Tag mindestens sechs Mal angeschrien - jedes Mal, wenn ein Lehrer aus einer anderen Klasse in unsere Klasse kommt und es wieder so laut ist und sie nicht ruhig werden. Die "lieben" gucken dann immer schon ganz eingeschüchtert, die "lauten" genervt oder gelangweilt. Sechs Mal am Tag an drei Tagen durfte ich letzte Woche in voller Lautstärke hören, wie schlimm sie seien, dass der Kollege das in seiner Laufbahn ja noch nie erlebt hätte, wie sie auf diese Weise je einen Realschulabschluss schaffen wollten...

Und so lernen sie doch auch keinen Unterrichtsstoff! Ich bin immer ganz verzweifelt, dass die alle so viel angeschrien werden. Die Kollegen sagen dann immer, sie müssen so viel Unterrichtsstoff machen, sie können nicht zu Beginn des Schuljahres ein oder zwei Stunden mit Sozial- und Stille-Übungen verbringen und dann jede Stunde mit einem Stilleritual beginnen - so was würde eh nie klappen, das hätten sie schon mal ausprobiert...

Also schaue ich auf die Uhr und sehe, wie von jeder Unterrichtsstunde am Anfang zehn Minuten und mittendrin noch mal fünf Minuten abgehen, weil die Klasse so viel ausgeschimpft wird. Bleiben nur noch 30 Minuten für Unterricht. Und das in einer angespannten Atmosphäre...

Ob die Kiddies dann unbedingt so viel mehr lernen?

***

Das wirklich schlimme für mich ist, dass sie in der einen Stunde Sozialtraining bei mir jede Woche und auch in den Vertretungsstunden, die ich bisher gehalten habe, super diszipliniert und still sind... Und in den Mathe-Stunden, in denen ich bisher vertreten habe, waren sie genauso leise. Sie können es also. Einfach nur, weil ich eben auch still bin und lächele und mir drei Minuten Entspannung in aufrechter Haltung vor der Klasse gönne, während sie langsam endlich leise werden. Drei Minuten stillstehen kommen einem dann zwar immer viel länger vor als zehn Minuten rumschreien, wenn man derjenige ist, der vorne steht...

Und dann gehe ich jeden Tag nach Hause und bin traurig und mein Herz tut weh, weil meine Kids an dem Tag hochgerechnet von den fünf Zeitstunden Unterricht, die sie hatten, mindestens eine Zeitstunde lang von ihren Lehrern angebrüllt wurden. Es tut mir immer so leid für sie, sie sind zwar anstrengend, aber alle so furchtbar liebenswert.

***

Ach ja, "mit den Kollegen reden" lässt sich auch nur bedingt umsetzen... Ich bin neu an der Schule, ich bin im Schnitt 20 Jahre jünger als sie, und viele in der Klasse wollten eigentlich niemals in einer I-Klasse unterrichten, weil das eben so anstrengend sei. Ich bzw. die ganzen "nicht der Norm entsprechenden" Schüler werden da eher als Eindringlinge in die auch ohne uns schon kompliziert und nervenaufreibende Schulumwelt wahrgenommen.
 
Subway
Benutzer54399  Planet-Liebe Berühmtheit
  • #2
Ich finde nicht, dass dein Problem dämlich klingt, ganz im Gegenteil.

Leider weiß ich nicht, wie die Strukturen in so einer Schule sind, wenn es hier im Büro aber nicht möglich ist, sich auf hierarchisch gleicher Ebene einig zu werden, dann muss eben eskaliert werden und der Vorgesetzte muss die Entscheidung treffen.

Ich denke ja mal nicht, dass du umsonst als Sonderpädagogin eingestellt wurdest, sondern weil du ja eigentlich genau für solche Situation ausgebildet wurdest. Wenn die Kollegen also nicht freiwillig mitspielen, dann muss eben der Direktor (oder wer auch immer die nächst höhere Stelle hat) eingreifen.
Persönlich würde ich deinen Job auch nicht nur so sehen, dass du die Kinder entsprechend unterrichtest, sondern eben auch die Lehrer, die mit dir im Unterricht sind.
 
Shiny Flame
Benutzer42813  (41) Beiträge füllen Bücher
  • Themenstarter
  • #3
Ich denke ja mal nicht, dass du umsonst als Sonderpädagogin eingestellt wurdest, sondern weil du ja eigentlich genau für solche Situation ausgebildet wurdest.

Na ja... Es steht zwar in der Tätigkeitsbeschreibung und sollte auch im Studium vorkommen, aber es IST einfach nicht darin vorgekommen. Mein eigentliches STudium und die eigentliche Ausbildung war eben eher, wie man eine kleine Klasse führt und den Lernstoff für die einzelnen Schüler so differenziert und an seine individuelle Lernentwicklung anpasst, dass jeder Schüler nach seinen Möglichkeiten möglichst optimal gefördert wird. Und ich hab viel über Sozialstrukturen und das Schaffen einer gut vorstrukturierten Umgebung und soziales Lernen gerade für Verhaltensauffällige Schüler gelernt.

Das jetzige, das mit der I-Klasse, ist neu. Als ich mit dem Studium anfing, gab es dazu in Deutschland nur wenige Pilotprojekte, da war die Schulrealität noch "Sonderschule" oder "normale Schule". Das die früheren Förderschüler jetzt mehr und mehr in "normale" Klassen kommen, liegt an der UN-Behindertenkonvention gegen Diskrimminierung. Aber bisher weiß noch keiner, wie es so richtig laufen soll. Das ist alles noch total im Aufbau - und ich baue mit auf. Aber konkret darüber konnte ich in meiner Ausbildung noch gar nichts lernen, weil es dazu einfach bis auf wenige Pilotprojekte noch gar nichts gab. Ich hab nur ein bisschen was was über Teamfindungsprozesse gelernt und über Beratung und Kooperation und Beratungsgespräche...

Aber nicht darüber, dass ich den ganzen Tag in einer Klasse bin, in die immer wieder Lehrer kommen, die da gar nicht reinwollen, die mich nicht darin haben wollen und die dann meine Klasse anschreien und nach der Stunde weiter hetzen, weil die ja auch so schon einen vollen Stundenplan haben und eh schon ziemlich fertig sind - was ich ja auch gut nachvollziehen kann.

Ich habe Techniken für Beratungsgespräche gelernt, das ja - aber die setzen irgendwie immer vorraus, dass man an einem Tisch sitzt und ein solches Beratungsgespräch führt ^^. Ich hab in der Theorie auch gelernt, wie man das eben so gestaltet, dass es eben ein kollegiales Beratungsgespräch ist und kein Belehrungsgespräch, und bei der direkten Klassenlehrerin und Teamkollegin haben wir da auch schon erste gemeinsame Nenner - und bei ihr reichen meist zwei Minuten einzelne Schüler anschreien, und dann ist die Klasse still, da geht das oft sogar.

Aber die ganzen anderen Fachlehrer, die eben nur für eine STunde pro Tag reinkommen und die restlichen fünf Stunden in anderen oft ebenfalls anstrengenden Klassen unterrichten, die auch ständig Elterngespräche führen müssen, Unterricht vorbereiten, Hefte korrigieren und Klassenarbeiten entwerfen müssen... Die haben eben auch keine Lust, mal nach der SChule länger zu bleiben und sich über die Klasse auszutauschen, am besten im Team mit allen Lehrern.

Und die Klassenlehrerin unterhält sich zwar mit mir, aber alles, was ich sage, wird vorerst abgeschmettert mit "ich habe noch 18 andere Schüler, um die ich mich kümmern muss, die dürfen jetzt auch nicht darunter leiden, dass man sich ständig nur um die Auffälligen kümmert".

Dass ein bisschen Arbeitsinvestition in das Sozialgefüge der Klasse und den Erwerb von klaren Unterrichtsstrukturen und Verhaltensstrukturen für verschiedene Arbeitsphasen ja genau diesen SChülern zugute kommen wird, konnte ich trotz meiner theoretisch erworbenen Beratungskompetenz bisher noch nicht deutlihc machen...

Wie gesagt, meine Position im Kollegium ist eben auch die der "Neuen", da darf man am Anfang auch noch nicht so sehr das Mal aufreißen oder den Älteren sagen, wie sie ihre Arbeit machen sollen... Zudem ich ja auch ehrlich einräumen muss, dass es nicht "den einen richtigen Weg" gibt, der immer funktioniert, sondern dass man verschiedene Dinge ausprobieren und immer neu anpassen muss...

***

Deswegen gleich zur Chefetage zu gehen, wäre vermutlich auf kollegialer Ebene das schlimmste, was ich machen könnte.
 
Zuletzt bearbeitet:
Tu me manques
Benutzer99399  (34) Beiträge füllen Bücher
  • #4
Ich bin allerdings der Meinung, dass man Lehrer, die an einer Schule mit "verhaltensauffälligen" Schülern unterrichten, auch entsprechend schulen sollte.
Insofern wäre ein Gang zur Direktion vielleicht doch nicht so verkehrt. Es muss ja nicht in einem Anschiss der Lehrer enden. Wenn man den Lehrern an deiner Schule jedoch in vielleicht 1, 2 obligatorischen Seminaren ein wenig Werkzeug an die Hand geben würde, mit dem sie ihre Klassen auch ohne anschreien in den Griff kriegen, dann wäre wohl nicht nur den Schülern geholfen.
 
Shiny Flame
Benutzer42813  (41) Beiträge füllen Bücher
  • Themenstarter
  • #5
Ich bin allerdings der Meinung, dass man Lehrer, die an einer Schule mit "verhaltensauffälligen" Schülern unterrichten, auch entsprechend schulen sollte.
Insofern wäre ein Gang zur Direktion vielleicht doch nicht so verkehrt. Es muss ja nicht in einem Anschiss der Lehrer enden. Wenn man den Lehrern an deiner Schule jedoch in vielleicht 1, 2 obligatorischen Seminaren ein wenig Werkzeug an die Hand geben würde, mit dem sie ihre Klassen auch ohne anschreien in den Griff kriegen, dann wäre wohl nicht nur den Schülern geholfen.

Du bringst mich da gerade auf eine Idee... Ich könnte versuchen, über den Vertrauenslehrer oder den Lehrerrat tatsächlich mal genau das zu thematisieren und dann über den Lehrerrat die Idee für eine solche Fortbildung an die Schulleitung herantragen lassen.

Dann hat es auch nicht so viel von "die Neue mischt sich ein", was ja auch eine Sorge von mir ist.

Die Schule hat jedes Jahr so oder so zwei Fortbildungstage zur Verfügung - und gerade dann ist "Umgang mit verhaltensauffälligen Schülern inbesondere im Rahmen der neuen schulischen Integration von Schülern mit Förderbedarf" ja vielleicht wirklich ein sehr wichtiges Thema.

Ich kenne sogar zwei Leute, die ich dafür als Dozenten vorschlagen könnte... Und die Leuts vom Lehrerrat darf ich ja ruhig um Hilfe bitten, das ist unser Äquivalent zum Personalrat, die "müssen" sich dann auch die Zeit für ein Gespräch mit mir nehmen ^^. Und da kann ich dann ja vernünftig begründen, worum es mir geht. Wenn "die Neue" begründet und sachlich um Hilfe bittet, tut es dem System ja auch längst nicht so weh wie wenn "die Neue" begründet und sachlich sagen will, "wie es zu laufen hat".
 
Tu me manques
Benutzer99399  (34) Beiträge füllen Bücher
  • #6
Ja genau an so etwas in der Art dachte ich dabei.
Deine Idee klingt zumindest in meinen Ohren gut und durchaus umsetzbar. Ich wünsche dir viel Erfolg und dass dein "Hilfegesuch" nicht auf taube Ohren stößt. :zwinker:
 
g_hoernchen
Benutzer70315  (35) Beiträge füllen Bücher
  • #7
Puh.

Also ich stand in meinem letzten Semester vier mal vor Klassen, die förderbedürftige Kinder beinhalteten. Sprich: Die Unterteilung in Sonderschulen und "normale" Schulen wurde in diesem Bundesland auch aufgegeben. (ist das mittlerweile eigentlich bundesweit so?)
Mir fehlt natürlich die Erfahrung. Ich muss auch sagen, dass ich die Lehrer verstehen kann. Ich habe im Kollegium viele ausgebrannte Lehrer gesehen (meist besonders die Älteren), die sich darüber beschwerten, dass es "früher leichter war". Das sind ja keineswegs irgendwelche Fachidioten, sondern auch solche mit pädagogischem Anspruch. Aber eben schlichtweg überforderte Gestalten. Ich weiß nicht, wie es bei dir und deiner Schule ist. Aber die mittlerweile 5 Schulen, die cih kennenlernte, klagten allesamt auch über die wenigen Sonderpädagogen die zur Unterstützung eingesetzt werden.

Ich selbst kann mir einen "normalen" Schulalltag ohne die gleichzeitige Betreuung durch Sonderpädagogen gar nicht vorstellen. In einer Klasse kam eine Sonderpädagogin auch stundenweise rein. In den anderen Klassen habe ich soetwas gar nicht erlebt.

Tja wo sind die Lösungen?

Aber die ganzen anderen Fachlehrer, die eben nur für eine STunde pro Tag reinkommen und die restlichen fünf Stunden in anderen oft ebenfalls anstrengenden Klassen unterrichten, die auch ständig Elterngespräche führen müssen, Unterricht vorbereiten, Hefte korrigieren und Klassenarbeiten entwerfen müssen... Die haben eben auch keine Lust, mal nach der SChule länger zu bleiben und sich über die Klasse auszutauschen, am besten im Team mit allen Lehrern.
Meiner Meinung müssen sie das aber. Ohne eine Kooperation im gesamten Kollegium geht das doch gar nicht. Ihr könnt ja keine Einzelvorstöße machen und die Fachlehrer ziehen nicht mit. Natürlich hast du recht. So ein Lehrer ist vermutlich froh, pünktlich nach Hause zu gehen. Aber das kann auf Dauer nicht funktionieren. Letztlich müssen Lehrer es vermutlich als eigene Chance sehen und dafür eben mal länger in der Schule bleiben, sich deine Vorschläge anhören und gemeinsam Strategien entwickeln.


Zudem ich ja auch ehrlich einräumen muss, dass es nicht "den einen richtigen Weg" gibt, der immer funktioniert, sondern dass man verschiedene Dinge ausprobieren und immer neu anpassen muss...
Ja aber alleine schaffst du das doch gar nicht. Das ist ein Kampf gegen Windmühlen, an dessen Ende du vermutlich total erschöpft bist.
Dass ein bisschen Arbeitsinvestition in das Sozialgefüge der Klasse und den Erwerb von klaren Unterrichtsstrukturen und Verhaltensstrukturen für verschiedene Arbeitsphasen ja genau diesen SChülern zugute kommen wird, konnte ich trotz meiner theoretisch erworbenen Beratungskompetenz bisher noch nicht deutlihc machen...
Woran lag das? Daran, dass du "neu" bist ? Das trifft wieder den Punkt "Kooperation". Wenn ihr am selben Strang zieht, geht auch was voran. Du sagst ja selbst, du schaffst es die Klasse zu beruhigen. Theoretisch müsste den Lehrern klar werden, dass SIE etwas falsch machen bzw dass ihre alten pädagogischen Modelle in dieser Schulform nicht mehr funktionieren.
Aber was rede ich. Wir werden in unserem Studium NULL darauf vorbereitet. Es gab Studenten, die in ihren Stunden in Klassen mit höherem Förderbedarf Klassenarbeiten konzipieren sollten (und differenzieren). Einfach so.
 
Shiny Flame
Benutzer42813  (41) Beiträge füllen Bücher
  • Themenstarter
  • #8
Ich muss auch sagen, dass ich die Lehrer verstehen kann. Ich habe im Kollegium viele ausgebrannte Lehrer gesehen (meist besonders die Älteren), die sich darüber beschwerten, dass es "früher leichter war". Das sind ja keineswegs irgendwelche Fachidioten, sondern auch solche mit pädagogischem Anspruch. Aber eben schlichtweg überforderte Gestalten. Ich weiß nicht, wie es bei dir und deiner Schule ist. Aber die mittlerweile 5 Schulen, die cih kennenlernte, klagten allesamt auch über die wenigen Sonderpädagogen die zur Unterstützung eingesetzt werden.

Ich kann sie auch verstehen, das ist ja das Schlimme... ^^


Tja, wo sind die Lösungen?

Das rauszufinden wird wohl die Aufgabe unserer Lehrergeneration werden...

Vielleicht kann ich in zwei Jahren sogar sagen, wie wir es gemacht haben und was daran funktioniert hat. Aber dahin muss ich/müssen wir an der Schule halt auch erst mal kommen.[DOUBLEPOST=1347625915,1347625594][/DOUBLEPOST]
Woran lag das? Daran, dass du "neu" bist ? Das trifft wieder den Punkt "Kooperation". Wenn ihr am selben Strang zieht, geht auch was voran. Du sagst ja selbst, du schaffst es die Klasse zu beruhigen. Theoretisch müsste den Lehrern klar werden, dass SIE etwas falsch machen bzw dass ihre alten pädagogischen Modelle in dieser Schulform nicht mehr funktionieren.

Vielleicht wird das irgendwann auch passieren. Ich werde das ganze ja noch ein paar Jahre machen, und ich hab eigentlich eine Menge Ausdauer und Geduld, Dickkopf und dennoch Empathie - das eine oder andere werde ich auf Dauer ja eben auch bewegen können.

Aber im Moment muss ich Tag für Tag damit leben, wie diese süßen und eigentlihc so wunderbaren und lebendigen Kiddies angeschrien werden... Und das tut mir einfach weh. Ich will sie davor beschützen. Jetzt sofort und nicht erst über tausend offizielle Kanäle.

Aber vermutlich sind die offizielleren Kanäle am System eben auch über Fortbildungen etc. mittelfristig der sinnvollere Weg. Ich will und darf nämlich auch auf keinen Fall den Kindern vermitteln, dass ich nicht hinter den Kollegen stehe. Die meisten von denen mögen mich inzwischen, obwohl ich schon heftig viele Strafarbeiten verteilt habe und mindestens ein Drittel bei mir schon nachsitzen musste. Da darf ich sie jetzt auch nicht dazu bringen, dass sie denken: Frau Shiny mag die anderen Lehrer auch nicht, weil die uns immer anschreien.

Die sollen ja auch bei den anderen Lehrern ruhig werden! Denn die anderen Lehrer sind es doch, die ihnen den Löwenanteil der ganzen wichtigen Fächer beibringen - und eigentlich sind die anderen Lehrer doch auch bereit, meine Kiddies zu mögen, wenn die ihnen eine Chance geben!
 
unklar
Benutzer98976  Sehr bekannt hier
  • #9
Aber im Moment muss ich Tag für Tag damit leben, wie diese süßen und eigentlihc so wunderbaren und lebendigen Kiddies angeschrien werden... Und das tut mir einfach weh. Ich will sie davor beschützen. Jetzt sofort und nicht erst über tausend offizielle Kanäle.
Abgesehen von den bisherigen Lösungsvorschlägen fällt mir da nur Eines ein: Sag ihnen, dass sie, trotz ihrer Macken prima Menschen sind. Dass sie stolz auf alles sein können, was sie schaffen und niemand das Recht hat, ihnen zu sagen, es sei zu wenig oder sie wären zu dumm oder zu schwierig für etwas. Ich habe da letztens einen süßen Comic gesehen http://24.media.tumblr.com/tumblr_m3i3cn1Sh01r2u2gbo1_1280.jpg
unter dem stand "Träume können nie groß genug sein". Man könnte es auch als "Think big" betiteln. Ich weiß ja nicht, was genau Du unterrichtest, aber eventuell kannst Du das über eine Unterrichtsstunde als Fazit entstehen lassen.
Ich entsinne mich zB noch an eine Deutschstunde, in der wir die Definition des 'schönen Menschen' von Goethe besprachen. So etwas in diese Richtung könnte doch gut als Aufhänger dienen. Und wenn Du dann als Fazit gemeinsam mit Deinen Schülern herausarbeitest, dass jeder von ihnen prima ist, egal wie dick, dünn, groß, schlau oder fleißig er ist, dann bleibt das vielleicht auch hängen und gibt ihnen mehr Selbstvertrauen.
Was ich nämlich ganz fürchterlich finde, abseits vom Schreien: Wenn sie mehrfach hören, sie seien zu dumm und undiszipliniert für den Realschulabschluss. Sowas bleibt hängen und demotiviert. Genauso bleibt aber auch Positives hängen.

Es waren nicht viele Lehrer in meiner Schulzeit, die ich als richtig gut bezeichnen würde. Aber diese wenigen Lehrer haben mir etwas mitgegeben und prägen mich bis heute. Etwa hatte ich einen Mathelehrer, der sehr streng aber gerecht war und uns allen Manieren beibrachte. Bei ihm waren wir immer brav und still (ganz im Gegensatz zu manch anderer Stunde). Dafür zeigte er uns in der Stunde vor den Ferien gerne Dias von seinen Reisen und erzählte uns davon. Wahnsinnig toller Lehrer, an den sich viele gern erinnern.

Der war übrigens genauso passioniert wie Du. Er hat es geliebt, uns etwas beizubringen. Als seine Mutter starb, war er sehr geknickt - in der Stunde mit uns ist er dann richtig aufgeblüht. So schön. Ich finde es auch sehr schön zu lesen, wie Du Dich bemühst.
 
banane0815
Benutzer44981  Planet-Liebe Berühmtheit
  • #10
Deine Schüler sind wohl leider in erster Linie Opfer einer weder gut durchdachten, noch konsequent durchgeführten Veränderung im Schulsystem:
Da werden Integrationsklassen eingeführt (die ich prinzipiell sehr gut finde), aber dann steckt man viel zu viele Schüler in eine solche Klasse und setzt den Schülern mit ihren besonderen Bedürfnissen Lehrer vor die Nase, die keine Ahnung davon haben, wie sie mit Selbigen umgehen sollen. - Ohne die nötigen Strukturen zu schaffen, ohne die normalen Lehrer und Sonderpädagogen entsprechend weiterzubilden, ohne Kompetenzen und Arbeitsteilung zwischen den Lehrern zu definieren, usw.
Dass das nicht funktioniert und sowowhl Schüler, als auch Lehrer darunter leiden, ist klar.

Wenn deine Kollegen auch noch ziemlich beratungsresistent sind und nicht mehr als Dienst nach Vorschrift machen wollen (was eine Berufskrankheit vieler älterer Lehrer zu sein scheint), bleibt dir wohl nichts Anderes übrig, als die Chefetage einzuschalten, um nötige Gespräche anzusetzen. - Ob das deinen Kollegen gefällt oder nicht.
Ansonsten finde ich auch den Vorschlag von Tu me manques sehr gut.

Aber Alles, was du machen kannst, ist wohl nicht mehr, als ein Tropfen auf den heißen Stein. - Denn die vielen Versäumnise der Politik und Verwaltung kannst du leider nicht kompensieren.
Aber vermutlich sind die offizielleren Kanäle am System eben auch über Fortbildungen etc. mittelfristig der sinnvollere Weg. Ich will und darf nämlich auch auf keinen Fall den Kindern vermitteln, dass ich nicht hinter den Kollegen stehe. Die meisten von denen mögen mich inzwischen, obwohl ich schon heftig viele Strafarbeiten verteilt habe und mindestens ein Drittel bei mir schon nachsitzen musste. Da darf ich sie jetzt auch nicht dazu bringen, dass sie denken: Frau Shiny mag die anderen Lehrer auch nicht, weil die uns immer anschreien.
Es wundert mich überhaupt nicht, dass du bei den Kindern gut ankommst.
Gerade "schwierige" Kinder brauchen einfach klare, begründete Regln, die dann auch durchgesetzt werden.
Mit dieser Methode habe ich es als Trainer und Betreuer von Kindern auch schon geschafft, mit dem einen oder anderen kleinen "Satansbraten" gut zurecht zu kommen, der seinen (inkonsequenten) Eltern nur auf der Nase herumgetanzt ist.
 
B
Benutzer115483  (39) Verbringt hier viel Zeit
  • #11
erstmal finde ich, dass das ein super thread ist! sehr interessantes thema.

was ich aber ein bißchen merkwürdig finde ist, dass sich dieses ganze konzept bzw die umsetzung dieser i-klasse so dilettantisch darstellt. deine schule führt dieses projekt durch. das bedeutet, dass sie dafür förderungen/zusätzliche mittel erhält (zum beispiel dich als sozialpädagogin). eigentlich ist es doch üblich, dass solche dinge dann auch an gewisse voraussetzungen gebunden sind (maximale schülerzahl, besondere unterrichtsgestaltung usw).
soweit ich weiß, wird die einhaltung dieser voraussetzungen doch auch überprüft. wie kommt es, dass deine schule da mal eben eine i-klasse ins leben ruft, aber keiner so richtig mit der umsetzung in die praxis vertraut ist? bzw dieses projekt nicht direkt dem direktor oder einem entsprechenden projektleiter untersteht, der sich da um eine korrekte umsetzung in die praxis bemüht und regelmäßig feedback von den beteiligten (zb von dir) einholt? dieser mensch wäre dann nämlich dein ansprechpartner für deine sorgen.

der nächste punkt ist, dass man deinen älteren kollegen meines erachtens nur bedingt einen vorwurf machen kann. als die studiert haben, gab es einfach noch kein adhs. klar, verhaltensauffällige kinder gab es immer schon, aber nicht in der masse wie heute. da gabs pro klasse einen oder zwei und die wurden halt durchgeschleppt - fertig. sie haben im studium also niemals den umgang mit diesen kindern gelernt und versuchen einfach mit ihren (in 20 jahren bewährten) unterrichtsmethoden weiterzumachen. da ist es auch schwer, sich kurz vor der pension nochmal ein ganz anderes unterrichtsverhalten draufzuschaffen, wenn man doch die kinder bisher so immer gut durchgebracht hat.
hier finde ich den vorschlag gut, dass du da eine entsprechende fortbildung vorschlägst. dadurch fühlt sich niemand direkt auf den schlips getreten und du hast dich sogar noch gut eingebracht.

ich hab auch noch ne idee: bei dir scheint das gut zu funktionieren, dass sich die kinder ruhig verhalten und mit dir zusammen arbeiten wollen. ein guter freund von mir ist lehrer und hat fachunterricht in einer "problemklasse", die bei ihm aber zucker ist. nur bei einigen kollegen ham die echt auf den putz gehauen.
er hat sich mal die mühe gemacht, mit den kindern zu reden und sie gebeten, doch einfach mal versuchen, auch beim herrn x brav zu sein. er wisse, dass sie das können - bei ihm seien sie ja auch immer sehr lieb.
der großteil hat das verstanden und richtig super mitgemacht. die haben sogar gegenseitig auf sich geachtet.
meinst du, dass das bei deiner klasse auch klappen könnte? ein großteil scheint ja nicht lernbehindert zu sein und wenn die mitziehen, dann besteht echt die möglichkeit, dass es nicht mehr so ausartet.
und er hat sie fürs mitmachen belohnt.. er hat mal süßigkeiten mitgebracht oder (wenn sie mit dem stoff schnell durchwaren) ne spielstunde eingelegt. und das war ne 6. klasse - also nur ein bißchen älter als deine.
 
ThirdKing
Benutzer91926  (35) Benutzer gesperrt
  • #12
Du warst dir vorher im klaren, auf was du dich einlässt. Sogenannte I-Klassen sind nunmal totaler Schwachsinn: Man steckt einfach verschiedenste Kinder, die jeweils eigene, völlig unterschiedliche Lernbedürfnisse haben, in eine Klasse und hofft, dass das irgendwie funktioniert.
An deiner Stelle würde ich versuchen die Schule zu wechseln- an den Umständen wird sich nämlich nichts ändern:
Kleinere Klassen wird es nicht geben. Eine bessere Ausbildung für die Übrigen Lehrer wird es nicht geben.
Das System ist komplett am Arsch. Sie besser zu, dass du da irgendwie rauskommst.
Du kannst mir deiner Ausbildung auch im privat-berreich mit "schwierigen Kindern" arbeiten. Dann sind das zwar meistens nur Kinder aus reichen Elternhäusern, aber du hast kleinere Gruppen und einen kompetenten Chef.

ThirdKing
 
banane0815
Benutzer44981  Planet-Liebe Berühmtheit
  • #13
was ich aber ein bißchen merkwürdig finde ist, dass sich dieses ganze konzept bzw die umsetzung dieser i-klasse so dilettantisch darstellt. deine schule führt dieses projekt durch. das bedeutet, dass sie dafür förderungen/zusätzliche mittel erhält (zum beispiel dich als sozialpädagogin). eigentlich ist es doch üblich, dass solche dinge dann auch an gewisse voraussetzungen gebunden sind (maximale schülerzahl, besondere unterrichtsgestaltung usw).
soweit ich weiß, wird die einhaltung dieser voraussetzungen doch auch überprüft. wie kommt es, dass deine schule da mal eben eine i-klasse ins leben ruft, aber keiner so richtig mit der umsetzung in die praxis vertraut ist? bzw dieses projekt nicht direkt dem direktor oder einem entsprechenden projektleiter untersteht, der sich da um eine korrekte umsetzung in die praxis bemüht und regelmäßig feedback von den beteiligten (zb von dir) einholt? dieser mensch wäre dann nämlich dein ansprechpartner für deine sorgen.
Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass im deutschen Schulsystem eine derartige Umstellung so durchdacht und sinnvoll vonstatten geht?
Da gibt es eine UN-Konvention, die umgesetzt werden muss - und dann wird eben rumgewurstelt und versucht, die Umsetzung der Konvention irgendwie in ein Schulsystem zu zwängen, das dafür nicht geeignet ist, ohne dafür auch nur einen Cent mehr als absolut nötig auszugeben.

Wir leben hier in Deutschland - einem Land, das 16 unterschiedliche Schulsysteme hat, in dem in fast jedem Bundesland nach der Pisa-Studie irgendwelche halbgaren, überstürzten Reformen durchgepeitscht wurden, die das Schulsystem verschlimmbessert haben, usw. - Da kann man von der Bildungspolitik nun wirklich nicht viel erwarten.
 
K
Benutzer116075  (40) Meistens hier zu finden
  • #14
Du warst dir vorher im klaren, auf was du dich einlässt. Sogenannte I-Klassen sind nunmal totaler Schwachsinn: Man steckt einfach verschiedenste Kinder, die jeweils eigene, völlig unterschiedliche Lernbedürfnisse haben, in eine Klasse und hofft, dass das irgendwie funktioniert.
An deiner Stelle würde ich versuchen die Schule zu wechseln- an den Umständen wird sich nämlich nichts ändern:
Kleinere Klassen wird es nicht geben. Eine bessere Ausbildung für die Übrigen Lehrer wird es nicht geben.
Das System ist komplett am Arsch. Sie besser zu, dass du da irgendwie rauskommst.
Du kannst mir deiner Ausbildung auch im privat-berreich mit "schwierigen Kindern" arbeiten. Dann sind das zwar meistens nur Kinder aus reichen Elternhäusern, aber du hast kleinere Gruppen und einen kompetenten Chef.
ThirdKing

Als ob das die Lösung wäre... einfach abhauen....zumal das nich unbedingt geht.. wenn man von der Schule mit einigen Stunden in den GU (Gemeinsamen Unterricht) abgeordnet wird. Und man macht den "Job" im GU ja gern, weil einem das thema Integration/Inklusion und vor allem die Kinder mit sopäd. Förderbarf am Herzen liegen.
Natürlich sind die jetzigen Bedingungen in vielen GU-Schulen oder Schulen mit Integrationsklassen oft alles andere als optimal (weit weg vom Konzept der Inklusion), aber das entlastet einen doch nicht als engagierten Sonderpädagogen, in den Klassen zu arbeiten und die Kinder zu unterstützen. Um den Punkt geht es Shiny sicher überhaupt nicht. Es geht doch eher um die Art und Weise, wie man als Sonderpädagoge, der in ein System reinkommt und dort nicht immer mit offenen Armen empfangen wird, aus der Situation das Beste rausholen kann für die Schüler und vielleicht etwas in Richtung Weiterentwicklung des Systems tun kann ohne sich unbeliebt zu machen (man will ja nicht der Fremde von außen sein, der kommt und nur meckert und zeigt wie es richtig geht).
finde die idee mit dem lehrerat und den fortbildungen gar nicht so schlecht. Natürlich ist das eher etwas längerfristiges und hilft jetz nich bei den gegenwärtigen schwierigkeiten im unterricht weiter...
Interessieren sich die Lehrer, die in der klasse unterichten, denn für die besondere situation der GU-Kinder? Kommen sie auf dich zu? Wie is das bei euch organisiert? Bist du in einigen stunden dann mit den regelschullehern in der klasse und unterstützt die Kinder oder bist du meist alleine in der klasse wenn du an der schule bist? ergibt sich n gespräch über gemeinsam erlebte situationen?
Anmeiner Schule arbeiten mittlerweile alle LEhrer mit 6 Stundne im GU.. es gibt schulen/klassen, wo es prima klappt und schulen/klassen, wo es nicht gut klappt aus verschiedensten gründen..is schwer, lösungen für diese komplexe problematik zu finden irgendwie.

Ah! mir fällt noch ein: Hast du denn mit den kollegen deiner stammschule, die auch in der integration arbeiten, so eine Art Teamtreffen regelmäßig? Wär ja auch ne möglichkeit, die situation da mal anzusprechen und dann zusammen zu überlegen, was man tun könnte. vielleicht erleben deine kollegen ja ähnliches?
 
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Shiny Flame
Benutzer42813  (41) Beiträge füllen Bücher
  • Themenstarter
  • #15
Off-Topic:
Du warst dir vorher im klaren, auf was du dich einlässt. Sogenannte I-Klassen sind nunmal totaler Schwachsinn: Man steckt einfach verschiedenste Kinder, die jeweils eigene, völlig unterschiedliche Lernbedürfnisse haben, in eine Klasse und hofft, dass das irgendwie funktioniert.
An deiner Stelle würde ich versuchen die Schule zu wechseln- an den Umständen wird sich nämlich nichts ändern:
Kleinere Klassen wird es nicht geben. Eine bessere Ausbildung für die Übrigen Lehrer wird es nicht geben.
Das System ist komplett am Arsch. Sie besser zu, dass du da irgendwie rauskommst.
Du kannst mir deiner Ausbildung auch im privat-berreich mit "schwierigen Kindern" arbeiten. Dann sind das zwar meistens nur Kinder aus reichen Elternhäusern, aber du hast kleinere Gruppen und einen kompetenten Chef.

ThirdKing

Das werd ich mit Sicherheit nicht tun :zwinker:. Ich mag die Arbeit im Ghetto mit den ganzen durchgeknallten Kids, die in erster Linie jemanden wollen, der sie liebhat - denn sie sind alle so wunderbar komplex und einzigartig, dass ich sie sehr gerne lieb habe.

Vernachlässigte Kinder reicher Eltern, die mir dann auf Arbeit am besten noch ständig auf die Finger schauen wollen, und kein einziger von denen mit den herrlichen arabischen Glutaugen, mit denen sie immer so niedlich einen auf lieb Kind machen wollen... Wie langweilig :zwinker:.


Außerdem ist Inklusion meine Vision. Wenn irgendwann eine inklusive Schule über die Grundschule hinaus kommt, langfristig gedacht, wenn ich meine eigene Familienplanung gemacht habe und die Kinder so weit versorgt sind, dass ich wieder in den Beruf kann - dann will ich so was mit aufbauen. Ich schau im Moment immer schon meinen beiden Schulleitungen auf die Finger und versuche, mir all das, was die gut machen, eben abzukupfern und mich in Gedanken schon mal darauf vorzubereiten, dass ich in zwanzig Jahren in einem ähnlichen Tätigkeitsfeld, aber spezieller zum Thema Inklusion arbeiten werde.

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Anmeiner Schule arbeiten mittlerweile alle LEhrer mit 6 Stundne im GU.. es gibt schulen/klassen, wo es prima klappt und schulen/klassen, wo es nicht gut klappt aus verschiedensten gründen..is schwer, lösungen für diese komplexe problematik zu finden irgendwie.

Das find ich ja richtig grausam... Mit nur sechs Stunden in so einer Klasse kann man ja so gut wie gar nichts vernünftiges machen außer immer nur Flickwerk!
 
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Shiny Flame
Benutzer42813  (41) Beiträge füllen Bücher
  • Themenstarter
  • #18
Interessieren sich die Lehrer, die in der klasse unterichten, denn für die besondere situation der GU-Kinder? Kommen sie auf dich zu? Wie is das bei euch organisiert? Bist du in einigen stunden dann mit den regelschullehern in der klasse und unterstützt die Kinder oder bist du meist alleine in der klasse wenn du an der schule bist? ergibt sich n gespräch über gemeinsam erlebte situationen?

Nein, sie interessieren sich bislang noch überhaupt nicht dafür, sondern betrachten sie als weiteres Übel - neben den am WE am Hauptbahnhof beim Dealen erwischten Schülern, der Beinahe-Vergewaltigung auf der Jungentoilette, die dann wohl doch keine war, der Schlägerei zwischen den beiden zehnten Klassen, weil ein Junge in der siebten Klasse zu einem Mädchen SChlampe gesagt hat und die dann zu ihrem großen Bruder und ihren vier Cousins gerannt ist...

Ich kann ja auch so gut verstehen, dass man da nicht noch mehr Mehrarbeit will!

Andererseits bietet die wachsende Ressource "Sonderpädagogik" an dieser Schule mittelfristig ja auch für diese Lehrer CHancen zur Entlastung. Man muss am Anfang andere Dinge reinstecken (ich muss das mit der Fortbildung wirklich vorschlagen!), aber in zwei, drei Jahren werden ja auch festere, klarer strukturierte Regeln und Konsequenzen in das Schulsystem kommen, die dazu führen, dass solche Vorfälle auf Lehrerseite nicht mehr ganz so viel Hilflosigkeit bewirken, sondern eben auch die "normalen" Lehrer von der Gesamtschule sich im Umgang mit so was routinierter und eben auch entlasteter fühlen.

Es ist so organisiert, dass ich mit 19 meiner 28 Gesamtstunden in dieser einen fünften Klasse mit den vielen Förderbedarfskindern bin - und die eine Stunde "Soziales Lernen", die ich glücklicherweise in den Stundenplan boxen konnte, darf ich selbst geben.

ein guter freund von mir ist lehrer und hat fachunterricht in einer "problemklasse", die bei ihm aber zucker ist. nur bei einigen kollegen ham die echt auf den putz gehauen.
er hat sich mal die mühe gemacht, mit den kindern zu reden und sie gebeten, doch einfach mal versuchen, auch beim herrn x brav zu sein. er wisse, dass sie das können - bei ihm seien sie ja auch immer sehr lieb.
der großteil hat das verstanden und richtig super mitgemacht. die haben sogar gegenseitig auf sich geachtet.
meinst du, dass das bei deiner klasse auch klappen könnte? ein großteil scheint ja nicht lernbehindert zu sein und wenn die mitziehen, dann besteht echt die möglichkeit, dass es nicht mehr so ausartet.

Das ist auch eine gute Idee, die mir meine unmittelbare Hilflosigkeit ein Stück weit nehmen kann. Ich werde in der soziales Lernen-Stunde zwar am Anfang erst mal einiges zur Konfliktklärung der Schüler untereinander sagen - aber auch das kann ich da ja mal thematisieren und versuchen, in den Fokus zu rücken. Blöd sind die alle nicht, nicht mal die Lernbehinderten. Auch die wollen eigentlich ruhiges Arbeiten haben. Und auch die schlimmsten Knallköppe wollen das eigentlich, wenn sie ruhig darüber nachdenken, auch. Sie schaffen es bloß nicht - wenn zu viel sensorischer Input kommt, rasten sie einfach aus.

Aber ich werde parallel zu den anderen Strategien für mich in meiner SL-Stunde auch das "achtet aufeinander, damit es leise ist und die Lehrer sich freuen, wenn sie euch sehen" als kurzfristige STrategie mit aufnehmen :smile:. Dann fühl ich mich da nämlich auch schon ein Stück weit weniger hilflos.

Bist du in einigen stunden dann mit den regelschullehern in der klasse und unterstützt die Kinder oder bist du meist alleine in der klasse wenn du an der schule bist? ergibt sich n gespräch über gemeinsam erlebte situationen?

Die meisten anderen Stunden bin ich parallel in der Klasse oder kann in Ausnahmen auch mal mit einer Kleingruppe rausgehen und parallel lernen - was sich bisher aber noch nicht als möglihc gestaltete, weil ich den Schlüssel für den Differenzierungsraum noch nicht habe ^^. Aber auch das wird sich irgendwann ändern.

Gespräche darüber ergeben sich schon - aber mehr so im Stil von "Mein Gott, sind die immer so schlimm? Wie kommt das, dass eine fünfte Klasse schon so schlimm ist? Das mit der Integration ist völliger Blödsinn, so was kann niemals gut gehen, ich hab das gleich schon gewusst, und die anderen Kinder leiden drunter!"

Passenderweise nach einer STunde, in der alle (!) Förderbedarfskinder ruhig oder fehlend waren und zwei "normale" komplett ausgerastet und ausgetickt sind...

In einem längeren Gespräch kenn ich Mittel und Wege, durch so eine Haltung durchzukommen. Aber halt nicht in fünf Minuten Lehrerzimmer, wenn die ganze Körperhaltung meines GEsprächspartners Hast und "ich muss noch für meine letzten beiden Stunden insgesamt vier Arbeitsblätter kopieren" signalisiert.

Ah! mir fällt noch ein: Hast du denn mit den kollegen deiner stammschule, die auch in der integration arbeiten, so eine Art Teamtreffen regelmäßig? Wär ja auch ne möglichkeit, die situation da mal anzusprechen und dann zusammen zu überlegen, was man tun könnte. vielleicht erleben deine kollegen ja ähnliches?

Die eine Kollegin von meiner Schule nähert sich ihrer Pensionierung und hat entdeckt, dass GU eine super Möglichkeit ist, einfach bequem an der Heizung zu lehnen oder sich neben ein einzelnes Kind zu setzen und ihm die Mathe-Aufgaben zu erklären. Längst nicht so anstrengend wie die ganzen Verhaltensauffälligen an unserer Stammschule. Die andere ist eher still und wirkt ein bisschen frustriert - kein Wunder, denk ich mir, wenn sie die ganze Zeit mit dieser recht dominanten, aber faulen älteren Kollegin hier zusammen was aufbauen sollte.

Die ist vielleicht auch noch mal eine Ressource für mich. Ich werde sie mal auf einen Kaffee einladen :smile:.

An einer anderen Schule sind mehr Kollegen abgeordnet, auch welche, die recht engagiert sind. Vielleicht haben die ja Lust auf einen schulübergreifenden GU-Stammtisch - ich werde es an meiner Stammschule ebenfalls vorschlagen. An meiner Stammschule ist das Klima anders, dort dürfen und sollen auch junge Kollegen Ideen und Engagement reinbringen, weil die Schulleitung dort einfach einsame Spitze ist und alle ins Boot geholt hat, so dass das Klima eigentlich sehr super ist.

Vielleicht könnte ich auch meine eigene Schulleitung mal um Rat fragen... Auf die Idee bin ich noch gar nicht gekommen, weil das Problem ja nicht an ihrer Schule besteht - aber zu der hab ich Vertrauen, die wird mich ernst nehmen und definitiv keinen Mist aus dem drehen, was ich erzähle, und ich glaub, die hat immer gute Ideen und einfach ein unglaubliches Gespür für Menschen und soziale Dynamiken.[DOUBLEPOST=1347639238,1347638966][/DOUBLEPOST]
Off-Topic:
Ich merke gerade hier dank eurer ganzen Fragen, wie viele Ideen ich eigentlich selber schon entwickeln kann...

Ich frag mich wirklich, warum ich damals beim ersten Versuch durch das zweite Staatsexamen gerasselt bin :zwinker:. Das ist schon lange her, aber ich glaube, ich habe immer noch ein bisschen Angst davor, im Lehrerzimmer den Mund aufzumachen, weil dann jemand herausfinden könnte, dass ich "eigentlich" ja nur eine Hochstaplerin bin, die hier gar nicht herumlaufen dürfte und die "zu arrogant guckt und sich damit Sympathien im Kollegium verspielt" (Zitat meiner Ausbildungsleiterin).
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Off-Topic:
Off-Topic:
flame, auch wenn ich dir nicht helfen kann - ich hab grad den wunsch dir zu sagen, dass ichs toll finde wieviel arbeit, gedanken und gefühle du darein steckst - und dass ich hoffe, dass du auch nach jahren noch die nerven und die kraft dazu hast :smile:

Danke dafür :smile:.

Dazu fällt mir nur ein, dass ich das auch hoffe :zwinker:. Wirklich verdammt sehr. Aber aus genau diesem Grund hab ich ja im letzten Schuljahr die Psychotherapie begonnen und die Fortbildung zur konfrontativen Pädagogik gemacht - die ganz offensichtlich was gebracht haben, denke ich mal, jedenfalls komme ich inzwischen abends nach Hause und bin müde, aber ich heule nicht mehr. Und daher krieg ich mehr Schlaf und schaffe meine Tage auch wieder leichter.
 
Shiny Flame
Benutzer42813  (41) Beiträge füllen Bücher
  • Themenstarter
  • #22
Ich habe gerade über die Arbeitskreisidee nachgedacht und Dinge gesammelt - und dann losgeheult, weil ich eh schon vor Erschöpfung grad nicht mehr kann. Ich fürchte, alles, was in zu viel Extraarbeit ausartet, wäre für das Ziel "Shiny geht es in Bezug auf ihre Arbeit wieder besser" eher kontraproduktiv.

Meine Beziehung leidet im Moment eh schon, weil ich so oft so erschöpft und frustriert bin - und er es auch ist. Und wir sind beide oft zu erschöpft für den Haushalt und schaffen höchstens noch ein bisschen am Computer herumhängen - oder in meinem Fall auch wenigstens manchmal noch Schriftstellern. Und seine Mutter ist oft ziemlcih anstrengend und krank. Und am Wochenende liege ich eh schon immer nur auf dem Sofa, wenn ich eigentlich Wäsche machen muss. Und oft streiten wir uns auch, weil wir einfach beide so erschöpft sind und uns wünschen, dass der andere uns auffängt. Ich habe ja eh NIE Feierabend, selbst wenn ich abends mit zitternden Händen heimkomme, weil ich ja IMMER noch Unterricht vorbereiten und Förderpläne schreiben und dies und das tun muss...

Selbst, wenn ich dann den Abend gar ncihts tue, habe ich keinen Feierabend, bei dem ich einfach mal ausruhen kann, wie Leute in anderen Berufen, sondern muss immer EIGENTLICH noch arbeiten. Das ist beschissen - weil ich oft einfach so erschöpft bin, dass ich es tatsächlich nicht mehr schaffe. Wann soll ich kochen? Wann soll ich essen? Ohne Essen schaffe ich das Vorbereiten nicht, weil ich meist in einem sechs bis neun-STunden-Schultag nichts essen kann, weil die Pausen der Konfliktklärung, Teambesprechung und dem Kopieren dienen und ich da nichts runterkriege. Wenn ich aber zu Hause dann Essen mache - dann bin ich danach so erschöpft. Also bereite ich den Unterricht erst um neun oder so vor - wenn ich am liebsten schon ins Bett würde.

Und dann beneide ich jedes Mal normale Arbeitnehme darum, dass sie zwar ein bisschen länger auf ARbeit bleiben müssen als ich, aber abends eben nichts mehr zuhause machen müssen.

Jetzt wirklich noch einen kompletten Arbeitskreis NEBEN der Einarbeitung an der neuen Schule und in das Tag für Tag bestehende Arbeitsfeld zu schaffen überfordert mich einfach - selbst, wenn es mittelfristig gut wäre. Aber ich hatte vor einem Dreivierteljahr und länger zurück regelmäßige Selbstmordgedanken, die unter anderem auf zu viel Erschöpfung und zu wenig Zeit für meine SChriftstellerei zurückgingen.

Ein bisschen muss ich auch mich selbst schützen - ich bin nicht nur Lehrerin, sondern auch Mensch. Eine Beratungskonferenz für alle Kollegen, die in der Klasse unterrichten, und eine Thematisierung von "bei allen Lehrern leise sein" im Sozialen Lernen - das kann ich schaffen.

Aber das, was darüber hinausgeht - beim Gedanken daran zittern mir schon wieder die Hände und ich möchte heulen. Ich merke gerade, dass mir so was zu viel wird. Eben habe ich ein bisschen geschriftstellert - das, was ja eigentlich mein großer Traum ist. Und ich habe gemerkt, dass ich dafür schon viel zu erschöpft war - und morgen ist den ganzen Tag Schwiegermutti angesagt, das wird auch anstrengend.

Ich glaub, ich bin einfach keine Heldin, die die Welt verbessern kann :zwinker:. Nur eine Frau, die sich Tag für Tag irgendwie durchbeißt und inzwischen bei ihren wöchentlichen hysterischen Anfällen so weit ist, dass sie sich vor dem Losheulen inzwischen manchmal erst noch einen Tee kocht, damit sich der Flüssigkeitsverlust danach leichter ausgleichen lässt...
 
Zuletzt bearbeitet:
darkangel001
Benutzer48617  (38) Meistens hier zu finden
  • #23
Als ich mein Referendariat begonnen habe, war es mir egal, an welche Schule ich komme. Nachdem ich viele andere Referendare an Gesamtschulen - auch mit I-Klassen - besucht habe, war ich froh, an einem "normalen" Gymnasium gelandet zu sein. Und jetzt, wo ich fertig bin, bin ich zwar offen für eine Stelle an einer Gesamtschule, habe aber verdammte Angst davor. Denn ausgebildet sind wir dafür wirklich nicht. Wenn mal das Thema Binnendifferenzierung auf den Tisch kam, ging es um gut-mittel-schlecht in normalgemischten Klassen. Unsere Gesamtschulreferendare haben sich nicht selten beschwert, dass sie mit den Hinweisen nicht viel anfangen können - bei ihnen ist eben mehr verlangt als "Mach mal zusätzlich Aufgabe 3, wenn du fertig bist."

Ich bin nicht so 100%ig vertraut mit den Strukturen an einer Gesamtschule und es ist ja auch immer Bundeslandabhängig, aber ihr habt doch sicher so etwas wie einen Klassenlehrer? Der hat ja oft auch die meisten Stunden - kannst du den nicht zunächst auf deine Seite ziehen? Alle Kollegen auf einmal zu bekommen, wirst du nicht schaffen, gerade nicht als Neue, aber wenn du dich mit einem gut stellst, ist das ja schon mal ein Anfang.

Du könntest den Schülern auch ein schönes Ritual beibringen, dass sie dann in jeder Stunde, auch bei Fachlehrern, durchführen. Ein Lehrer, bei dem ich hospitiert habe, hat seiner Klasse ein "Guten Morgen, Herr ..." beigebracht, im leichten Singsang, so dass es nicht so monoton langweilig war. Und dann kamen kleine Bewegungen, Aktionen, Worte dazu ... zu Anfang aufstehen, hinsetzen, mit den Händen aufs Pult schlagen, trampeln, zählen usw., teilweise auch mit aktuellen Schul- oder Weltgeschehnissen verbunden. Die meisten Kollegen fanden es super und waren immer gespannt, was in der nächsten Stunde für ein neues Element dazu kam. Und die Klasse war konzentriert im Anschluss. Klar ist das keine Lösung für eine komplette Stunde, aber das zeigt den Lehrern vielleicht auch, das mit der Klasse mehr anzufangen ist als Lärm und Anstrengung.

Diese Fortbildungsgeschichte würde ich aber auf jeden Fall in Fahrt bringen. Ich kann mir vorstellen, so mancher Kollege ist mehr als dankbar, wenn er Hilfestellungen bekommt. Oft reichen ja kleine Dinge und alle können entspannter arbeiten. Und wenn dies im Rahmen eines Fortbildungstages geschieht, an dem die Lehrer sowieso anwesend sein müssen, ist es für sie auch keine zusätzliche Arbeit und sie werden es lieber annehmen. :zwinker:
 
TheWise
Benutzer40590  (45) Sehr bekannt hier
  • #24
Sehr viele lange Beiträge bisher, daher hab ich nun noch nicht alles gelesen und entschuldige mich im Vorraus dafür das ich evtl bereits gesagtes wiederhole.
Also erstens finde ich es toll wie Du Dich dafür engagierst, das sieht man leider recht selten.
Ich finde solche I-Klassen ja eigentlich eine Super Sache, allerdings gehören dann auch entsprechend geschulte Lehrer dahin bzw welche die wenigstens ein ernsthaftes Interesse daran haben. Wenn ich solche Ausagen wie zum Beispiel :

und viele in der Klasse wollten eigentlich niemals in einer I-Klasse unterrichten, weil das eben so anstrengend sei.

lese, dann kann ich zwar einerseits die Lehrer verstehen das Ihnen das nicht gefällt (wenn ich solche Schüler unterrichten wollte, hätte ich Sonderpädagogik studiert) - aber andererseits sollten die sich dann mit den Umständen abfinden und sich Tipps geben lassen/sich selbst weiterbilden oder in letzter Konsequenz die Schule verlassen. Leider sind berufserfahrene Menschen aber leider oft stur (das war immer so und so - ich mach das jetzt nicht anders !) - gerade in einem solchen Fall ist das aber fatal. Ich denke der Vorschlag zu einer Fortbildung ist eine echt gute Idee.

Sieht denn keiner von Ihnen wie es zum Beispiel bei Dir läuft ? Wenn es bei Dir geht müsste es ja auch bei den anderen klappen (mit "anbrüllen" ist noch nie ein Lehrer weitergekommen - da braucht es nichtmal I-Klassen. Wir haben gerade bei denen auf stur geschaltet und ich habs soweit getrieben bis die mich endlich rausgeworfen haben - konnte den Stoff ja oft auch ohne Lehrer xD ich hätte das für anderes nutzen sollen ...)
 
Tinkerbellw
Benutzer35070  Meistens hier zu finden
  • #25
Denke auch an Dich. Man leistet als Sonderpädagoge soviel jeden Tag, da muss man auch gut auf sich selber aufpassen und schauen, dass die Akkus nicht leer werden.
Wir haben einen Kitatherapeutenarbeitskreis und wir sind mehr als zwanzig Leute, aber selbst die reichen nicht aus im Moment genug Krach zu schlagen um an der Lage etwas zu ändern. Wir mussten auch schon Termin absagen , weil es einfach nicht mehr machbar war.
Immerhin haben die Kinder ja einige Schulstunden bei dir, in denen sie merken, dass lernen auch anders sein kann. Vielleicht nur ein Tropfen auf den heißen Stein aber immerhin!
 
U
Benutzer96466  Planet-Liebe Berühmtheit
  • #26
Ich war selbst Schüler in einer I-Klasse (Modellversuch; 16 nichtbehinderte und 4 behinderte Kinder [Downsyndrom, Spasmus+Lernbehinderung, Rollstuhl und Sprach+Lernbehinderung]; ständig 2 Lehrer [Fach+SoPäd]). Ich kann nur sagen, das das wirklich die Zukunft ist, kriege jetzt aber auch über die Mutter meiner Freundin mit, wie "normale" Fachlehrer an der Inklusion verzweifeln können.

Ich will dir (und euch allen!) Mut machen, da ihr alle eine wirklich wichtige Arbeit macht. Inklusion (in meinem Fall wars noch Integration :zwinker: ) bringt allen was!
 
Tinkerbellw
Benutzer35070  Meistens hier zu finden
  • #27
Tja so wie Du das beschreibst wäre das ja auch prima. Ständig eine zweite Heil- oder Sozialpädagogische Kraft wäre super. Nur leider wird da oft gespart und dann kommen stundenweise ungelernte Integrationshelfer etc....
Aber schön, dass Du das Erlebnis so positiv fandest.
 
Shiny Flame
Benutzer42813  (41) Beiträge füllen Bücher
  • Themenstarter
  • #28
Jetzt hatte ich gerade ganz viel an Update geschrieben, und dann ist die Katze auf die Tastatur gelaufen und hat alles gelöscht, weil sie Abendbrot wollte...

Dann also die Kurzform. Wir hatten heute ein Gespräch mit allen Kollegen, die in der Klasse arbeiten, und ich hatte den Eindruck, dass es ein sehr ergiebiges Gespräch war. Und den Rat mit dem "die Schüler bitten, auch bei anderen Lehrern leise zu sein" habe ich auch umgesetzt. Keine Ahnung, ob es jetzt daran lag oder ob die Klasse sich einfach allgemein ein bisschen besser gefunden hat und "normaler" reagiert, jedenfalls gibt es keine generalisierten Donnerwetter für die ganze Klasse mehr, sondern tatsächlich nur gezielte Ansprachen an einzelne Schüler.

Alle darüber hinausgehenden Ratschläge werde ich im Hinterkopf behalten, auch wenn ich mich vorerst wohl erst mal auf die Arbeit im Team beschränken werde... Ach ja, eine ältere Kollegin von meiner Stammschule habe ich mir inzwischen als Mentorin ausgeguckt, die arbeitet an einer anderen Schule ebenfalls im gemeinsamen Unterricht und ich habe jetzt schon ein paar Pausen an der Stammschule mit ihr im Lehrerzimmer gesessen und mir von ihr Ratschläge und Erfahrungen aus ihrer Arbeit geben lassen. Da waren auch noch mal ein paar schöne Ideen dabei - und ich fühle mich nicht mehr so ganz alleine damit.

Vielen Dank noch mal für die ganzen Mühen des Antwortens an alle! Es hat mir wirklich geholfen.
 
D
Benutzer86779  (39) Sehr bekannt hier
  • #29
Das ist wirklich ein Problem, dass die anderen lehrer dort mit einer situation konfrontiert sind, für die sie nicht ausgebildet sind.

Obwohl, eigentlich sind sie es ja: vermutlich haben sie einmal ne doppelstunde im studium gehabt und dann heißt es, dass man den stoff beherrscht. genau das ist das problem mit den lehrern. sie haben ein wenig halbwissen, können es aber auf dauer nicht umsetzen. daran wird auch ne 2 tägige fortbildung nicht helfen, genausowenig wie dich ein youtube tutorial zum chirurgen macht. der erste stress wird deine kollegen wieder in die alten muster verfallen lassen.

Die einzige chance die ich da sehe ist das du die alleinige leitung der erziehungsmaßnahmen in der klasse übernimmst und die lehrer innerhalb dieser strukturen nur didaktische aufgaben übernehmen (vllt. ja dir ein signal geben wenn sie nicht klar kommen).

Denn im endeffekt muss ihnen klarwerden, dass wenn sie so weiter machen noch 15 jahre ohne irgendwelchen nutzen rumschreien und dann irgendwann entweder burnout haben oder auf die rente warten.

Wie du denen das klarmacht ohne arrogant zu wirken oder ihre kompetenz in frage zu stellen weiß ich allerdings auch nicht.
 
banane0815
Benutzer44981  Planet-Liebe Berühmtheit
  • #30
Schön, dass sich die Zustände bessern.
Das ist sicherlich noch lange nicht das Optimum, aber viel mehr kann man bei einer solchen verkorksten Organisation der ganzen Geschichte auch fürs Erste nicht erwarten. Vielleicht hast du damit ja schon mal den Stein ins Rollen gebracht und es gibt zumindest mal eine Fortbildung für deine Kollegen, um sie zumindest ein wenig besser auf die neuen Herausforderungen vorzubereiten, denen sie durch diese I-Klassen ausgesetzt sind.
 
Shiny Flame
Benutzer42813  (41) Beiträge füllen Bücher
  • Themenstarter
  • #31
Ein kleines Update :smile:.

Es lohnt sich anscheinend im Leben nicht nur in der Partnerschaft öfter auch mal, wenn man geduldig bleibt und genau hinschaut, um sich ein gutes Bild zu machen. Und es lohnt sich, wenn man die Haltung "Jeder ist einzigartig" auch mal auf Lehrer anwendet und nicht nur auf Schüler...

Inzwischen habe ich Freundschaft mit einer anderen Klassenlehrerin geschlossen und wir sind oft heftig am Fachsimpeln in der großen Pause. Nicht jammern, sondern fachsimpeln - und das schlägt, wenn auch winzig kleine, Wellen ^^. Die Klassenlehrerin "meiner" Klasse sitzt oft mit dabei. Viele Sachen und Tipps kann sie von einer Regelschulkollegin anders annehmen als von mir. Inzwischen sind unsere Teamstrukturen auch ein bisschen gewachsen und es fällt uns leichter, nach Lösungen zu suchen. Wie gesagt - ich bin fürs Beraten ausgebildet. Aber dafür muss es erst mal eine entsprechende Situation geben.

Eine andere ältere Lehrerin in der Klasse... Wir hatten neulich mal eine Freistunde gemeinsam. Sie schaute oft so verbittert, und ich hatte den Eindruck, dass sie innerlich längst aufgegeben hat. Wir haben einfach geplaudert. Über Frauenkleider, Frauenbilder... Und auf einmal sah ich hinter dieser Maske der verbitterten älteren Frau das junge, hochintelligente Mädchen, das sie mal war, das Physik studieren wollte in einer Zeit, in der Mädchen noch nicht mal in Hosen aus dem Haus durften, sondern noch Röcke tragen mussten. Es war nur ein kurzer Moment - aber er hat mein Bild von ihr völlig verändert.

Und wie so oft gilt: In dem Moment, wo man einen Menschen anders sieht, verändert er sich dadurch tatsächlich - ein klein bisschen. Ein Trick, der in der pädagogischen Arbeit Schülern gegenüber oft hilft. Nicht immer, aber er erleichtert vieles. Ich habe inzwischen den Schülern in ihrem Beisein den einen oder andern kleinen Mini-Vortrag zum Thema "jeder ist einzigartig, jeder verdient Respekt" gehalten - speziell in Bezug auf Respekt vor Lehrern und Respekt vor der speziellen Art des Unterrichtens dieser Frau. Außerdem habe ich gesagt, dass die Kollegin sehr, sehr klug ist, sehr viel weiß - und die Kinder von ihr dieses viele Wissen bekommen können. Wissen ist kostbar! Es ist der größte Schatz, den ihr bekommen könnt! Nehmt diesen Schatz von der Frau XY an!

In Wahrheit galt der Vortrag natürlich auch der Kollegin ^^. Ganz indirekt. Respekt vor jedem in seiner Einzigartigkeit - sie ist intelligent genug, die Message für sich rauszuziehen. Sie ist jetzt in der Klasse ein Stück weit entspannter, zumindest, wenn ich mit drin bin. Das spüren die Kinder und die Arbeitsatmosphäre bessert sich.

Noch schöner: Die Schulleiterin plauscht inzwischen mit mir das eine oder andere Mal. Sie sagte mir, dass sie es so toll findet, dass sie mit uns Sonderpädagogen jetzt auch ganz engagierte Leute neu ins Kollegium kriegt. "Bei manchen Leuten werden wir nichts verändern... Die trauern der alten Zeit hinterher, in der die Schüler so anders und viel besser waren", hat sie gesagt. "Aber wir kümmern uns stattdessen einfach um die, die eben doch wollen. Damit schaffen wir dann früher oder später eine Dynamik, die weitere Leute mitzieht. Die Inklusion ist die Zukunft, wir können sie nicht wegwünschen. Also machen wir das beste draus - für alle Schüler."

"Wir" hat sie gesagt. Das hat mir sooooooo gutgetan...

Seitdem bin ich keinen einzigen Tag mehr krank gewesen. Zum ersten Mal war ich in der Lage, trotz leichtem Fieber und böser Erkältung mit einer Paracetamol trotzdem zur Arbeit zu gehen. Die Gesamtsituation hat sich eigentlich gar nicht so sehr geändert. Aber sie fühlt sich jetzt endlcih, endlich, endlich ganz anders an. Zum ersten Mal, seit ich in dem Beruf bin, fühle ich mich nicht mehr alleine gegen ein unerträgliches Gewicht.

Die Klasse ist immer noch schwierig, laut, es wird gemobbt, bedroht, abgezogen, erpresst, geschlagen, getreten und geschimpft... Aber langsam trägt unsere viele Arbeit Früchte. Mein Respekt vor meiner Teamkollegin wächst mehr und mehr. Sie ist nicht dafür ausgebildet, und doch geht sie mit einer unglaublichen Intuition, Feingefühl und Konsequenz in diese anstrengende Klasse. Manchmal ist sie ein bisschen pampig (so was ist für mich immer sehr schwer) - aber nie nachtragend, immer offen, neugierig und bereit für Neues. Auch sie musste ich erst mal kennen- und schätzenlernen... Ich bin gespannt, wie sich die gemeinsame Weiterarbeit noch entwickelt.

Vieles hat sich tatsächlich in diesen paar Monaten, seit ich den Thread gestartet habe, zum Besseren verändert. Vielleicht noch nicht gut... Aber besser. Habe mit der Schulleitung auch schon mal über Möglichkeiten zur Fortbildung geplauscht. Ich darf die Augen offenhalten, ob ich gute Leute ausfindig machen kann, sie würde sich sehr drüber freuen - einen Fortbildungstag gibt es dieses Schuljahr noch.
 
banane0815
Benutzer44981  Planet-Liebe Berühmtheit
  • #32
Das hört sich doch alles ziemlich gut an.
Sicherlich laufen viele Dinge noch nicht so, wie es optimal wäre... aber nachdem es diese Inklusions-Geschichte noch nicht lange gibt, während es an der Schule längst eingefahrene Prozesse gibt, die jetzt nicht mehr so funktionieren wie früher, kann man ja auch wirklich nicht davon ausgehen, dass das alles sofort reibungslos funktioniert.
Aber immerhin kommen einige Dingen in Bewegung und es geht voran. Das ist doch auch eine schöne Sache, wenn man sieht, dass es zumindest mal eine gewisse Bewegung in die gewünschte Richtung gibt.

Ich wünsche dir auf jeden Fall viel Erfolg und hoffe, dass die Sache damit auch für dich angenehmer und nicht mehr ganz so stressig wird.
 
H
Benutzer67523  Sehr bekannt hier
  • #33
Ein Seitenkommentar, da mich das Bildungssystem auch akademisch sehr interessiert.
Wo ich herkomme, hat man vor Jahren diese Klassen auch zusammengelegt, und zwar beginnend mit dem 7. Schuljahr.

Ich weiss nicht, ob es inzwischen Studien dazu gibt, doch von mir persoenlich aus gesehen war das absolut desastroes, denn man hat die Lernunwilligen (Schueler mit teils ersten Kontakten zur Jugendanwaltschaft wegen schwerer Koerperverletzung) gemeinsam unterrichtet mit Lernwilligen/Leistungsbereiten, die aber einfach intellektuell nicht die selben Voraussetzungen mitbrachten und statt eines chaotischen, disziplinlosen Unterrichtes mehr Ruhe und Moeglichkeit zur Konzentration gebraucht haetten.

Als Lehrperson ist so etwas unheimlich schwierig zu meistern, man hat gleichzeitig Schueler, die hart arbeiten wollen, um eine Berufsausbildung oder Anlehre zu ergattern, waehrend gleichzeitig noch eine kleine Gruppe (mit aber umso hoeherem Stoereffekt) im Raum ist, bei der es zum guten Ton gehoert, den Unterricht krass zu stoeren und die sich lauthals darum scheren, nach der Schule in ein Berufsleben einzusteigen.

Und eine kleine Spekulation/Frage (fast) zum Schluss: :smile: ShinyFlame, dass Du das so gut hinkriegst, ist sehr bestaunenswert. Wie stark, denkst Du, hilft Dir Dein junges Alter dabei, von den Schuelern akzeptiert zu werden? Mit anderen Worten - denkst Du, Du hast mit 45 noch die selbe "Street Cred?"

Und zu Deiner Frage: ich wuerde auf jeden Fall mit der Schulleitung sprechen. Aber nicht dahingehend, dass die anderen Lehrer schlecht sind und rumschreien, sondern diskutieren, wie sich der Einfluss von Lehrern Deiner Art verstaerken lassen wuerde. z.B - koennte man statt nur Dir 2, 3 oder 5 solche Lehrer anstellen (und sie teilweise auch "normale" Klassen unterrichten lassen?)
Wenn die Etablierteren merken, dass Du nicht die einzige bist, die so agiert, wie Du agierst, kann Dir das helfen.
Zweitens: Zeig Resultate gegenueber anderen Lehrern. Nicht vergleichend a la "bei mir sind sie so viel besser", sondern, wenn's an einem Konvent kleine Vortraege gibt, haeltst Du einen, wo Du einfach sagst "wir haben das und das und das gemacht, hier sind Photos/Arbeiten/...". Ohne das "Wie" Ihr es gemacht habt. Das kann in einigen anderen Lehrern Neugier/Interesse wecken.

Du stehst hier vor einem ziemlichen Stueck strategischer Ueberzeugungsarbeit. Im Lehrerkollegium finden sich wohl diese drei Gruppen: Lehrer, die es (vielleicht verhalten) positiv finden, was Du tust, Lehrer, denen es egal ist, und Lehrer, die es rundum fuer falsch oder dumm halten. Schau, ob Du auch nur einen aus der ersten Gruppe finden kannst, sprich mit ihm, vielleicht koennt Ihr mal etwas Kleines mit den Klassen zusammen machen, etc.
So kannst Du die Fronten etwas aufweichen, aber schnell geht das nicht. (Du kannst aber einen gewissen Schneeballeffekt erwarten: Einer, den Du ueberzeugt hast, verbreitet evtl diese Ueberzeugung weiter)
 
Subway
Benutzer54399  Planet-Liebe Berühmtheit
  • #34
Finde das echt sehr schön, dass es bei dem Thema voran geht und sich was ändert. Es wäre wirklich schade gewesen, wenn nur ein weiterer Lehrer dabei rauskommt, der keine Lust mehr hat und nur irgendwie seine Zeit absitzt.
 
Shiny Flame
Benutzer42813  (41) Beiträge füllen Bücher
  • Themenstarter
  • #35
Und eine kleine Spekulation/Frage (fast) zum Schluss: :smile: ShinyFlame, dass Du das so gut hinkriegst, ist sehr bestaunenswert. Wie stark, denkst Du, hilft Dir Dein junges Alter dabei, von den Schuelern akzeptiert zu werden? Mit anderen Worten - denkst Du, Du hast mit 45 noch die selbe "Street Cred?"

So "gut"? ^^ Mir wird hier im Forum regelmäßig geraten, meine Beziehung zu beenden oder meine Arbeitsbelastung zu reduzieren oder überhaupt alles Hauptsache irgendwie anders zu machen, weil es mir eben überhaupt nicht gut geht ^^. Ich bin in Psychotherapie und meine Beziehung bewegt sich im Moment auf dem Level von "Wir nehmen uns zwei oder drei Mal am Tag fünf oder zehn Minuten füreinander und schreiben uns die seltenen Dates in den Kalender, weil einfach so viel Arbeit ist".

Ich denke allerdings tatsächlich NICHT, dass mein junges Alter mir dabei hilft, von den Schülern respektiert zu werden. Vor ein oder zwei Jahren war ich noch jünger und hatte überhaupt keinen Boden unter den Füßen. Was mir hilft, ist meine Präsenz, die ich mir im letzten Jahr parallel durch Psychotherapie und eine sehr gute einjährige Fort/Weiterbildung zur CoolnessTrainerin angeeignet habe. Das ist nicht angeboren und auch keine Gabe, das war harte Arbeit an mir und meiner Persönlichkeit. Respekt fordern, Respekt geben, das äußert sich in vielen, vielen Kleinigkeiten, die von außen absolut zufällig aussehen und die ich tatsächlich mühsam erlernt habe.

Jugendliches Alter hilft nur dabei, dass die Jungs sich auf den Gängen öfter mal schubsen, wenn ich wo langgehe - lustigerweise oft genau so, dass jemand haarscharf vor meiner Nase gegen die Wand fliegt. "Sie sehen toll aus", heißt das körpersprachlich übersetzt, "aber das kann ich Ihnen ja wohl kaum ins Gesicht sagen." Da hilft die in der Weiterbildung erlernte dominant-entspannte Körpersprache und ein bisschen Humor bei gleichzeitiger Konsequenz.

Und jugendliches Alter hilft dabei, Power zu behalten. Ich habe eine Menge Kraft und Ausdauer, und auch die Intelligenz und Neugier, immer wieder Neues zu lernen und auszuprobieren. Das jetzige Belastungslevel werde ich garantiert nicht 20 Jahre durchhalten. Ich gehe aber davon aus, dass viele Dinge im Bereich "Präsenz zeigen", die ich im Moment noch anwende, und viele unterrichtliche für mich Neue Dinge, im Lauf der kommenden Jahre auch mehr zur Routine werden. Möglicherweise kann ich dann immer noch die gleiche Leistung bringen und benötige weniger Power dafür?

Ernst nehmen und "Präsenz" entwickeln ist tatsächlich keine Frage des Alters. Aber als junger Mensch lernt man leichter um, und als Shiny noch mal leichter, weil Shiny nämlich emotional "high sensitive" (übersensibel) und intellektuell hochbegabt ist.

Und Shiny will auch nicht den Rest ihres Lebens untergeordnete Sonderpädagogin bleiben. Im nächsten Jahr wird sie als Sabbatjahr auf halbe Stelle gehen, damit sie nach der Baby-Pause mit frischer Kraft zurück in den Schuldienst kann. Bis dahin werden die ersten Schulen gegründet werden, die tatsächlich von Anfang an inklusiv arbeiten wollen - und da wird möglicherweise irgendwo eine verantwortungsvollere Stelle für Shiny sein, die jetzt so viele Erfahrungen sammelt und sich so gut vernetzt, wenn die Arbeit in der aktuellen Klasse besser läuft... Mit diesem Hintergedanken kann Shiny manchmal auch ein Stück weit entspannter sein.

Ein Seitenkommentar, da mich das Bildungssystem auch akademisch sehr interessiert.
Wo ich herkomme, hat man vor Jahren diese Klassen auch zusammengelegt, und zwar beginnend mit dem 7. Schuljahr.

Ich weiss nicht, ob es inzwischen Studien dazu gibt, doch von mir persoenlich aus gesehen war das absolut desastroes, denn man hat die Lernunwilligen (Schueler mit teils ersten Kontakten zur Jugendanwaltschaft wegen schwerer Koerperverletzung) gemeinsam unterrichtet mit Lernwilligen/Leistungsbereiten, die aber einfach intellektuell nicht die selben Voraussetzungen mitbrachten und statt eines chaotischen, disziplinlosen Unterrichtes mehr Ruhe und Moeglichkeit zur Konzentration gebraucht haetten.

Als Lehrperson ist so etwas unheimlich schwierig zu meistern, man hat gleichzeitig Schueler, die hart arbeiten wollen, um eine Berufsausbildung oder Anlehre zu ergattern, waehrend gleichzeitig noch eine kleine Gruppe (mit aber umso hoeherem Stoereffekt) im Raum ist, bei der es zum guten Ton gehoert, den Unterricht krass zu stoeren und die sich lauthals darum scheren, nach der Schule in ein Berufsleben einzusteigen.

Das ist tatsächlich sehr, sehr schwer. Wenn ich in so eine Klasse komme, würde ich tatsächlich erst mal einen Haufen Überstunden und Tricks investieren, um die Knallköppe irgendwie auf meine Seite zu kriegen. Wie das geht, das kann ich hier so schlecht zusammenfassen, und immer klappt es auch nicht... Aber erst mal müssen die Knallköppe kapieren, dass ich der Boss bin. Vorher klappt es nicht. Und wenn die wirklich extrem stören...

Ist nicht einfach.

Übrigens: Du weißt schon, was permanentes lautstarkes Stören und "mir doch scheißegal, wie das später mit Beruf wird" heißt?
 
R
Benutzer12784  (42) Sehr bekannt hier
  • #36
Übrigens: Du weißt schon, was permanentes lautstarkes Stören und "mir doch scheißegal, wie das später mit Beruf wird" heißt?

Ich glaub er lösts jetzt nicht auf. Also was wäre die Antwort?
 
Shiny Flame
Benutzer42813  (41) Beiträge füllen Bücher
  • Themenstarter
  • #37
Ich glaub er lösts jetzt nicht auf. Also was wäre die Antwort?

Na, wenn es auch weitere interessiert: Es heißt

"Ganz ehrlich, mein Leben ist scheiße. Irgendwie will mich niemand so richtig haben in diesem Leben. Meine Eltern haben mich vielleicht nie wirklich gewollt, meine Freunde/Freundinnen mögen mich oberflächlich, so lange ich immer einen auf supercool und abgebrüht mache. Aber im Ernstfall kann ich mich auf die Freunde doch auch nicht verlassen. Die freuen sich doch sogar, wenn ich eine Fünf oder Sechs habe, weil sie dann immer noch besser dastehen als ich. Eigentlich sind es falsche Freunde, und tief in mir weiß ich das. Aber ich hab doch keinen Schimmer, was ich daran ändern kann. Also stör ich weiter, dann bewundern sie mich wenigstens, weil ich vor den Lehrern so mutig sein kann.

In Wahrheit habe ich eine Höllenpanik davor, später keinen Abschluss zu kriegen, keinen Beruf zu haben und von Hartz 4 leben zu müssen. Dann ist man doch der letzte vom letzten Dreck und muss für die Müllabfuhr arbeiten oder mit diesen hässlichen Uniformen im Park Blätter wegfegen. Ich habe doch so große Träume, irgendwie, irgendwo, ich kann sie aber nicht in Worte fassen. Ich will doch jemand sein. Jemand, der auch was auf die Reihe kriegt. Aber ich weiß ganz genau, dass ich so jemand nie sein werde. Später werde ich ein Versager. Ich bin jetzt schon ein Versager. Die Lehrer wissen es, die Mitschüler wissen es, ich weiß es auch. Ich habe Angst. Ich will aber nicht die ganze Zeit Angst haben. Also bin ich laut, dann höre ich die Stimme nicht, die ängstlich ist. Denn sowie ich ruhig werde, kriege ich wieder Angst. Und das halte ich nicht aus. Davon verstehen die Lehrer nichts. Die haben vielleicht auch mal Angst gehabt, wegen irgendwas, aber niemals diese allumfassende Angst davor, dass sie als Mensch absolut und überhaupt nichts wert sind.

Dann ist da noch die Sache mit der Liebe. Alle wissen ja, dass ich ein Versager bin. Wie soll ich je einen Freund / eine Freundin finden, wenn ich nie eigenes Geld verdienen werde? Es gibt doch an mir nichts, was man lieben kann.

Nichts außer meiner Coolness jedenfalls. Ich bin cool und störe im Unterricht. Weil ich mutig, knallhart und cool bin. Und ich kann behaupten, dass ich keine Angst habe. Die anderen haben schließlich auch alle Angst vor der Zukunft, aber die können das vielleicht noch irgendwie schaffen. Deswegen bewundern sie mich hoffentlich, wenn ich sage, dass ich keine Angst habe und mir alles scheißegal ist."

Wenn man so jemanden "zwingen" will, im Unterricht ruhig zu sein und sich damit auseinanderzusetzen, was er alles an Unterrichtsstoff nicht verstanden hat...

Dann nimmt man ihm das wenige, was er noch hat. Kein Wunder, dass er sich weigert, kein Wunder, dass er Widerstand leistet und sich selbst noch mehr über diesen Widerstand definiert...

Die Lösung und der Weg, der respektvoll ist, der auch diesem Jugendlichen Respekt entgegenbringt und gleichzeitig Respekt für mich als Lehrerin einfordert, führt weder über Zwang noch über Unterricht. Der ist echt kompliziert. Aber irgendwie dann auch wieder ganz einfach.
 
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